Etwa 24 Milliarden Schuhe werden jedes Jahr weltweit hergestellt, Tendenz weiter steigend. Rund 90 Prozent davon entstehen immer noch in manueller Fertigung, der Schaft wird genäht, die Sohle geschnitten, gestanzt oder gespritzt, bevor die beiden Teile mit einer Presse zusammengeklebt werden. Dass die Arbeitsbedingungen in Schuhfabriken in Bangladesch und in indischer Heimarbeit oft bedenklich sind, sollte dabei zumindest nicht unerwähnt bleiben.
Die restlichen zehn Prozent der weltweit hergestellten Freizeit-, Sport-, Business-, Sicherheits- oder Kinderschuhe werden industriell produziert. Bei der Entwicklung und dem Bau der entsprechenden Maschinen ist die Firma Desma aus Achim international ganz vorne mit dabei. „In der automatisierten Produktion wird die Sohle direkt an den Schaft angespritzt oder verklebt. Der Schuh entsteht so aus einem Guss“, erklärt Christian Decker, 50 Jahre alt und seit zehn Jahren zusammen mit Klaus Freese Geschäftsführer bei Desma.
In der Produktionshalle des Unternehmens mit 45 Millionen Euro Jahresumsatz in 2017, Kunden in 150 Ländern und einer Exportquote von 95 Prozent, fallen vor allem die sogenannten Rundtischmaschinen ins Auge. Hightech-Anlagen für die automatisierte Verbindung von Schuhschaft und Sohle, die aussehen wie moderne Karussells und die bis zu 120 Paar Schuhe stündlich produzieren können.
Bis zu drei Millionen Euro kosten die Hightech-Anlagen, von denen Desma etwa 40 Stück jährlich in Achim baut und vor allem nach China und Indien, in arabische Länder aber auch in die USA, nach Südamerika und Afrika verkauft. Heute darf sich Desma, das zur Salzgitter AG gehört und 230 Mitarbeiter hat, wohl mit Recht Technologieführer in der Nische der industriellen Schuhmaschinenproduktion nennen.
Die Geschichte der 1946 vom Unternehmer Herbert Ludwig unter dem Namen Desco gegründeten Firma war aber durchaus bewegt. „In den Spitzenzeiten bis etwa Mitte der 80er-Jahre hatte Desma mehr als 1000 Mitarbeiter, kurz darauf brach mit dem Ende der Sowjetunion aber ein wichtiger Markt weg“, erinnert sich Desma-Urgestein Klaus Freese, 57 Jahre alt, der 1976 seine Schlosserlehre in Achim begann und heute kaufmännischer Geschäftsführer ist. Vor allem über die Produktion für den in der Schuhindustrie führenden asiatischen Markt hat sich das Unternehmen in der Folgezeit konsolidiert.
„Wir denken technologisch oft sehr weit voraus“, erklärt Freese, der regelmäßig weltweit zur Pflege von Kundenkontakten und zur Akquirierung von Aufträgen für das Unternehmen unterwegs ist. „Man bleibt nur Technologieführer, wenn man viele gute und motivierte Leute hat, neugierig und mutig ist“, betont er vor allem den menschlichen Aspekt.
Herausforderungen der Zukunft
Freeses Partner in der Firmenleitung, Christian Decker, ist der Mann für die technische Entwicklung bei Desma. Für ihn zählen das Hier und Jetzt, die Herausforderungen der Zukunft. „Man muss das Ohr am Markt haben und Produkte für die Kunden und nicht für sich selbst entwickeln“, erklärt er. Ein Unterschied zu den Wettbewerbern in Italien und Asien sei die direkte Orientierung an den Wünschen des Endkunden.
„Wenn ich das Bedürfnis des Schuhkäufers kenne, kann ich die Technik für die Produktion dieses Schuhs entwickeln“. Ein großes Thema bei Desma ist dafür zum Beispiel das Schlagwort „Industrie 4.0“ von den intelligenten, vernetzten Maschinen und Fabriken – derzeit in aller Munde. „Wir arbeiten in dem Bereich schon seit gut zehn Jahren“, sagt Klaus Freese, „damals hieß es nur noch nicht so“, fügt er schmunzelnd hinzu.
Wie das konkret aussieht? Decker erklärt den quasi interaktiven Schuh der Zukunft, individuell nach dem Bedürfnis des Kunden zugeschnitten, aber industriell gefertigt. Nach einem dreidimensionalen Scan des Fußes von Länge, Höhe und Breite bekommt man eine Art Schuhpass mit den individuellen Daten, die über einen normalen Online-Account beim Händler hinterlegt sind.
Industrie 4.0, wie sie im Buche steht
„Ob dann ein Swoosh drauf kommt, drei Streifen, eine nordamerikanische Raubkatze oder der eigene Name, kann jeder Käufer selber entscheiden. Wir machen dafür das Datenhandling und müssen die Fertigungsanlagen mit den richtigen Informationen füttern“, erklärt Christian Decker die Aufgabe von Desma in dem Prozess. Auch Sensoren im Schuh, die Bescheid geben, wenn man eine bestimmte Strecke gelaufen ist, sind in der Zukunft denkbar.
„Fit Station“ nennt sich die Plattform, die Desma dafür entwickelt hat. Für 2018 ist der Start zusammen mit dem Druckerhersteller Hewlett Packard geplant. „Das ist Industrie 4.0 wie sie im Buche steht, weil wir den Kreis schließen vom Endkunden bis in die Produktionsanlagen und zurück“, schwärmt Decker, der von einem Wachstum bei Desma im traditionellen Maschinenbaubereich, aber mehr noch bei den digitalen Produkten rund um die Maschinen ausgeht. Wartung über das Handy oder über die Datenbrille nennt er als Beispiele. „In den nächsten zehn Jahren erwarte ich radikale Veränderungen in unserem Geschäft, Stichwort „disruptiver Wandel“.
Auch Klaus Freese schwingt hier mit: „Der automatisiert hergestellte, aber individualisierte Schuh wird kommen“, bekräftigt der Herr der Zahlen bei Desma, um dann doch noch mal von deutscher Wertarbeit zu sprechen. Auch „Made in Germany“ habe sich gewandelt, meint er. „Was früher bester Stahl, genaue Passung, einfach gute Qualität war, ist heute Zuverlässigkeit und Planungssicherheit für unsere Kunden.“