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Weinregion Niedersachsen Ein langer Weg bis in den Ratskeller

Niedersachsen ist seit 2020 offizielles Weinanbaugebiet. Ob einer der Weine es irgendwann mal in den Bremer Ratskeller schafft, ist unwahrscheinlich - vielleicht mal als passendes Nischenprodukt zum Grünkohl.
16.07.2021, 16:37 Uhr
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Ein langer Weg bis in den Ratskeller
Von Peter Hanuschke

Was haben Rheinland-Pfalz und Niedersachsen gemeinsam? Es gibt in beiden Regionen inzwischen fast gleich viele Sonnenstunden pro Jahr. Und das sorgt für eine weitere Gemeinsamkeit: In beiden Regionen wird Wein angebaut - allerdings mit einem Unterschied: In Rheinland-Pfalz und auch in anderen bekannten deutschen Rebstock-Gebieten reicht die Weinbautradition über 2000 Jahre zurück in die Zeit der Römer - Niedersachsen hat es erst im vergangenen Jahr zum Weinaubaugebiet geschafft. Das geht aus dem aktuellen Bericht des Statistischen Bundesamts hervor. Demnach wurde erstmals offiziell 19 Hektar Rebfläche in Niedersachsen nachgewiesen. Und das wurde in dem Bericht als Besonderheit hervorgehoben.

Damit wird bis auf die Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin in allen Bundesländern Wein angebaut - zumindest offiziell. Denn auch in Bremen gab es schon Weinanbau - allerdings unbemerkt vom Statistischen Bundesamt. Und dieser Wein hat es sogar bis in den 1405 gegründeten Bremer Ratskeller geschafft - einem der ältesten Weinkeller Deutschlands. "Verkauft haben wir diesen Wein nicht", sagt Ratskellermeister Karl-Josef Krötz. "Wir haben ihn manchmal als kleinen Gag mitausgeschenkt, wenn wir besondere Gäste hatten."

 "Ich hatte Kontakt zu einem Hobbywinzer, der auf seiner Parzelle am Weserwehr 15 verschiedene Rebsorten angebaut hatte - von dem habe ich immer diesen Wein bekommen", so Krötz. Geschmeckt habe dieser Wein auf jeden Fall, aber dennoch habe es nicht für den eigentlichen Weinverkauf im Ratskeller gereicht. Nur einzigartige Weine mit einer eigenen Note würden es in den Weinhandel des Bremer Ratskellers schaffen. Deshalb geht er auch nicht davon aus, dass es in absehbarer Zeit Wein Made in Niedersachsen im Ratskeller zu kaufen gibt. "Da könnte es vielleicht mal ein Nischenprodukt geben - etwa Wein, der zum Grünkohl gereicht wird und eben auch aus der Grünkohl-Gegend kommt."

Dass überhaupt Wein im Norden angebaut werden darf, ist noch gar nicht so lange her - zumindest wenn das kommerziell und mit mehr als 99 Reben betrieben wird. Denn Mitte der 1970er Jahre hatte die Europäische Union die Neuanpflanzung von Weinreben verboten, um Übermengen bei der Weinproduktion abzubauen. Seit ein paar Jahren gibt es ein neues Genehmigungssystem der EU für Rebpflanzungen. 2004 wurde zum ersten Mal überhaupt Weinbau im Norden Deutschlands in Mecklenburg-Vorpommern mit einer sogenannten geschützten geografischen Angabe genehmigt. In Schleswig-Holstein ist das seit 2008 und in Niedersachsen seit 2016 möglich. Zuständig für Genehmigungen ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

Der Bremer Senatswein hat nur vom Namen her etwas mit Bremen zu tun: Seit 2002 hat der Ratskeller an der Mosel die Patenschaft für ein 1400 Quadratmeter großes Anbaugebiet am Fuße der „Erdener Treppchen“ inne. Der Senatswein kommt nur in kleinen Stückzahlen auf den Markt. Der Bremer Weinberg, auf dem die Bremer Speckflagge weht, wird von einem Förderverein aus Erden mitbewirtschaftet.

Krötz will zum Thema Wein aus dem Norden nicht missverstanden werden: "Es gibt in Niedersachsen - etwa an der Elbe oder im Landkreis Leer und in ganz Norddeutschland durchaus engagierte Weinanbauprojekte." Weinanbaugebiete gebe es auch schon in Südschweden. Und der eine oder andere Wein aus diesen Gegenden bereichere sicherlich die eine oder andere Weinkarte eines guten Restaurants oder werde sie bereichern. Doch meistens würden diese mit professioneller Unterstützung geführten Winzergemeinschaften aus Leuten bestehen, die eben einen besonderen Bezug zum Wein hätten und einfach gerne selber ihren eigenen Wein kreieren möchten - in der Regel für den Eigengebrauch. "Wer vom Weinanbau allein leben muss, den wird man hier im Norden sicherlich nicht finden." Man dürfe auch nicht vergessen: Weinanbau sei ein langwieriges Vorhaben, bis es sich lohne, so Krötz, der Mitte der 1970er Jahre bereits mit 20 Jahren sein Studium zum Weinbauingenieur an der Hochschule Geisenheim abschloss - bis heute ist er der jüngste Absolvent.

