In der Produktion ist genau geregelt, wo welches Auto von welchem Band läuft. C-Klasse oder EQC, Kombi oder Cabrio. Ganz anders draußen in freier Wildbahn: Auf dem Parkplatz von Mercedes in Sebaldsbrück wissen die Mitarbeiter oft nicht: Wohin mit meinem Auto? Die Situation sei angespannt, sagt Betriebsratschef Michael Peters. „Da gibt es Unzufriedenheit bei uns im Werk.“
Viele Kolleginnen und Kollegen kämen aus dem Bremer Umland hergefahren. Morgens sei die Lage zwar noch in Ordnung. Doch der Wechsel am Mittag, wenn auch viele aus anderen Bereichen als der Produktion da seien, bedeute volles Haus: „Das Schlimmste ist die Zeit zwischen Frühschicht und Spätschicht.“ Die Belegschaft habe für die Platznot wenig Verständnis: „Wir sind Automobilhersteller. Da sagen sie natürlich: Es kann doch nicht angehen, dass wir nicht genügend Parkplätze haben für uns.“ Es passe nicht, wenn Mitarbeiter vor Beginn der Schicht erst eine halbe Stunde ums Werk herumkreisen müssten auf der Suche nach einer Lücke. Ein Experiment mit einem Parkleitsystem war auch erfolglos.
Doch nun sollen die Mitarbeiter neue Wege gehen können – oder vielmehr radeln. In Zukunft soll es erlaubt sein, mit dem eigenen Fahrrad aufs Werksgelände zu kommen. „Wir versprechen uns davon, dass es noch mal attraktiver wird, das Fahrrad zu nehmen. Ich kann durchs Tor zur Halle fahren. Das Werksgelände ist nicht klein.“ Zwar gebe es schon Firmenräder, aber der Anreiz dürfe noch größer sein, wenn von der Haustür bis zur Halle nicht gewechselt werden muss. Peters lebt in Oyten und ist selbst viele Jahre mit dem Rad zur Arbeit gefahren.
Nicht nur wegen der Parksituation ist das Projekt Peters zufolge wichtig. Im Unternehmen, Betriebsrat und der Belegschaft sei zudem das Klima ein Thema. Die Kollegen fragten nun bereits: „Wann geht´s endlich los?“ In Sindelfingen und Berlin-Ludwigsfelde gibt es die Option schon. „Es wäre prima, wenn wir unsere Fahrräder auf dem Werksgelände nutzen dürfen. Denn dort stehen sie auch sicherer als vor dem Werksgelände“, sagt ein Mitarbeiter, der in Osterholz wohnt und das Fahrrad zur Arbeit nimmt. „Gerade in den Nachtschichten wurden hier schon so einige Fahrräder geklaut. Deshalb mag hier keiner gern mit seinem E-Bike herfahren.“ Er habe sich sofort beim Betriebsrat für das Pilotprojekt gemeldet. Generell müssten bei den Parkplätzen auch mehr Ladesäulen entstehen, weil in Zukunft auch immer mehr Werksmitarbeiter zu einem E-Auto greifen werden. “Wenn wir mit unseren Rädern aufs Gelände können, wird hier vorn vor Tor 7 vielleicht die Parkfläche für Räder abgerissen – dann vielleicht zugunsten neuer Parkplätze mit E-Ladesäulen.“
Abfahrtzeiten zum Werk sorgen für Frust
Für Peters und seine Kollegen ist darüber hinaus ein Punkt, dass das Angebot des ÖPNV sich verbessert. „Das ist eine Botschaft an die Politik“, sagt er. Heute sorgten die Abfahrtzeiten zum Werk für Frust. Müsse die Arbeitszeit verändert werden, gebe es von der BSAG kein Entgegenkommen, die Pläne für Bus und Bahn entsprechend anzupassen. Das sei dann nur, wenn überhaupt, mit großem Vorlauf möglich. „Das ist für uns ein Riesenproblem. Hier arbeiten 12.000 Menschen. Ein Großteil könnte den ÖPNV nutzen.“
