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Speicher für Windkraft-Strom Riesenakkus sollen im Herbst ans Netz

In Varel entsteht gerade ein riesiger Batteriehybridspeicher. Er soll den Strom aus Windkraft vorübergehend speichern und damit das Netz entlasten. 24 Millionen Euro der Kosten dafür kommen aus Japan.
23.05.2018, 20:49 Uhr
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Riesenakkus sollen im Herbst ans Netz
Von Florian Schwiegershausen

Was Jadebusen auf Japanisch heißt, mag keiner so richtig übersetzen. Aber zumindest weiß Japans Wirtschaftsförderungsbehörde Nedo seit mehr als einem Jahr, wo sich der Jadebusen befindet und auch die Stadt Varel. Denn dort südlich von Wilhelmshaven an der Autobahn A 29 entsteht gerade der größte Batteriehybridspeicher Norddeutschlands.

Und mit rund 24 Millionen Euro übernimmt die Nedo einen Großteil der Kosten – fernab der japanischen Heimat. Am Bau beteiligt ist allerdings auch die Be.storaged, eine Tochter des Energieversorgers EWE. Diese Riesenbatterie soll dazu beitragen, den Strom aus Windkraft sowohl vom Land als auch vom Wasser zu speichern. Dadurch sollen die Netze stabiler laufen.

Seit dem Baubeginn im Dezember ist neben dem Vareler Umspannwerk ein kleines Containerdorf entstanden. In den herkömmlichen Containern sind die Batterien eingebaut. Es handelt sich zu einem Teil um Lithium-Ionen-Akkus, zum anderen um Natrium-Schwefel-Akkus. Magnus Pielke, einer der beiden Be.storaged-Geschäftsführer, erklärt: „Die Lithium-Ionen-Akkus lassen sich schnell laden und auch wieder entladen, die Natrium-Schwefel-Akkus brauchen länger zum Aufladen, können dafür aber auch mehr Energie speichern.“

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Ein Container mit Lithium-Ionen-Akkus hat eine Leistung von 500 Kilowattstunden. Ein Container mit Natrium-Schwefel-Akkus hat dagegen eine Leistung von 800 Kilowattstunden. „Die Leistung aller Container zusammengenommen reicht, um 25.000 Haushalte für fünf Stunden mit Strom zu versorgen.“

Mehr Zeit sei nicht notwendig, denn schließlich gehe es darum, Lastspitzen zu kappen und damit die Netzfrequenz stabil zu halten. Damit will die EWE-Tochter Last und Erzeugung in Einklang bringen. Im Herbst soll die Riesenbatterie ans Netz gehen. Sie dient als Demonstrationsprojekt und soll unter Dauerbetrieb praktische Erfahrungen und Erkenntnisse liefern.

Warum Japan ein solches Projekt außerhalb des eigenes Landes finanziert, erläutert Pielke: „Damit fördert das Land zum einen die heimische Industrie und zeigt zum anderen Ländern, was die eigene Technik alles kann.“ Das soll den Export der Anlagen fördern. Was diese Batteriespeicher angeht, ist Japan laut Pielke Weltmarktführer. Das liege auch daran, dass die Unternehmen dort recht früh die Marktchancen erkannt haben.

Akkus per Lkw aus Kroatien

Auf der Baustelle ist am Dienstag gerade wieder ein Lkw mit einer Ladung Akkus angekommen. Der ist aus Kroatien gekommen, wo die Akkus per Schiff angelandet wurden. Anfangs war in der Planung angedacht, dass die Akkus über den Jade-Weser-Port nach Varel kommen. „Doch die Schiffe, die die Batterien aus Asien bringen, haben die Umläufe so, dass sie erst auf dem Rückweg in Wilhelmshaven anlegen“, sagt Pielke.

Und da sei es eben schneller, wenn die Herzstücke des Riesenspeichers in Kroatien angelandet werden und von dort per Lkw hochkommen. Auf diese Akkus gebe es eine Garantie von zehn Jahren. Allerdings wird laut dem Be.storaged-Geschäftsführer die Haltbarkeit eher in Ladezyklen angegeben: „Die liegt zwischen 4000 und 8000 Ladezyklen, was wiederum abhängig ist von der Art, wie geladen wird. Am stärksten werden die Akkus in Mitleidenschaft gezogen, wenn sie vom Stadium „total voll“ ins Stadium „total leer“ gefahren werden.“

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Analog dazu empfiehlt der Wirtschaftsingenieur, den Akku beim Handy immer in einem Ladezustand zwischen 30 und 40 Prozent laufen zu lassen und ihn nie voll auf 100 Prozent aufzuladen. Dann halte der Akku am längsten. Die gute Landluft mache den Akkus nichts aus, aber die gute Seeluft: „Wenn Sie eine solche Anlage bauen, ist es für den Hersteller von Bedeutung, ob die in den Bergen oder am Meer stehen soll. Denn die salzige Luft vom Wasser kann die Akkus beeinflussen. Das muss dann entsprechend bei den Lüftungsanlagen berücksichtigt werden“, so Pielke.

Hier in der Region kommt der Wind und damit die salzige Luft mehrheitlich aus nordwestlichen Richtungen. Doch danach sind die Container nicht aufgebaut, sondern nach Schallschutz. Inmitten der weißen Batteriecontainer stehen nämlich noch graue Container, in denen sich die Wechselrichter befinden. Und die erzeugen einen hohen Ton, der laut Pielke als unangenehm empfunden wird.

Die nächsten Nachbarn wohnen etwa 600 Meter entfernt, und die sollen nichts von dem Geräusch wahrnehmen. Generell habe die EWE die Bürger von Varel von Anfang an ins Boot geholt, um sie über jeden Schritt des Baus zu informieren, wie EWE-Sprecher Christian Bartsch sagt: „Bei einer Info-Veranstaltung im Rathaus waren 25 Bürger, denen wir alle Fragen beantwortet haben.“

Etwas nichts Alltägliches

Auf dem Weg zur Baustelle informiert ebenso ein Schild, was denn hier entsteht. Darunter hängt ein durchsichtiger Briefkasten, aus dem sich Interessierte eine Info-Broschüre herausnehmen können. Die Baugenehmigung kam für Teile der Anlage bereits im vergangenen Dezember, die gesamte Genehmigung erfolgte dann im Februar. Auch für das Bauamt der Stadt Varel sei es etwas nichts Alltägliches gewesen, die Pläne für ein solches Projekt zu prüfen und dann schließlich zu genehmigen.

„Unterstützung gab es für den Bau sowohl von Varel als auch vom Landrat“, so Pielke. Die Wahl fiel auf Varel, weil hier im Umspannwerk viel Strom ankommt, der von Windkraftanlagen erzeugt wird. Marktchancen für solche Anlagen sieht die EWE-Tochter Be.storaged in der Zukunft vor allem bei Unternehmen. „Für Industrie-Kunden kann das interessant sein, die sich über den eigenen ökologischen Fußabdruck Gedanken machen und den verbessern wollen“, sagt Pielke.

Neben den Anschlüssen müssen bis zum Herbst die Flächen rund um die Container noch geteert und Ausgleichsflächen für den Eingriff in die Natur geschaffen werden. Wie schon am Dienstag werden bis zum Start weiterhin einige Techniker aus Japan beim Aufbau behilflich sein. Wenn sie am Wochenende frei haben, zieht es sie an die Nordsee und den Jadebusen.

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