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So wird es auch noch dauern, bis sich die erste ostfriesische Winzergenossenschaft ihren ersten Wein in Flaschen abfüllen wird. Gegründet wurde die Genossenschaft  2017 "von genussorientierten und Ostfriesland-affinen Weinliebhabern", heißt es auf der Internetseite. 33 Mitglieder zählt die Genossenschaft derzeit, die ein etwa ein Hektar großes Ackerland bei Folmhusen im Landkreis Leer angemietet hatte, das mehr und mehr zum  Weinanbaugebiet wird. In diesem Jahr hat die Winzergemeinschaft, die auf 99 Mitglieder begrenzt ist, im Mai 4000 Reben der Sorten „Souvignier Gris“ und „Solaris“ gepflanzt - zwei Rebsorten, die auch für härtere Witterungen gezüchtet sind und eine natürliche Resistenz gegen Pilzkrankheiten aufweisen.

"Nach der Pflanzung dauert es drei Jahre bis zur vollen Ernte", so Ratskellermeister  Krötz. Die Jung-Reben seien in der Regel 30 Zentimeter hoch und hätten ein 15 Zentimeter langes Wurzelwerk. Und da gebe es einen der großen Unterschiede zu Reben, die schon ein paar Jahrzehnte alt seien. "Die haben viel längere Wurzeln, und das ist häufig der entscheidende Grund für einen besonderen Wein." Je länger und tiefer die Wurzeln seien, desto größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass daraus raffinierte mineralische Weine entstünden, weil das Wurzelwerk einfach durch verschiedene Gesteinsschichten stoße. 

"Ich komme aus Neef an der Mosel, und da liegt in der Nähe der Bremmer Calmont mit einer Neigung bis zu 68 Grad der steilste Weinberg Europas", so Krötz. "Das ist steiler als das Bremer Rathausdach." Dort hätten die Reben, die teilweise 80 bis 90 Jahre alt seien, ein bis zu 15 Meter langes Wurzelgeflecht - beste Voraussetzungen für einen besonderen Wein, weil es dort auch sehr unterschiedliche Gesteinsschichten gebe. Eigentlich sei es irrsinnig, unter solchen Bedingungen professionell Weinanbau zu betreiben. Doch das lohne sich eben, weil man am Ende "das Glück im Glas hat".

Zur Sache

Im vergangenen Jahr wurden auf 103.180 Hektar Wein in Deutschland angebaut. Damit nahm die Rebfläche gegenüber 2009 um 994 Hektar oder ein Prozent zu, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Die Daten stammen aus der Grunderhebung der Rebflächen, die zuletzt 2015 und davor 2009 durchgeführt wurde. Die größte Rebfläche weist danach mit 64.524 Hektar Rheinland-Pfalz mit  aus, die kleinste Rebfläche gab es in Mecklenburg-Vorpommern mit sechs Hektar. Weiße Rebsorten erfreuten sich einer wachsenden Beliebtheit: Die Anbauflächen haben laut den Statistikern von 2009 bis 2020 um 4057 Hektar oder 6,2 Prozent auf 69.418 Hektar zugenommen. Zuwächse habe es vor allem beim Grauen Burgunder, Weißen Burgunder und beim Weißen Riesling gegeben. Zudem seien international bedeutende Rebsorten weiter verbreitet als 2009 - etwa Sauvignon blanc, der ursprünglich aus dem Loiretal stammt. Bei den roten Rebsorten habe sich die Anbaufläche in den vergangenen elf Jahren dagegen um 3063 Hektar oder 8,3 Prozent auf 33 762 Hektar verringert. 2020 waren laut dem Statitischen Bundesamt in Deutschland 24.747 Hektar Rebflächen mit Weinreben bestockt, die 30 Jahre und älter sind. Das seien 24 Prozent aller Rebflächen. Gegenüber 2015 habe die Fläche der alten Reben um 2544 Hektar oder 11,5 Prozent zugenommen. Die Tendenz zu alten Reben resultiere unter anderem daher, weil deren gute Weinqualität geschätzt werde und ihr Wurzelwerk Bodenwasser aus tieferen Schichten erreichen könne. Das sei auch in Trockenperioden nützlich. 

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