Dass die Papenburger Meyer-Werft und die Fassmer-Werft aus Berne den Zuschlag bei der europaweiten Ausschreibung für den Forschungsschiffbau "Meteor IV" erhalten haben, macht sich natürlich gut in den Auftragsbüchern der Bietergemeinschaft. Der durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erteilte Auftrag täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass sich der deutsche Schiffbau mit ein paar Ausnahmen im Krisenmodus befindet - unabhängig von der jüngsten Insolvenz der MV Werften und der Lloyd Werft. Mehr staatliche Schiffbauaufträge könnten helfen, die Branche wartet unter anderem auch schon lange auf die Wiederaufnahme des Ausschreibungsverfahrens für das Forschungsschiff "Polarstern 2".
Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) fordert darüber hinaus eine politische Neuausrichtung in Deutschland und insgesamt in Europa für die Schiffbaundustrie. "Wir benötigen einen fairen Wettbewerb auf dem Weltmarkt", sagte VSM-Hauptgeschäftsführer Reinhard Lüken auf Nachfrage des WESER-KURIER. "In Asien werden nicht deshalb Schiffe von europäischen Auftraggebern gefertigt, weil die Kosten dort günstiger sind, sondern weil die Werften Dumpingpreise aufgrund von staatlichen Subventionen anbieten."
Die deutsche Schiffbauindustrie hat nicht erst seit Ausbruch der Pandemie und dem damit nahezu komplett eingebrochenen Kreuzfahrtschiffbau, der den weitaus größten Anteil am zivilen Schiffbau ausmachte, Probleme. Vielmehr bereitet den deutschen Werften seit Jahren der internationale Wettbewerb Sorgen - nicht, weil sie von der Qualität her nicht mithalten können, sondern weil der Markt durch milliardenschwere nationale Subventionsprogramme vor allem in China verzerrt wird.
Laut einer US-Studie hat China seit 2000 die Produktion im eigenen Land mit Schiffbau-Subventionen von über 200 Milliarden Euro unterstützt und mit Dumpingpreisen den deutschen und europäischen Schiffbaumarkt zerstört: Der Bau von herkömmlichen Handelsschiffen findet deshalb seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 komplett nur noch in Asien statt. Der Schiffbau in Deutschland zeichnete sich seitdem vor allem durch die Fertigung von Kreuzfahrtschiffen, Jachten sowie Behörden- und Marineschiffen aus. Aber auch im bislang überwiegend in Europa stattgefundenen Spezialschiffbau fährt China eine Subventionsstrategie. Das hat sich schon vor der Pandemie bemerkbar gemacht: In China werden inzwischen auch Ro-Ro-Schiffe und Fähren gebaut - Marktsegmente, die vorher fast ausschließlich an deutschen und europäischen Standorten gefertigt worden sind.
Der Ruf von Verbänden und der Gewerkschaft IG Metall nach umfangreicheren und schnelleren Auftragserteilungen für Behördenschiffe sowie finanziellen Hilfen für die Entwicklung von klimaneutralen Antriebstechnologien zur Unterstützung der in vielen Bereichen kriselnden Schiffbauindustrie kam in den vergangenen Monaten nicht von ungefähr und war häufiger zu hören.
Aufträge wie der der "Meteor IV" würden der Branche in den nächsten Monaten und Jahren gut tun - verständlich die Freude bei der erfolgreichen Bietergemeinschaft: „Wir sind sehr froh, dass wir gemeinsam mit der Meyer-Gruppe dieses fortschrittliche Forschungsschiff bauen werden", sagte Harald Fassmer, geschäftsführender Gesellschafter von Fassmer.
Aufträge nicht in Sichtweite
Aufträge dieser Art sind aber nicht in Sichtweite - einer wäre der Bau der "Polarstern II", auf den sich auch die Bremerhavener Lloyd Werft jahrelang Hoffnung gemacht hatte. Anfang 2020 hatte der Bund aber das bereits vier Jahre dauernde Ausschreibungsverfahren für das etwa 890 Millionen Euro teure Projekt abgebrochen. Zum aktuellen Stand sagte das Bundesministerium auf Nachfrage, man werde das Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) "finanziell in die Lage versetzen, ein Nachfolgeschiff für das eisbrechende Polarforschungs- und Versorgungsschiff ,Polarstern' zu beschaffen". Das AWI bereite aktuell die europaweite Ausschreibung der Werftleistung vor.
Solche Aufträge seien gut und würden kurzfristig den Unternehmen helfen, die sie bekommen. "Aber sie lösen nicht das eigentliche Problem", so Lüken. Abgesehen davon würde ein Vorziehen weiterer absehbar notwendiger Beschaffungen von Behörden- und auch Marineschiffen nur beschränkt Wirkung zeigen, "weil diese Aufträge dann morgen fehlen würden."
Europa habe sich vor 25 Jahren davon verabschiedet, Schiffbauindustrie zu unterstützten, so der VSM-Geschäftsführer. Die Förderung habe sich seitdem nur noch auf den Ausbau von Häfeninfrastruktur und Reedereien bezogen. Diese Bereiche seien auch wichtig, aber die Strategie müsse insgesamt korrigiert werden, ansonsten werde der europäische Schiffbau nach und nach verschwinden. "Wir reden hier auch nicht über eine Industrie von gestern, sondern über eine Branche, die momentan noch über ein umfassendes Know-how verfügt und in der Lage ist, neuartige Technologien voranzutreiben und in den Markt zu bringen - etwa im Bereich klimafreundliche Antriebssysteme, die nicht nur im Bereich Schifffahrt eingesetzt werden könnten."
Der VSM sei zuversichtlich, dass die neue Bundesregierung das Thema aufgreifen werde und in Europa für eine neue Strategieausrichtung werben werde. Schließlich gehe es um den Fortbestand eines innovativen Industriezweigs, um 20.000 Arbeitsplätze auf den Werften und um die gesamte Wertschöpfungskette im Schiffbau mit insgesamt mehr als 200.000 Arbeitsplätzen in Deutschland.