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Bremer Reederei wird abgewickelt Offene Fragen nach dem Beluga-Aus

Seit Montag ist es amtlich: Beluga wird abgewickelt, 224 Mitarbeiter der insolventen Gesellschaften werden entlassen. Wie geht es nun weiter, welche Akteure sind noch im Spiel? Hier einige Antworten auf die wichtigsten Fragen.
25.05.2011, 05:00 Uhr
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Von Krischan Förster

Seit Montag ist es amtlich: Beluga wird abgewickelt, 224 Mitarbeiter der insolventen Gesellschaften werden entlassen. Wie geht es nun weiter, welche Akteure sind noch im Spiel? Hier einige Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Seit Montag ist es amtlich: Beluga wird abgewickelt, 224 Mitarbeiter der insolventen Gesellschaften werden entlassen. Der Wirtschaftskrimi um die einstige Bremer Erfolgsreederei ist aber längst noch nicht vorbei. Der Fortführung des Kerngeschäfts durch die neue Reederei Hansa Heavy Lift müssen die Banken als Hauptgläubiger noch zustimmen. Das ist nach Informationen dieser Zeitung bislang nicht erfolgt. Auch die juristische Aufarbeitung der Insolvenz steht noch aus. Wie geht es weiter, welche Akteure sind noch im Spiel? Hier einige Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Hatte der Insolvenzverwalter Erfolg?

Alle insolventen Teile der Unternehmensgruppe werden abgewickelt. Mehr sei nicht zu erreichen gewesen, heißt es. Aber auch der Insolvenzverwalter Edgar Grönda muss sich wohl eingestehen, die selbst gesteckten Ziele verfehlt zu haben. Bei Übernahme der Insolvenzverwaltung am 16. März hatte er sich noch optimistisch gezeigt, das angeschlagene Unternehmen stabilisieren und verloren gegangene Charterschiffe zurückholen zu können. Beides ist nicht gelungen. Zwei Wochen später sprach Grönda von einem Neustart der Reederei Beluga. Oaktree habe sich bereit erklärt, für alle offenen Rechnungen und anfallenden Schiffsbetriebskosten aufzukommen, erklärte die Insolvenzverwaltung damals. Diese "Nachfinanzierung" soll insgesamt 20 Millionen Dollar (14,1 Millionen Euro) ausgemacht haben. Doch das Geschäft konnte nicht angekurbelt werden, die verbliebenen Schiffe blieben weitestgehend ohne Beschäftigung. Nun überlässt Grönda das Kerngeschäft der vom US-Finanzinvestor Oaktree neu gegründeten Reederei Hansa Heavy Lift (HHL) mit zunächst 16 von ursprünglich 72 Schiffen und rund 60 von einst 670 Beluga-Mitarbeitern. Grönda nennt das eine "übertragende Sanierung".

Hätte es Alternativen gegeben?

Der Insolvenzverwalter sagt nein. Oaktree sei als einziges Unternehmen bereit gewesen, Geld zu investieren. Nach Informationen dieser Zeitung waren dagegen zwei namhafte deutsche Reedereien bereit, sich bei Beluga - auch finanziell - zu engagieren. Auf ihre Angebote sei aber nicht eingegangen worden.

Welche Strategie verfolgt Oaktree?

Ursprünglich war Oaktree als reiner Kapitalinvestor bei Beluga eingestiegen. Neben einer Eigenkapitalsumme von 9,5 Millionen Euro war eine Kreditsumme von bis zu 165 Millionen Euro für Schiffsneubauten gewährt worden. Nun will Oaktree offenbar ein eigenes Reedereigeschäft aufziehen. Was dafür an Schiffen und Personal nötig ist, wird aus der Insolvenzmasse von Beluga abgezogen. Unklar ist dabei, wie lange dieser Plan schon besteht und seit wann die Insolvenzverwaltung eingeweiht und damit einverstanden war. Die Gründung von Hansa Heavy Lift wurde jedenfalls schon am 7. April beschlossen, ganze drei Wochen nach der ersten Insolvenz für die Beluga Chartering. So lange existieren auch Geschäftspläne und Listen mit neuen Schiffsnamen. Lange Zeit wurde das offiziell nicht bestätigt. Der Umzug des ehemaligen "Support Teams" in ein Bürogebäude in der Martinistraße erfolgte jedoch bereits am 8. Mai. Da war das Ende von Beluga vermutlich schon beschlossene Sache.

Was wird aus den Schiffen?

Auf neun Schiffe sowie fünf Neubauten erhebt Oaktree Anspruch als Eigenkapitalinvestor. Sechs Schiffe gehören diversen Beluga-Beteiligungsgesellschaften und sollen an Oaktree verkauft werden, ebenso wie ein Schiff im alleinigen Besitz der Beluga Chartering. Über den Preis wurde nichts bekannt. Die Zustimmung der Banken als Hauptfinanzierer der Schiffe steht nach unseren Informationen noch aus, es soll aber eine "positive Tendenz" geben.

Wie sind die Marktaussichten?

