Das ist nach jetzigem Stand das endgültige Aus für das geplante Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB): Das Oberverwaltungsgericht Bremen hat am Dienstag festgestellt, dass der Planfeststellungsbeschluss vom 30. November 2015 für den OTB-Neubau unwirksam geworden ist. Die Entscheidung in diesem Berufungsverfahren sorgte einerseits für Fassungslosigkeit und andererseits für große Freude.
"In den kommenden 15 Jahren soll das sechsfache an Offshore-Energie im Meer erzeugt werden als in den vergangenen 15 Jahren", sagte Holger Bruns. Das funktioniere nicht ohne die dafür notwendige Infrastruktur, so der Sprecher der stadtbremischen Hafengesellschaft Bremenports, die für die Umsetzung des OTB-Projekts bislang zuständig war. Deshalb sei der OTB nie wichtiger als jetzt. In einer Zeit, in der der Ausbau der Offshore-Windenergie zum zentralen Baustein im Kampf gegen den Klimawandel werde, entscheide ein Bremer Gericht ohne Verhandlung in der Sache, dass es abwegig sei, einen Offshore-Hafen zu bauen. "Es herrscht eine Fassungslosigkeit über die oberflächliche Art der Auseinandersetzung, die in einem Urteil ohne Begründung mündet. Dem Gericht waren die vorgebrachten Argumente offensichtlich egal", sagte Bruns.
BUND feiert Entscheidung als Riesenerfolg
Der Umweltverband BUND begrüßte das Urteil des Oberverwaltungsgerichts: "Das ist ein Riesenerfolg für den Naturschutz an der Wesermündung", so Martin Rode, Geschäftsführer des BUND Landesverbandes Bremen. "Mit dem OTB wurde ein offenkundig längst überflüssiges Projekt auf Biegen und Brechen von der bremischen Hafenverwaltung weiterverfolgt." Das sei mit dem heutigen Urteil definitiv vorbei.
Eine Revision gegen die Entscheidung ist nicht zugelassen. Allerdings könnten die Beteiligten Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen, sagte ein Gerichtssprecher.
Bereits im Februar 2019 kippte das Verwaltungsgericht Bremen große Teile der Baugenehmigung, weil diese unter anderem gegen europäische Vorgaben zum Umwelt- und Vogelschutz verstoßen hatte. Geklagt hatte der Umweltverband BUND Landesverband Bremen gegen die Stadt Bremen, um das Projekt zu verhindern. Das Gericht ließ damals aber ein Hintertürchen offen: Der erwartete Bedarf an umgeschlagenen Offshore-Windanlagen auf dem OTB sei nicht genug untermauert worden, um die hohen Hürden des europäischen Umweltrechts zu überwinden. Die Fehler könnten jedoch behoben werden, für eine Umsetzung des Projekts schrieb das Gericht eine verbesserte Planung vor.
Gegen das Urteil von 2019 hatten sowohl der BUND als auch Bremen Rechtsmittel eingelegt - Bremen als Befürworter des Vorhabens und der Umweltverband als Verhinderer, der mit seiner auf die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Klage überwiegend, aber nicht vollständig durchgedrungen war. Das Verwaltungsgericht hatte die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen, das an diesem Dienstag alle Beteiligten zur mündlichen Anhörung zusammenkommen ließ.
Zentrale Frage der Erörterung war, ob der Planfeststellungsbeschluss inzwischen funktionslos und damit unwirksam geworden sei. Das Gericht hat erklärt, dass – ausgehend von der bisher hierzu vorhandenen Rechtsprechung – von einer Funktionslosigkeit dann auszugehen sei, wenn mit der Durchführung des Vorhabens realistischerweise nicht mehr gerechnet werden könne. Als Indizien könnten hierfür unter anderem die Finanzierbarkeit des Projektes, der Realisierungswille des Projektträgers und der künftige Bedarf für ein Offshore-Terminal in Bremerhaven herangezogen werden.
Maike Schaefer: Große Koalition in Berlin ist schuld
Bremens Umwelt- und Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) sagte zur Entscheidung des Gerichts, dass die Große Koalition in Berlin in der Vergangenheit die gesamte Offshore-Branche durch unsinnige Deckelungen habe ausbluten lassen: "Dadurch sind Firmen abgewandert und Arbeitsplätze in Bremerhaven verloren gegangen. Der OTB ist daher funktionslos geworden - das hat das Gericht bestätigt.“
Der Bürgerschaftsabgeordnete Jens Eckhoff (CDU) geht davon aus, dass der Senat die Entscheidung des Gerichts in der nächst höheren Instanz prüfen lassen will. Das sei er gegenüber der Region schuldig. "Durch den fehlenden politischen Willen, klar die Weichen in Richtung OTB zu stellen, hat der Senat offensichtlich erst die Türen für diese gerichtliche Entscheidung geöffnet." Ob sich das Oberverwaltungsgericht überhaupt mit dieser politischen Thematik auseinander zu setzen habe, sei allerdings grundsätzlich zweifelhaft. Erschreckend sei, dass man mit der Absage an den OTB eine große Chance verpasse. "In Berlin stehen die Zeichen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen auf eine weitere deutliche Zunahme des Offshore-Windenergie-Ausbaus." Es werde in diesem Zusammenhang außerdem geprüft, ob die Infrastruktur für den geplanten Ausbaupfad ausreichend sei und gegebenenfalls nachgebessert werden müsse - das mit Hilfe von Bundesmitteln. "Traurig, dass Bremerhaven nach dieser Gerichtsentscheidung an diesem Aufschwung nicht teilhaben soll."