Europa ist für den Bremer Logistiker Röhlig nicht mehr das Zentrum der Welt. Das inhabergeführte Unternehmen hat seinen Hauptsitz zwar in der Überseestadt, sieht seine Kunden aber gleichgewichtig in den drei großen Regionen Europa/Indien, Amerika/Südafrika und Asien/Pazifik. Mit dieser Strategie konnte Röhlig 2011 das beste Ergebnis der 160-jährigen Firmengeschichte erzielen und schneller wachsen als der Markt.
Bremen. Bis zur Finanzkrise 2008 ging die Ertragsentwicklung von Röhlig stetig bergauf. Im Rekordjahr 2007 lag das Ergebnis vor Steuern bei 14,6 Millionen Euro. Dann kam 2009 der tiefe Einbruch. Dennoch gab Inhaber Thomas W. Herwig die Losung aus: Alle bleiben an Bord. Das trug mit dazu bei, dass es ab 2010 schnell wieder bergauf ging. 2011 erwirtschaftete das Unternehmen mit weltweit 2000 Beschäftigten 15,4 Millionen Euro vor Zinsen und Steuern – das beste Ergebnis in der Firmengeschichte.
Mitte 2011 installierte Röhlig eine neue Struktur im Vorstand. Die drei großen Regionen Europa/Indien, Amerika/Südafrika und Asien/Pazifik sind jetzt neben Firmenleiter Thomas W. Herwig, Finanzvorstand Hans-Ludger Körner und Personal- und Kommunikationschefin Ulrike Baum mit je einem Vorstandsmitglied vertreten. Sie leiten ihre Region zwar von Hamburg, Miami und Hongkong aus, aber in Bremen fließt alles zusammen, erklärt Personalvorstand Ulrike Baum. Für Herwig macht das auch deshalb Sinn, weil die Waren immer stärker zwischen einzelnen Regionen gehandelt werden. Zwar werden immer noch Textilien, Spielzeug oder Baumarktsortimente von Asien nach Europa transportiert und Maschinen und Anlagen von Europa nach Asien. Aber je stärker die Kaufkraft innerhalb Asiens wächst, desto intensiver wird der Handel der Staaten untereinander.
Mehr Handel in den Regionen
Das gelte ebenso für die Warenströme zwischen Nord- und Südamerika oder zwischen Australien und Neuseeland, sagt Herwig. „Deutschland spielt in diesen Handelsbeziehungen keine Rolle mehr.“ Das bestätigt auch Céline Wong, die den neuen Geschäftsbereich Supply Chain Management bei Röhlig aufbaut. Dabei geht es darum, verstärkt Dienstleistungen rund um den Transport, entlang der gesamten Lieferkette, aufzubauen. Dazu gehört die Abwicklung von Zollformalitäten ebenso wie das Umpacken von Solarmodulen oder das Kürzen von Damenjeans, angepasst an die Durchschnittsfigur zum Beispiel von Spanierinnen. „Logistikkompetenz für spezielle Regionen wird immer wichtiger“, sagt Wong.
Noch im Jahr 2008 hat Röhlig in Deutschland 21 Prozent seines Rohertrags ( Umsatz minus Aufwand) erwirtschaftet. 2011 waren es nur noch 15 Prozent. In Europa schrumpfte der Anteil von 22 Prozent (2008) auf 19 Prozent (2011). Dagegen stieg der Anteil des Rohertrags in Asien von 13 Prozent im Jahr 2008 auf 20 Prozent 2011. In Nord- und Südamerika stieg der Anteil des Rohertrags von neun Prozent auf 13 Prozent.
Im Geschäftsvolumen konnte Röhlig dort sogar um 37 Prozent zulegen, unter anderem durch Zukäufe. Der Logistiker hat im vergangenen Jahr 50 Prozent der Anteile an seinem südamerikanischen Partner Procargo übernommen und damit die Aktivitäten in Südamerika deutlich verstärkt. Röhlig ist mit einer Tochtergesellschaft in Chile vertreten und mit eigenen Büros in Argentinien, Bolivien, Paraguay und Uruguay. Die Procargo-Tochter in Miami haben die Bremer zu hundert Prozent übernommen. Verstärkt wurde die Präsenz dort auch durch den Kauf der Firmen Seajet und des Zollagenten CSI.
Firmenchef Herwig sieht in den USA trotz aller Unsicherheiten in der wirtschaftlichen Entwicklung auch für 2012 gute Wachstumschancen: „Die USA sind ein riesiger Markt. Da dort Logistikdienstleistungen noch nicht so entwickelt sind wie bei uns, bieten sich gerade für Mittelständler wie uns große Chancen.“ In Europa waren es laut Finanzchef Hans-Ludger Körner vor allem die Röhlig-Gesellschaften in Frankreich und in Großbritannien, die sich im Rohertrag und im Ergebnis deutlich gesteigert haben. Mit dem Deutschlandgeschäft ist Inhaber Herwig nicht ganz zufrieden. Hier sollen die Anstrengungen in der Akquisition deutlich verstärkt werden.
Mit Blick auf die Geschäftsentwicklung 2012 ist Herwig optimistisch. Die ersten vier Monate seien gut gelaufen. Es koste allerdings immer mehr Aufwand, die gesteckten Ziele zu erreichen. Probleme bereiten nicht nur Röhlig die stark schwankenden Fracht- und Charterraten vor allem im Seetransport. Dazu kommen Währungsschwankungen und zunehmend Handelsbeschränkungen und Einfuhrverbote, wie etwa in Argentinien. Aber auch in den USA und China gebe es immer mehr Protektionismus, so Herwig. „Wegen der zunehmenden Volatilitäten wird Planbarkeit immer schwieriger“, sagt Finanzchef Körner. Für das laufende Jahr könnte er dennoch richtig liegen: Nach dem starken Auftakt rechnet er mit einer etwas abgeschwächten Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte. „Es wird schwierig werden, das Rekordergebnis von 2011 erneut zu steigern.“