Noch sind die Raten auf relativ niedrigem Niveau, der Markt zieht aber wieder an. Die Frage ist, ob es Oaktree gelingen kann, das verlorene Vertrauen in der Branche und bei Kunden zurückzugewinnen. Die Skepsis gegenüber Oaktree ist derzeit groß. Der US-Finanzinvestor ist dagegen überaus optimistisch. Der uns vorliegende Finanzplan sieht schon in diesem Jahr einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen in Höhe von 11,5 Millionen Euro vor, 55 Millionen im kommenden Jahr und 125 Millionen Euro im Jahr 2014.

Was bleibt noch von Beluga?

Nicht mehr viel. Die Aussage von Grönda war klar: Es wird abgewickelt. Die Firmenholding Beluga Group als Dachgesellschaft der Reedereigruppe existiert noch. Oaktree ist mit 49,5 Prozent der Beluga-Anteile wichtigster Gesellschafter. Der im März entmachtete und des Betrugs beschuldigte Firmengründer Niels Stolberg hält offiziell noch 48 Prozent, die Schawei-Holding der Brauereifamilie Schadeberg (Krombacher) 2,5 Prozent. Wichtigste noch bestehende Tochter dieser Holding ist die Beluga Offshore GmbH. Sie ist wiederum mit 50 Prozent an dem Gemeinschaftsunternehmen Beluga Hochtief Offshore (BHO) beteiligt, für das gerade das 190 Millionen Euro teure Errichterschiff "Beluga Innovation" in Polen gebaut wird. Nach Recherchen dieser Zeitung ist Oaktree gewillt, das Offshore-Engagement zu beenden und die BHO-Anteile an den Baukonzern Hochtief zu verkaufen. Der Essener Konzernvorstand soll per "Vorratsbeschluss" dieser Ausgabe schon zugestimmt haben. Der Verkaufswert wird auf 20 bis 30 Millionen Euro geschätzt. Es sind erste Aufträge in Millionenhöhe gebucht. Kommen diese nicht zustande, drohen Vertragsstrafen.

Was macht Niels Stolberg?

Seit dem 1. März hat er Hausverbot in der von ihm vor 16 Jahren gegründeten Firma. Gegen ihn wird wegen Kreditbetrugs und Täuschung ermittelt. Aus Sicht der Bremer Staatsanwaltschaft hat sich der Verdacht "einer Täuschung in Zusammenhang mit Kreditmitteln" nach ersten Ermittlungen erhärtet. Unklar ist, ob dadurch auch ein Vermögensschaden entstanden ist. Mit abschließenden Ergebnissen wird jedoch frühestens Ende Juni gerechnet. Stolberg hat als Anwalt den renommierten Wirtschaftsrechtler Hanns Feigen engagiert.

Oaktree ist zudem zivilrechtlich gegen Stolberg vorgegangen und hat wegen offener Forderungen Pfändungsbeschlüsse in Höhe von mehr als 130 Millionen Euro gegen dessen Privatvermögen erwirkt. Dagegen hat Stolberg Widerspruch eingelegt. Ein erster Gerichtstermin wurde Anfang des Monats jedoch verschoben, nachdem Oaktree überraschend auf Stolberg zugegangen war. Bei Gericht verlautete, beide Seiten strebten eine außergerichtliche Einigung an. In der Folge der Pfändungsbeschlüsse musste der Reeder am 4. April auch Privatinsolvenz anmelden. Er wolle damit sein verbliebenes Vermögen wie Hotel- und Gastronomiebetriebe auf Spiekeroog dem Zugriff von Oaktree entziehen, lautete seinerzeit die Erklärung. Um diese Verfahren kümmern sich andere Anwälte.

Inzwischen hat Stolberg seinerseits eine Schadensersatzklage gegen Oaktree angekündigt. "Meine Anwälte prüfen das zurzeit und stellen Unterlagen zusammen", sagte er dieser Zeitung. Sein Vorwurf, der auch von Schiffsfinanzierern und Bankenkreisen gestützt wurde: Die Insolvenz sei vermeidbar gewesen, Oaktree habe "Beluga ohne Not in die Insolvenz gedrückt" und damit Unternehmenswerte und Arbeitsplätze vernichtet. Die juristischen Auseinandersetzungen, strafrechtlich und zivilrechtlich, dürften sich noch eine lange Zeit hinziehen.

Was wird aus den Beluga-Mitarbeitern?

671 Mitarbeiter beschäftigte Beluga einst. Seit Beginn der Insolvenzwelle haben mehr als 200 von ihnen das Unternehmen freiwillig verlassen. 65 Mitarbeiter sind in den nächsten Wochen unter Führung der Insolvenzverwaltung mit der Abwicklung von Beluga beschäftigt, bis zu 70 wechseln zu Hansa Heavy Lift. 224 Beschäftigte werden zunächst freigestellt und in der Folge gekündigt. Ihr Weg führt, sollten sie keinen neuen Job finden, in die Arbeitslosigkeit. Gut 100 für Beluga tätige Freiberufler verlieren ihren Auftraggeber.

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