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Forderung nach Reformen Präses der Bremer Handelskammer besorgt: Wirtschaft in "tiefer Krise"

In Deutschland habe es seit Jahren keine Wirtschaftsreformen gegeben. Das werde heute zum Problem. Der Präses der Bremer Handelskammer fordert von der Politik mehr Vertrauen in die Märkte und Menschen.
19.12.2024, 13:01 Uhr
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Präses der Bremer Handelskammer besorgt: Wirtschaft in
Von Lisa Schröder

Der Blick in die Zukunft fällt kurz vor dem Fest der Hoffnung recht düster aus. Die Bremer Handelskammer sorgt die Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland. "Wir befinden uns in einer wirklich tiefen Krise", sagte Präses Eduard Dubbers-Albrecht am Donnerstag im Gespräch mit Journalisten. Bremen treffe die Entwicklung aufgrund der Exportabhängigkeit womöglich sogar noch stärker. "Man muss klar sagen: Wir reden nicht über ein konjunkturelles Phänomen, sondern eine strukturelle Krise", so Dubbers-Albrecht. Die Ampel sei "nur bedingt" dafür verantwortlich. Es seien schon in den Vorjahren Dinge versäumt worden.

Ein Problembefund: Seit Gerhard Schröders (SPD) "Agenda 2010" habe es in Deutschland keine relevanten Wirtschaftsreformen mehr gegeben. "Und das baden wir jetzt aus", so der Präses der Handelskammer bei der Landespressekonferenz im Schütting. Es sei zu hoffen, dass der Mut zu Reformen in der nächsten Bundesregierung eine Rolle spiele.

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Die Politik wolle mehr und mehr Einfluss auf die Unternehmen nehmen. Das schade der Wettbewerbsfähigkeit massiv und bremse das Wachstum: "Das macht uns zu schaffen." In der Folge gehe die Transformation in der Wirtschaft nicht so voran, wie sie vielleicht vorangehen sollte. "Wir sind als Handelskammer durchaus mit vielen Zielen – auch was die Klimaneutralität angeht – einverstanden", sagt Dubbers-Albrecht. "Aber die Wege dorthin erleben wir als unpragmatisch und reglementiert." Die Unternehmen kämen kaum hinterher.

Wie entwickelt sich die Wirtschaft in Bremen?

Die ersten Zahlen zeigen: Auch in Bremen schrumpft die Wirtschaft in diesem Jahr sehr wahrscheinlich. Seit Jahresanfang ging etwa der Umsatz in der Industrie deutlich zurück – bis September um 12,8 Prozent. Das Minus sei stark beeinflusst durch einen Rückgang der Nachfrage im In- und Ausland. Die wirtschaftliche Schwäche komme auf dem Arbeitsmarkt an, wenngleich die Entwicklung noch nicht dramatisch sei, sagte der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer, Matthias Fonger, in der Runde.

In anderen Ländern wachse die Wirtschaft. Die "Sonderentwicklung" in Deutschland müsse allen Sorgen machen. Fast 60 Prozent der Unternehmen hätten trotz der Lage das Problem, langfristig offene Stellen nicht besetzen zu können. Die Zahlen seien nicht gut. "Deswegen heißt es jetzt nicht verzagen, sondern es heißt anpacken. Das brauchen wir in Deutschland ganz dringend ", betonte Fonger. In schwierigen Zeiten dürfe nicht der Kopf in den Sand gesteckt werden, sondern müssten etwa Innovationen gefördert werden.

Welche Forderungen hat die Handelskammer?

Eduard Dubbers-Albrecht kritisiert eine "Regulationswut" seitens der Politik. Es brauche stattdessen wieder mehr Vertrauen in die Märkte und Menschen. Der Präses der Handelskammer fordert in diesem Zusammenhang eine Rückbesinnung auf die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft. Das müsse auch in der Gesellschaft ankommen. Es gehe um mehr Eigenverantwortung und Leistungsbereitschaft. "Es sind zu viele in der Bevölkerung – da schließe ich Unternehmer nicht aus – die sagen: Lass mal den Staat machen."

Auch Hauptgeschäftsführer Fonger kritisierte das Ausmaß an Auflagen und Vorschriften in Deutschland. In Bremen sei der Ausbildungsfonds für die Unternehmen noch der "Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt". In Bremen wird der Abbau von Bürokratie unter anderem im Transformationsrat forciert. Hier hat es bereits eine erste Verständigung von Politik und Wirtschaft gegeben. Aus Sicht der Handelskammer liegt der Ball nun bei der Verwaltung.

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Wo läuft das Geschäft derzeit trotz Krise gut?

In Bremen gewinnt die Rüstungsindustrie immer stärker an Bedeutung. Unternehmen wie Rheinmetall oder Atlas Elektronik suchten weiter nach vielen weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Zusammengenommen gebe es in Bremen im Bereich Rüstung bald mehr Beschäftigte als bei Mercedes in Sebaldsbrück. "Gerade ist Saab nach Bremen gekommen mit etwa 100 Arbeitsplätzen. Das ist etwas wirklich Positives", so Dubbers-Albrecht.

Wo gibt es noch positive Impulse?

Die Handelskammer will ihr Engagement für die Start-up-Szene ausbauen. Bremen bewirbt sich um das Programm "Startup Factories". Der Wettbewerb des Bundeswirtschaftsministeriums hat Ausgründungen aus Hochschulen im Blick. Die Universitäten in Bremen und Oldenburg werben gemeinsam für den Nordwesten.

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Wie geht es weiter?

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer rechnet der Handelskammer zufolge im nächsten Jahr mit "Nullwachstum" – also einer Stagnation. Ein Gefühl für die Stimmung in den Unternehmen in Bremen? Ein Ergebnis der Konjunkturumfrage ist aus Sicht von Dubbers-Albrecht bezeichnend. "Wir stellen da die Frage: 'Planen Sie im nächsten Quartal, zusätzliche Mitarbeiter einzustellen?' Und das ist faktisch durchgängig nicht mit Ja beantwortet worden."

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