Schichtwechsel bei Mercedes. Ein Mitarbeiter, der in den Bus in Richtung Sebaldsbrück einsteigt, bestätigt: „Es wäre gut, wenn die Busse in einem besseren Takt fahren. Momentan kommen die Linien 21 und 29 im Abstand von drei Minuten, und dann muss man erst mal wieder fast eine halbe Stunde warten.“ Ein anderer, der ebenfalls in Richtung Sebaldsbrück fährt, sieht auch Verbesserungsbedarf: „Morgens vor der Frühschicht ist für diejenigen, die am Bahnhof Hemelingen mit dem Zug ankommen, nur fünf Minuten Zeit, um den Bus zum Werk zu kriegen.„ Immer wieder habe der Zug Verspätung, sodass man den Bus verpasse. “Dann laufen einige 20 Minuten zu Fuß zum Werk rüber.“
Andreas Holling, der Sprecher der BSAG, betont: „Wir wollen eine Alternative zum Auto anbieten.“ Doch etwas am Fahrplan zu ändern, sei komplex, weil Busse und Bahnen auch anderswo vertaktet seien, sie teils große Distanzen quer durch die ganze Stadt zurücklegten und es Wende- und Liegezeiten gebe. Anpassungen hätten Auswirkungen auf das ganze Netz. Sicher sei es nicht ideal, wenn die Züge nicht rechtzeitig kämen und Busse dann schon weg seien. Doch über die Verspätungen werde die BSAG nicht informiert. Und selbst wenn, könne man wegen der anderen Fahrgäste nicht warten. „Wir haben hier keinen reinen Shuttle-Service.“ Die BSAG sei immer bereit, über Veränderungen zu sprechen, so Holling. Die Zeiten habe man so gut es geht an die Schichten angepasst. Der Fahrplan verändert sich dabei jedes Jahr im März und April. Ausnahmen gebe es sonst nur in der Adventszeit und den Sommerferien: „Änderungen sind immer mit einem Vorlauf verbunden.“
„Morgens könnte ich es noch mit Zug und Bus zum Werk schaffen", sagt einer der Mitarbeiter. "Aber zum Feierabend nach der Frühschicht wäre ich mit Bus und Zug mindestens eine Stunde länger unterwegs.“ Darum setze er sich doch ans Steuer. Und selbst wer eine kurze Strecke habe, tue das: „Ich kenne Kollegen, die wohnen nur drei Kilometer vom Werk entfernt. Für die wäre das vielleicht eine gute Möglichkeit mit dem Fahrrad." Kollegen aus dem Umland, erzählt der Mann, bildeten auch Fahrgemeinschaften. Jeder sei mit der Parkplatzsuche mal dran, während die Mitfahrer bereits ins Werk liefen. „Wegen der angespannten Parksituation nehmen manche aber auch ein Knöllchen in Kauf, indem sie auf dem Gehweg zwischen Parkhaus und Parkplatz gegenüber von Tor 7 parken.“ Um eine der begehrten Lücken zu bekommen, gebe es verschiedene Strategien: Einige kämen schon gegen 12 Uhr an, andere nach 14 Uhr. "Dann haben schon einige aus der Verwaltung Schluss, und die Chance auf einen Parkplatz steigt."
Betriebsrat fordert Haltung
Im Werk standen die Bänder am Mittwochmittag für einen Moment still. Denn die Belegschaft von Mercedes kam für eine Gedenkminute und Ansprachen für die Opfer der Morde in Hanau zusammen. Die IG Metall Küste und Nordmetall hatten dazu aufgerufen. „Es war uns wichtig, jetzt ein klares Signal zu setzen“, sagte der Betriebsratschef des Standorts, Michael Peters.
Ob es derzeit die Diskussion in Deutschland sei oder die Übergriffe gegen Menschen: Es gehe darum, klare Kante zu zeigen: „Hier arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Kulturen und Religionen wunderbar zusammen mit Respekt und Toleranz. Diese Werte sind uns wichtig.“ Die Kolleginnen und Kollegen habe er in seiner Rede aufgefordert, im Betrieb und im Privaten Haltung zu zeigen. Zur Gedenkminute bei Daimler kam auch Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff.