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Reform der Flugsicherung Wie ein Zebra den Bremer Fluglotsen helfen soll

Die Deutsche Flugsicherung organisiert den Luftraum über Norddeutschland neu. Dafür erhielt die Niederlassung Bremen jetzt ungewöhnliche Unterstützung aus dem Übersee-Museum.
12.12.2024, 05:00 Uhr
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Wie ein Zebra den Bremer Fluglotsen helfen soll
Von Christoph Barth

Das Gebäude der Deutschen Flugsicherung (DFS) am Bremer Airport ist ein nüchterner Backsteinbau: Büros türmen sich über fünf Etagen; dahinter liegt die Kontrollzentrale, in der 50 Fluglotsen auf ihren Radarschirmen zu jeder Tages- und Nachtzeit den Luftraum über Nord- und Ostdeutschland überwachen. Ein Weihnachtsbaum schmückt den Eingangsbereich hinter den Sicherheitsschleusen – ansonsten ist das Dekor eher spärlich. Mit einer Ausnahme: Im Treppenhaus steht jetzt ein ausgestopftes Zebra. In den kommenden drei Monaten soll es den Fluglotsen als Maskottchen dienen.

Denn die Deutsche Flugsicherung steht vor "der größten Luftraum-Umstrukturierung der vergangenen Jahrzehnte", kündigt Niederlassungsleiter Andre Biestmann an. Der gesamte Luftraum über Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und der Nordsee wird neu organisiert, um ihn noch sicherer zu machen und mehr Flugzeuge hindurchschleusen zu können. Der Name des Großprojekts: "Zukunftsfähige Erneuerung der Bremer ATS-Sektoren", abgekürzt Zebra.

Über eine halbe Million Flüge im Jahr koordinieren die Bremer Fluglotsen. Der Verantwortungsbereich von "Bremen Radar" – so ihr Rufname im Funkverkehr – reicht von der Nordsee bis an die polnische Grenze. Die internationalen Flughäfen Hamburg, Berlin, Hannover und Bremen liegen darin, ebenso 14 Regionalflughäfen und elf Militärflugplätze. Aufgeteilt ist das riesige Gebiet in einzelne Sektoren, die von jeweils zwei Fluglotsen überwacht werden. Jeder Sektor ist wiederum in Höhenstufen unterteilt; die Verantwortung der Bremer Radarlotsen reicht bis in 7500 Meter Flughöhe.

Das System ist eingespielt und vielfach bewährt. Aber: "Es ist ausgereizt. Wir sind an der Grenze", sagt Christian Faby, Supervisor, Fluglotse und Mitglied der Arbeitsgruppe, die die alte Ordnung reformieren soll. Zurzeit muss jeder Fluglotse anhand des Radarbildes und der Flugdaten selbst erkennen, wann und wo sich zwei Flugzeuge gefährlich nahekommen könnten. Um Kollisionen zu vermeiden, staffelt der Lotse die Flugzeuge in seinem Sektor in unterschiedlichen Höhenstufen – 1000 Fuß (rund 300 Meter) sind der Mindestabstand. Bei Steig- und Sinkflügen rund um die Flughäfen ist das jedoch gar nicht so einfach.

Künftig soll den Fluglotsen dabei die Technik helfen. Das System iCas berechnet die Flugbahnen der Flugzeuge und weist den Lotsen rechtzeitig auf mögliche Konfliktsituationen hin. "Das ist wie ein Tunnel – man weiß immer, wann das Flugzeug wo sein wird", erklärt Hansjörg Trost, Abteilungsleiter Luftraum und Verfahren bei der DFS in Bremen. Wenn zwei Tunnel sich irgendwo kreuzen, weiß der Fluglotse, dass er etwas tun muss.

Im Radarkontrollzentrum München, das den süddeutschen Luftraum überwacht, wurde iCas bereits eingeführt. Auch in Bremen ist der dafür vorgesehene Kontrollraum längst bezugsfertig eingerichtet. Aber der Umzug verzögert sich – März 2028 ist jetzt das neue Zieldatum.

Denn zuvor muss der norddeutsche Luftraum neu geordnet werden – und an dieser Stelle kommt das Zebra ins Spiel. Die "Zukunftsfähige Erneuerung der Bremer ATS-Sektoren" (Zebra) zielt darauf ab, den Zuschnitt der einzelnen Luftraumsektoren zu vereinfachen. "Wenn das neue System all seine Vorteile entfalten soll, müssen wir den Luftraum umbauen", erklärt Trost. Über ein Jahr lang haben der Abteilungsleiter und seine Arbeitsgruppe daran gearbeitet; im März kommenden Jahres soll die neue Aufteilung umgesetzt werden.

Bis dahin müssen sich die Fluglotsen mit den neuen Regeln vertraut machen – im Januar sollen die Schulungen beginnen. Und deshalb steht bei den Bremer Fluglotsen jetzt "ein Pferd auf dem Flur" – oder zumindest ein gestreiftes Tier aus der Gattung der Pferde, das so heißt wie das Projekt: Zebra. Zur Verfügung gestellt hat das ausgestopfte Exemplar das Bremer Übersee-Museum. Ein Mitarbeiter des Museums hatte das Zebra Anfang der 1950er-Jahre von einer Forschungsreise nach Tansania mitgebracht, als das Museum dabei war, seine vom Krieg dezimierten Bestände wieder aufzufüllen.

Mittlerweile verstaubt das Exponat meist im Depot. Doch für das Zebra-Projekt der Fluglotsen holte Michael Stiller, Leiter der Naturkundeabteilung des Überseemuseums, das Tier gerne wieder hervor. Zu Vorbereitung der neuen Ozeanien-Ausstellung "Der blaue Kontinent", die im März kommenden Jahres eröffnet wird, waren die Museumsmitarbeiter selbst um die halbe Welt geflogen. "Da sind wir natürlich dankbar, wenn wir sicher von Ort zu Ort kommen", sagt Stiller. Nun soll ihr Zebra die Arbeit der Fluglotsen noch besser machen.

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