Gerüchte hat es schon vor geraumer Zeit gegeben. Ziemlich genau vor zwei Jahren prognostizierte die Nachrichtenagentur Reuters einen baldigen Verkauf der Fischimbisskette Nordsee. Dabei berief sie sich auf direkt am Coup beteiligte Akteure. Seither ist nichts weiter nach außen gedrungen. Doch nun ist die Entscheidung gefallen: Das Unternehmen aus Bremerhaven hat einen neuen Eigentümer. Die Schweizer Investorengesellschaft Kharis Capital übernimmt Nordsee von der Unternehmensgruppe Theo Müller.
Das gaben Käufer und Verkäufer am Dienstag in einer gemeinsamen Mitteilung bekannt. Nordsee habe immer einen positiven Beitrag zum Ergebnis der Unternehmensgruppe Theo Müller beigetragen, teilte deren Aufsichtsratsvorsitzender Heiner Kamps mit. Dennoch habe die Fischkette mit den Filialgeschäften immer eine Sonderstellung in der Gruppe gehabt. "Im Sinne der Fokussierung auf unser Kerngeschäft – die Herstellung von Molkereiprodukten sowie Feinkostsalaten und Dressings – haben wir uns nun entschlossen, die Nordsee zu veräußern."
Das Geschäft der Kette sei jedoch gut aufgestellt. Deshalb sei man überzeugt, dass es auch unter dem neuen Eigentümer weiter eine positive Entwicklung nehmen werde. Robert Jung ist im Unternehmen seit Anfang 2016 Vorsitzender der Geschäftsführung. Die HK Food GmbH, Tochter von Theo Müller, hat sich bei der Suche nach einem Käufer von der Investmentbank GCA Altium beraten lassen.
Die Kharis Capital ist im Segment der Systemgastronomie kein Neuling. In Belgien, Frankreich, Italien, Polen und Luxemburg kontrolliert der nach eigenen Angaben von Familien finanzierte Investor bereits um die 550 Restaurants der Marken Burger King, Quick und O'Tacos. Den Kauf der Nordsee sehen die Gründungspartner Daniel Grossmann und Manuel Roumain als "wichtigen Meilenstein".
Denn Kharis Capital will in Europa Marktführer für den Markt der Schnellrestaurants werden. "Nordsee bringt ein außerordentliches Erbe und Erfahrung im gesunden Fischsegment mit." Die Imbisskette gehört der KC North Sea. Dabei handelt es sich um ein Unternehmen der Kharis Capital. Über den Preis der Nordsee haben beide Parteien Stillschweigen vereinbart.
"Wir trauern Kamps und Müller nicht hinterher"
Reuters schätzte die Höhe damals aufgrund der Bewertungen für Wettbewerber auf 300 Millionen Euro. Zur 1896 gegründeten Nordsee gehören derzeit 350 Filialen. Der Jahresumsatz liegt bei rund 350 Millionen Euro. Das Traditionsunternehmen versteht sich als europaweit führenden Anbieter von Fischgerichten.
Petra Neykov, Geschäftsführerin der Fischereihafen-Betriebsgesellschaft in Bremerhaven, geht davon aus, dass das Unternehmen am Standort in der Seestadt festhält. "Nordsee ist fest in Bremerhaven verwurzelt", kommentiert sie die Nachricht. "Ich hoffe für die Mitarbeiter und den Standort, dass sich durch den Eigentümerwechsel nichts ändert."
Ein Umdenken des neuen Besitzers wünscht sich dagegen Karin Vladimirov und meint damit vor allem einen anderen Umgang mit den Beschäftigten als in den vergangenen Jahren. "Wir trauern Kamps und Müller nicht hinterher", sagt die Sprecherin der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Das Verhältnis zu Nordsee soll laut NGG seit der Übernahme durch Theo Müller und Investor Heiner Kamps gelitten haben. Die bisherigen Eigentümer, sagte Vladimirov, hätten ein "Bashing" des Betriebsrats betrieben.
Derzeit gibt es dazu eine rechtliche Auseinandersetzung vor mehreren Arbeitsgerichten. Nordsee will die Betriebsratswahlen für unwirksam erklären lassen. Das hält die NGG für einen Angriff auf die betriebliche Mitbestimmung. Im Vorfeld der Wahl sind nach Ansicht der Gewerkschaft plötzlich insgesamt 200 Mitarbeiter befördert worden.
Unter ihnen befindet sich die Hälfte aller Betriebsratsmitglieder. Leitende Beschäftigte dürfen der Arbeitnehmervertretung aber nicht angehören oder sie wählen. Nordsee habe die Wahlen durch die Beförderung stören wollen, hieß es von der NGG im April. Unter Verweis auf das laufende Verfahren hat sich Nordsee bisher inhaltlich nicht zum Streit geäußert. Zwei Niederlagen musste das Unternehmen aber schon einstecken. Beim Arbeitsgericht Bremen/Bremerhaven soll der Fall Mitte November verhandelt werden.
Die Nachricht vom Kauf hat die NGG überrascht. Vladimirov hofft auf einen Neustart mit dem Investor. In der Mitteilung ist von der zukünftigen Ausrichtung der Nordsee noch nichts zu lesen. Die Gründer der Kharis Capital, Grossmann und Roumain, betonen, man freue sich auf die Zusammenarbeit mit den Teams und Franchise-Nehmern bei Nordsee.