Erstmalig seit 2004 gibt es bundesweit weniger als sechs Millionen Personen ab 18 Jahre, die verschuldet sind. Das geht aus den Zahlen des aktuellen Schuldneratlas hervor, den die Wirtschaftsauskunft Creditreform seitdem veröffentlicht. Die Quote lag im vergangenen Jahr bei 8,86 Prozent, bei der aktuellen Erhebung sind es 8,48 Prozent und damit 274.000 Personen mehr, die ihre Schulden abgebaut haben. Dieser bundesweite Trend ist auch auf die Stadt Bremen, die niedersächsischen Umlandgemeinden und Bremerhaven übertragbar. Allerdings führt die Seestadt weiterhin die Liste der 401 Städte und Kreise mit der höchsten Überschuldungsquote an, die bei 19,7 Prozent (2021: 19,96 Prozent) liegt. Und noch eine rote Laterne geht in den Norden: Mit einer Überschuldungsquote von zwölf Prozent ist Bremen wie in den Vorjahren das Schlusslicht im Ländervergleich. In der Stadt Bremen sind es 11,03 Prozent (2021: 11,40 Prozent). Im niedersächsischen Umland liegen die Quoten beispielsweise in Rotenburg bei 8,84 Prozent, in Osterholz-Scharmbeck bei 7,93 Prozent oder in Syke bei 7,49 Prozent.
Der Rückgang der Überschuldungsquote resultiere vor allem aus den Auswirkungen der Pandemie, sagt Verena Dahlke, geschäftsführende Gesellschafterin der Creditreform Bremen Dahlke KG. "Durch Konsumverzicht haben viele Leute gespart und das Geld für Schuldentilgung eingesetzt." Der Wermutstropfen an dieser Entwicklung sei, dass dieses ersparte Geld bis Mitte 2022 größtenteils aufgebraucht sei. Die hohen Energiekosten, die Inflation und die höheren Mobilitätskosten seien dafür verantwortlich. Der Schuldneratlas wird von Creditreform immer vom Zeitraum 1. Oktober bis 1. Oktober des Folgejahres erhoben.
"Das, was wir seit Ausbruch des Ukrainekriegs beobachten, setzt sich fort", sagt Geschäftsführer Peter Dahlke. "Die sogenannten Corona-Rücklagen werden bis Ende 2022 ,entspart' sein." Es sei zu befürchten, dass die weiterhin hohen Energiekosten und die hohe Inflation ab 2023 viele Verbraucher in nachhaltige Zahlungsschwierigkeiten führen werden. "Es ist ein deutlicher Wiederanstieg der Überschuldungszahlen zu erwarten." Diese Entwicklung würde sicherlich auch durch die nochmals exorbitant steigenden Lebensmittelpreise beflügelt, so Verena Dahlke. "Es kommen jetzt steigende Kosten auf die Haushalte zu, die man nicht beeinflussen kann." Studien zufolge würde durch diese Entwicklung auch mehr und mehr der Mittelstand in finanzielle Bedrängnis kommen und in Überschuldungssituationen geraten.
Positiv sei in den vergangenen Monaten gewesen, so Peter Dahlke, "dass sich die meisten Indikatoren zur Bewertung der Überschuldungsentwicklung – der Corona- und Energiekrise zum Trotz – weiterhin entspannt zeigen": Die Zahl von Arbeitslosen, Langzeitarbeitslosen und Kurzarbeitern bewege sich weiterhin auf niedrigem Niveau, was sich ebenfalls positiv auf die aktuelle Überschuldungssituation ausgewirkt habe.
Im aktuellen Schuldneratlas weisen in der Stadt Bremen etwa 52.300 Personen nachhaltige Zahlungsstörungen auf - circa 2.000 weniger als noch vor einem Jahr. Im Gegensatz zum Länderranking landet die Stadt Bremen im Vergleich der Überschuldung der 16 Landeshauptstädte nicht mehr auf dem letzten Platz, sondern belegt Platz zwölf und lässt Schwerin, Magdeburg, Wiesbaden und Saarbrücken hinter sich. Hannover belegt Platz zehn.
In Bremerhaven können laut der Erhebung ungefähr 18.400 Einwohner ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Dies bedeute einen Rückgang von etwa 300 Personen gegenüber 2021. Weshalb Bremerhaven die rote Laterne im Städteranking hat, wird deutlich im Vergleich mit Bremen: "Innerhalb der Stadt gibt es keinen Stadtteil, der wie in Bremen beispielsweise mit Schwachhausen oder Borgfeld nur eine ganz geringe Überschuldungsquote aufweist", so der Geschäftsführer des Bremer Creditreform-Standortes. "Die befinden sich erst im Speckgürtel von Bremerhaven."
Niedersachsen weist im Schuldneratlas eine Quote von 8,62 Prozent aus. Das bedeutet Platz sieben im Vergleich der Bundesländer. Zahlreiche niedersächsische Gemeinden um Bremen herum liegen unter diesem Durchschnittswert - etwa Thedinghausen mit 5,9 Prozent, Tarmstedt mit 5,52 Prozent, Stuhr (6,22), Achim (6,55), Lilienthal (5,27), Oyten (6,36) oder Grasberg (7,06).
Der Ausblick von Creditreform auf das kommende Jahr klingt insgesamt pessimistisch, was einem deutlichen Anstieg der Überschuldungszahlen gleichkommt, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern: Es drohe eine Energiearmut und Energieüberschuldung, die Hand in Hand gehe, sowie ein Rezessionsdilemma, das sich in Angstsparen und Investitionshemmung ausdrücke, so Peter Dahlke.