Frau Gerner, was glauben Sie, wird die ARD bis 2029 vom selbstverordneten Reformprozess umgesetzt haben?
Ich bin da ganz optimistisch und spüre eine große Entschiedenheit auf allen Ebenen, die an diesen Reformen dran sind. Übrigens haben wir in den vergangenen Jahren im Verwaltungsbereich viele andere Reformen zu Sparzwecken angepackt: Im nächsten Jahr gehen wir bei Radio Bremen mit dem ARD-SAP-Projekt bei der Abrechnung live, mit dem der MDR bereits gestartet ist. Beim Projekt "ARD-weiter gemeinsamer Einkauf" sollten geplant 41,8 Millionen Euro eingespart werden. Tatsächlich werden durch die Synergien bis 2028 90,2 Millionen Euro eingespart. Die Reformen jetzt konzentrieren sich auf das Programm. Mit der Bildung von Kompetenzcentern, Poollösungen und weiteren Kooperationen sollen Ressourcen im linearen Programm zugunsten neuer digitaler Angebote gehoben werden.
Wenn die Menschen bis dahin immer mehr von linearem auf gezieltes Nutzerverhalten on demand umschwenken, inwiefern wird es für die ARD schwierig, weiterhin an ihren 69 Radioprogrammen und ihren 17 eigenen und beteiligten TV-Sendern festzuhalten?
Da kann ich nur für Radio Bremen sprechen: Wir erreichen mit unserem Gesamtangebot über alle Plattformen 99 Prozent der Menschen im Land. Das zeigt die Zielgruppenstudie. Wir arbeiten für alle ob jung oder alt. Das ist ja auch unser Auftrag, egal ob jemand uns klassisch im Radio in der Küche hört oder im Netz sucht. Diese Spreizung der Mediennutzung ist die große Herausforderung – auch für den Weser-Kurier und für alle anderen Medienunternehmen.
Wenn allerdings jetzt eine Bündelung der Inhalte in den dritten TV-Programmen angegangen wird, wäre dieser Schritt auch bei den Radioprogrammen möglich.
Bei den Prüffeldern in den Dritten Programmen sind wir als Radio Bremen nicht betroffen, wir produzieren hier nur wenig eigene Programme über buten un binnen und 3nach9 hinaus. Bei den Prüffeldern für die Radiowellen geht es zum Beispiel um Poollösungen, heißt, noch stärker als bisher über gemeinsame Sendestrecken am Abend nachzudenken. Konkret könnte das heißen, dass Radio Bremen Sendungen am Abend auch für andere Rundfunkanstalten mitgestaltet oder umgekehrt. Ein anderes Beispiel: Nicht alle Kultursender müssen das gleiche Buch neunmal besprechen, hier können wir besser kooperieren. Wir haben gute Erfahrungen beispielsweise bei den Jahrestagsformaten gemacht: Der „Stichtag“ wird von Radio Bremen für andere Sender der ARD-Gemeinschaft produziert, andere Formate eingespart. Solche Kooperationen wollen wir ausbauen und damit Ressourcen schaffen, um ein jüngeres non-lineares Publikum mit anderen Angeboten, auch Kulturangeboten, zu versorgen.
Welche Auswirkungen werden die Reformen auf Radio Bremen haben, und wo wollen Sie bis 2029 die Schwerpunkte setzen?
Inzwischen habe ich gelernt, dass die eine oder andere Krise kommen kann, die Pläne dann hinfällig werden lässt. Die Kunst besteht darin, den Auftrag zu erfüllen und gleichzeitig die Krisen zu bewältigen. Unser Ziel ist es, als Kreativschmiede auffällig zu bleiben. Dafür brauchen wir Ressourcen und Strukturen, die Innovation weiter fördern. Das bleibt Teil unserer DNA. Kooperation ist das zweite Stichwort. Hier gilt es, offen zu bleiben und immer neue Partnerschaften zu suchen. Das schafft Mehrwert für viele, macht uns smart und sparsamer. Drittens gilt es, journalistische Kompetenz immer neu zu stärken und an den Erfordernissen der Zeit, des Publikums auszurichten. Hochwertige, verlässliche Inhalte sind das A und O angesichts von Globalisierung, Digitalisierung, von Desinformation und der neuen Macht von Künstlicher Intelligenz.
Und zwar?
Anwendungen mit KI können Positives bringen, aber dadurch können auch Gefahren entstehen, wie zum Beispiel Manipulationen oder Deepfakes. Es braucht hier neue Kompetenzen. Außerdem müssen wir angesichts des Generationswechsels in den Redaktionen Wissenstransfer sicherstellen. Dafür haben wir die Radio-Bremen-Akademie gegründet, die beispielsweise gezielt die Expertise von Älteren an Jüngere weitergibt.
Und welche Konsequenzen hat Radio Bremen für die eigene Arbeit und Struktur gezogen nach den Vorgängen von 2022 um die zurückgetretene RBB-Intendantin?
Solche Ereignisse führen dazu, dass man das eigene Tun und die eigenen Strukturen hinterfragt. Das haben wir intensiv getan und uns vergewissert, dass wir gut aufgestellt sind. Dass wir gut dastehen, dabei hat uns das Radio-Bremen-Gesetz mit seiner hohen Anforderung an Transparenz geholfen oder was zum Beispiel auch die Besetzung des Verwaltungsrats mit Expertinnen und Experten angeht. Ebenso hat uns geholfen, dass wir als kleines Medienhaus überschaubar sind. Am Ende ist es aber auch die Betriebskultur auf Augenhöhe. Wenn nicht alle ein Gefühl dafür haben, wie die Compliance-Regeln, also Verhaltensregeln, zu leben sind, dann hilft das beste Reglement nicht. Diese Kultur funktioniert gut bei uns.
Aber an einigen Stellschrauben haben Sie schon gedreht.
Wir haben kein Fehlverhalten entdeckt, aber wir haben Optimierungspotenzial gesehen, zum Beispiel durch die Einführung des Vier-Augen-Prinzips bei Dienstreisen der Intendantin. Das dient auch meinem Schutz. Wir setzen aktuell schon die Vorgaben des vierten Medienstaatsvertrags um, dazu gehören Compliance-Schulungen für alle Mitarbeitenden. Die neue Compliance-Beauftragte baut jetzt ein Compliance-Management-System auf.
Wie gerechtfertigt empfinden Sie es, dass die zuständigen Bundesländer beim SR und beim RBB das Gehalt von Intendanten auf das vom Ministerpräsidenten oder von Landesministern deckeln wollen?
Es steht mir als Radio-Bremen-Intendantin nicht zu, mich dazu zu äußern, was bei anderen Landesrundfunkanstalten passiert. Wir schauen uns das im Rahmen der ARD an.