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Neuer Dual-Studiengang Heizungsinstallateur lernt bald im Hörsaal

Das Handwerk hat ein Imageproblem, für die Klimawende braucht es aber Fachkräfte. Wie die Bremer Handwerkskammer nun mit einem neuen Studiengang Sanitär, Heizung und Klima attraktiver machen möchte
05.11.2022, 05:00 Uhr
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Heizungsinstallateur lernt bald im Hörsaal
Von Florian Schwiegershausen

Bis 2038 will Bremen klimaneutral werden, doch die Bremer Handwerkskammer macht sich Sorgen, woher die vielen Handwerker kommen sollen, die die für das Klimaziel notwendige entsprechende Heizungs- und Klimatechnik zu installieren. Denn nach Ansicht der Kammer entscheiden sich zu wenige junge Menschen für eine Ausbildung zum Anlagentechniker in den Bereichen Sanitär, Heizung und Klima.

Deshalb startet ab Sommer 2023 in Bremen der Dual-Studiengang Sanitär, Heizung Klima (SHK). Wer das Studium abgeschlossen hat ist SHK-Anlagenmechaniker und hat neben dem Gesellenbrief auch noch einen Bachelor vorzuweisen. Um diese Ausbildung auf den Weg zu bringen, haben gleich mehrere Kräfte die kurzen Wege im kleinsten Bundesland genutzt: Die Handwerkskammer kooperiert hier mit der Hochschule Bremerhaven und den Beruflichen Schulen für Metall- und Elektrotechnik am Schulzentrum Vegesack.

Das erste Jahr Praxis im Betrieb sammeln

Das erste Jahr werden die "Dualis" im Betrieb sein und an der Berufsschule in Bremen-Nord. Ab dem zweiten Jahr startet dann das Studium an der Hochschule Bremerhaven. Dort werden die Dual-Studierenden 60 Tage pro Semester ihre Kurse absolvieren. Nach dreieinhalb Jahren erfolgt die Gesellenprüfung zum Anlagenmechaniker, ein Jahr später stehen Abschlussprüfungen und Abschlussarbeit für den Bachelor an.

Dabei sollen die Absolventen auch die Fähigkeiten zur Betriebsführung erwerben mit dem Ziel, später selbst mal andere Menschen ausbilden zu können. "Mit diesem Dual-Studiengang durchbrechen wir den bisherigen Ausbildungsweg, nach dem man erst Geselle wird und dann noch seinen Meister machen kann", sagt der Hauptgeschäftsführer der Bremer Handwerkskammer, Andreas Meyer. Dennoch werden diejenigen, die sich für das Dualstudium entscheiden, in jedem Jahr mehr als die Hälfte der Zeit im Betrieb und damit in der Praxis verbringen.

Handwerk zu wenig auf dem Radar

Basem Khan, selbst Kfz-Meister und Kammer-Vorstandsmitglied, ergänzt: "Nach wie vor haben zu wenige Abiturienten das Handwerk auf dem Radar. Mit dem dualen Studium möchten wir dazu beitragen, dass sich das ändert." So wolle man junge Leute erreichen, die sich sonst eventuell für ein reines Hochschulstudium entscheiden würden.

Peter Kaus, Leiter des Schulzentrums Vegesack, sieht noch einen anderen einen Punkt: "Es gibt ja durchaus Abiturienten, die etwas Handwerkliches machen wollen, seitens der Eltern wird aber erwartet, dass sie auf alle Fälle studieren." Beispiele kennt Frank Marshall, der an der Schule Abteilungsleiter für Duale Ausbildung ist: "Wir haben in unseren Klassen eine Reihe von Schülern, die ihr Studium abgebrochen und eine Ausbildung begonnen haben."

Kurzer Draht zu den Professoren

Uwe Werner, der als Professor an der Hochschule Bremerhaven den Dual-Studiengang mit initiiert hat, betrachtet es andersherum: "Wer diesen Dual-Studiengang beginnt und dann doch merkt, dass das Studium nichts für ihn ist, kann immer noch die Ausbildung fertigmachen und steht nicht mit leeren Händen da." Denn beides werde ja zur gleichen Zeit laufen. Gleichzeitig macht Werner aber Mut: "Wir sind in Bremerhaven eine kleine Hochschule und haben im Studiengang auch kleine Gruppen." Wenn da jemand während des Studiums ein Problem habe, sei der Draht zu den Professoren kurz. Die Hochschule habe zusätzlich auch die Erfahrung mit Kandidaten, die bereits so einige Bildungswege hinter sich hätten. Praxisorientiert sei es auch an der Hochschule, wie Werner erläutert: "Unsere Labore sehen im Prinzip genauso aus wie die technischen Unterrichtsräume an der Berufsschule."

Und was ist mit den Entfernungen zwischen Betrieb, Berufsschule und Hochschule? Dazu sagt Uwe Werner: "Wir haben bei der Entwicklung des Dual-Studiengangs darauf geachtet, dass an einem Tag keiner an zwei verschiedenen Lernorten sein muss. Und für die Fahrten gibt es das Semesterticket der Hochschule."

Die Handwerkskammer ist auch in Gesprächen mit der Hochschule Bremen. Für den Bremerhavener Professor Werner kein Problem: "Wir sind da mit unserem Studiengang der Gebäude- und Energietechnik spezieller aufgestellt." Das passe besser zur Ausbildung, sagt er. Doch eine Konkurrenzsituation zwischen der Hochschule in Bremen und der in Bremerhaven sieht er ohnehin nicht.

Vier SHK-Betriebe machen mit

Bereits vier SHK-Betriebe in Bremen und Bremerhaven haben bereits angekündigt, dass sie Stellen für ein solches Dualstudium anbieten möchten. Dazu gehört Svenja Genuttis vom gleichnamigen Unternehmen in der Seestadt. Sie sagt: "Mit so einem Dual-Studiengang können wir uns als Betrieb für die Jugendlichen attraktiver machen und können zeigen, dass wir zeitgemäß und modern unterwegs sind."

Kammer-Hauptgeschäftsführer Meyer weist noch auf einen weiteren Punkt hin: "In den kommenden Jahren steht in vielen Handwerksunternehmen die Übergabe an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin an." Durch den Fachkräftemangel fehle es aber auch hier an Interessenten. Der Dual-Studiengang für die Sanitärbranche soll den Anfang machen, Meyer kann sich für die Zukunft vorstellen, auch für andere Gewerke eine Ausbildung mit einem Studium zu verbinden. Infos zum neuen Dual-Studiengang gibt es auf der Internetseite der Handwerkskammer unter www.hwk-bremen.de.

Zur Sache

Urlaub von der Hochschule für eine Ausbildung

Was ist, wenn junge Menschen in ihrem Studiengang unglücklich sind, sich aber doch nicht so recht davon lösen möchten? Für sie bietet die Hochschule Bremerhaven seit einiger Zeit das Programm "Land in Sicht"an. Wenn die Studierenden merken, dass sie vielleicht lieber eine Ausbildung machen möchten, können sie sich für eine befristete Zeit von der Hochschule beurlauben lassen. Damit behalten sie ihren Studienplatz, können aber woanders eine Berufsausbildung machen. Wenn sie danach wieder genug Elan für die Hochschule haben, dürfen sie ihr Studium fortsetzen. Sollten sie erkennen, dass sie mit der Ausbildung ihr Glück gefunden haben, können sie sich von der Hochschule abmelden.

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