Plötzlich schwebt der Riese. 186 Tonnen hängen in der Luft. Die Kranführer gehen so behutsam vor, dass das leichte Schwanken kaum zu erkennen ist. Hektik könnte bei diesem Gewicht schließlich gefährlich sein. Schritt für Schritt geht es für die Ladung von Bord der "Anton" an Land.
Was dort unter der blauen Plane versteckt ist? Es handelt sich um den ersten von neun Motoren für das neue Blockheizkraftwerk der SWB in Hastedt. Das soll künftig – mit Gas betrieben – tausende Haushalte im Bremer Osten und auch das Werk von Mercedes mit Wärme beliefern. Und es soll das Kohlekraftwerk hier am Standort überflüssig machen.
Im Zeitlupentempo rangieren die beiden Männer den Motor von der "Anton" hinunter – an überdimensionalen Trapezen, mit Seilen so dick wie Oberarme. Die Absprachen müssen sitzen, damit die Haltungsnote stimmt. Synchronkranführen am Hemelinger Hafen.
Am Montag ist darum auf der Baustelle Blockheizkraftwerk alles andere als Alltag. Bauarbeiter schauen von überall neugierig dem Spektakel zu und halten die Szenen mit dem Smartphone fest. Aus dem Betonbau blicken drei Männer in einiger Höhe hinunter auf den schwebenden Motor. "So etwas sieht man nicht jeden Tag", sagt einer von ihnen. Und ein anderer: "Wenn das runterfällt, wird es teuer."
Auf der Straße bekämen die Motoren aufgrund ihrer Größe Probleme. Darum bringt das Binnenschiff die Ladung auf der Weser an ihren Bestimmungsort. Auf der "Anton" warten zwei weitere Motoren mit ebenfalls 14 Metern Länge.
"Das ist ein großer Meilenstein", sagt der für das Projekt zuständige Olaf Busack. "Die Motoren sind das Herzstück für diese Anlage." Die übrigen sechs Motoren liegen noch im Neustädter Hafen. Alle neun müssen, ebenfalls behutsam, in die Motorzellen gebaut werden. Hergestellt wurden die Antriebsaggregate in Finnland. Von Vaasa aus sind sie per Schiff nach Bremen gekommen.
Das Blockheizkraftwerk soll im nächsten Jahr im Herbst richtig in den Betrieb gehen. Zuvor gibt es über Monate einen Anlauf. Die SWB investiert bei diesem Projekt 140 Millionen Euro. Der Abschied von der Kohle schreitet damit beim Bremer Versorger weiter voran. Durch den Umstieg auf Gas können am Standort im Jahr circa 550.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Das entspricht laut Busack etwa 70 Prozent der aktuellen Emissionen.
Raus aus der Kohle. Das bringe "echt einen Fortschritt", um Bremens Emissionen zu senken, betonte der SWB-Vorstandsvorsitzende Torsten Köhne. Die beiden Kraftwerke des Unternehmens hatten daran mit 15 Prozent bisher einen hohen Anteil. Nun ist der Standort Hafen gerade vom Netz gegangen, und das Schicksal des Steinkohleblocks 15 hier in Hastedt ist nur eine Frage der Zeit.
Das Ende der Kohle
Das Ende des Blocks hängt jedoch auch von der Fernwärmeverbindungsleitung zur Müllverbrennungsanlage in der Nähe der Uni ab. Denn allein kann das Blockheizkraftwerk die nötige Leistung nicht bei allen Temperaturen erbringen. "Wenn es ganz kalt wird, dann reicht die Anlage nicht um, um die Wärme bereitzustellen", erklärt Köhne. Solange die Fernwärmeverbindung nicht stehe, müssten Alternativen vorhanden sein – vielleicht auch die Kohle. "Im Moment rechnen wir noch", sagt Köhne zu den verschiedenen Szenarien. Das Ende der Kohle könnte also schon bald kommen oder sich noch bis Ende 2023 ziehen.
Die Kombination von Blockheizkraftwerk und Müllverbrennungsanlage sieht Köhne als "ein richtig tolles System" zur klimaschonenderen Wärmeherstellung. Das hätten auch die Kunden honoriert: Die SWB habe mit Mercedes und Gewoba einen neuen Langfristvertrag beschlossen. Allerdings handelt es sich um keine Lösung für die Ewigkeit, sondern aus Sicht des Vorstands für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre.
Vom Schiff geht es für den Motor auf einen sogenannten Tausendfüßler. Der Tieflader lässt sich mit einer Fernbedienung steuern – eine Art Bauchladen mit vielen Knöpfen. Doch erst muss der Motor auf der Ladefläche richtig sitzen. So brutal groß Tieflader, Motor und Kran sind, kommt es nun auf Zentimeter an. Die Mitarbeiter der zuständigen Firma legen also Zollstöcke an und rufen sich Zahlen zu: 27. 29. 28. 29. 28,5. Und wieder 29. Die Männer klingen, als verhandelten sie miteinander einen Preis aus. Am Himmel fangen Drohnen die Bilder ein.
Am Rande der Szene steht Tina Sander. Die junge Sanitäterin hat heute ihren ersten Arbeitstag auf der Baustelle, um im Notfall Hilfe zu leisten. Und dann gleich so etwas. Eigentlich arbeitet Sander für die Firma IFAS Safety in Nordenham bei Premium Aerotec. Nun ist ihr Arbeitsplatz für zwei Wochen das Blockheizkraftwerk. Bis alle Motoren in ihre Zelle gebaut sind, soll es fast so lange dauern.
Die Weser nur etwas hinauf verlässt derweil weitere Ladung ein Schiff. Die "Panther" bringt Kohle für den Block 15. Das sichtbare Zeichen, dass hier gerade Kohle verfeuert wird, zieht über das Gelände: Der Schlot produziert unermüdlich eine endlose weiße Wolke. An diesem Tag haben allerdings alle nur Augen für die Riesenmotoren.