Die Auftragsdelle der vergangenen zwei Jahre hat die Offshore-Windindustrie verändert: Ein Teil der Markteilnehmer entlang der gesamten Wertschöpfungskette hat sich umorientiert, ist in die Insolvenz gegangen – etwa der Windanlagenhersteller Senvion, der auch einen Produktionsstandort in Bremerhaven hatte – oder Aufträge für den Bau von Konverterstationen werden nur noch nach Asien vergeben. Dabei gibt es inzwischen einen breiten Konsens darüber, dass Offshore-Windenergie einer der Eckpfeiler der Energiewende ist – nicht zuletzt hatte die Bundesregierung den Ausbau auf mindestens 70 Gigawatt (GW) bis 2045 angehoben. Derzeit liegt die Leistung der Windparks in Nord- und Ostsee bei 7,8 GW. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte zudem in den vergangenen Wochen mehrfach betont, den Offshore-Ausbau und damit die Produktion von klimafreundlichem Strom und dem daraus auch herzustellenden grünen Wasserstoff zu beschleunigen.
Doch um diese Ausbauziele zu erreichen, bedürfe es einer politisch flankierten Gesamtanstrengung der Branche mit einer Qualifizierungs- und Ausbildungsoffensive, sagte Heike Winkler, Geschäftsführerin der WAB-Windagentur, an diesem Mittwoch im Rahmen der Präsentation der Studie des Bremer Marktforschungsunternehmens Windresearch über Potenziale der Offshore-Windindustrie. Denn der Ausbaustopp und der politische Zickzack-Kurs hinsichtlich der Rahmenbedingungen habe zu Verwerfungen in der Wertschöpfungs- und Lieferkette geführt.
So ging der Umsatz der Branche innerhalb Deutschlands laut der Studie seit Ende 2018 von 9,8 auf 7,4 Milliarden Euro zurück. Zeitgleich nahm die Beschäftigung um etwa 3.000 auf 21.400 Vollzeitäquivalente ab – eine Größe, die Berufsaktivitäten im Bereich Offshore-Windenergie zu Vollzeitstellen zusammenfasst. "Aktuell ist die Zulieferkette nicht mehr vollständig, hierfür fehlen die Bereiche Turm- und Plattformbau sowie Unternehmen im Bereich Installationslogistik und Spezialschiffbau", so Dirk Briese, Studienautor und Chef von Windresearch. Entsprechende Engpässe in der gesamten Lieferkette müssten umgehend behoben werden, etwa in den Bereichen Sensorik und Halbleiter sowie im Bereich Installationslogistik.
"Wir stehen den Ausbauplänen der Bundesregierung natürlich positiv gegenüber, wissen aber auch, wo wir herkommen - von einer Auftragsdelle", sagte Andreas Liessem, Geschäftsführer von Steelwind Nordenham, eines von über 300 Mitgliedsunternehmen der WAB. Man müsse nun von einer reduzierten Produktion direkt auf Vollgas gehen. Um den zunehmenden Bedarf an Fundamenten zu decken, seien Millionen-Investitionen notwendig, um die steigenden technischen Anforderungen erfüllen zu können. Dafür seien die Weichen gestellt, doch der Erfolg hänge zwingend von einer langfristigen Planungssicherheit ab.
Planbarkeit und Verlässlichkeit sei das wichtigste Kriterium für einen erfolgreiche Fortsetzung der Offshore-Windindustrie, sagt auch Martin Schulz, geschäftsführender Vorstand der Buss Energy Group. Denn Offshore-Investitionen seien sehr hoch und sie benötigten auch einen längeren Zeitraum bis sie zum Tragen kämen. „Die gesetzlichen Vorgaben, die jetzt in Form des neuen Windenergie auf See-Gesetzes am Horizont erscheinen, könnten sicherlich hilfreich bezüglich der notwendigen Planungssicherheit sein, weil gewisse Dinge vom Ende her gedacht werden“, ergänzte Sascha Ahnsehl, Leiter Vertrags- und Genehmigungsmanagement beim Netzbetreiber Amprion.
Was noch fehlende Aufträge für den Bau von Konverterplattformen und Errichterschiffen angeht, sagte Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik, dass es genügend freie Kapazitäten auf den deutschen Werften gebe. Für die Auftragsvergabe spreche, dadurch Abhängigkeiten von ausländischen Märkten zu reduzieren. Das wäre auch für die gesamte Wertschöpfungskette im Bereich Offshore sinnvoll.
„Wenn die Stromerzeugung und Wasserstoffproduktion auf See sichere Beschäftigung bietet, gewinnt sie auch weiter an Akzeptanz, die durch eine für die Bevölkerung nachvollziehbare Energiewende-Roadmap noch verstärkt wird“, ist sich Heike Winkler sicher.