Als Ola Källenius vor wenigen Wochen den Posten als Daimler-Chef übernommen hat, wussten er, seine Mitarbeiter und Beobachter des Unternehmens: Das wird kein leichter Job. Nicht nur, dass Dieter Zetsche über die Jahre zum sympathischen Gesicht des Konzerns geworden ist und der Schwede diese Lücke füllen muss. Källenius hat vor allem unternehmerische Sorgen.
Er muss den Autobauer fit für die Zukunft machen. Konkret heißt das: Er muss die Elektrifizierung von Mercedes vorantreiben und gleichzeitig Altlasten abschütteln. Källenius' Aufgabe lässt sich auf zwei Worte runterbrechen, die gegensätzlicher kaum sein können: investieren und sparen.
Konzern muss sein Jahresziel senken
Wie schwer das wird, hat sich dieser Tage noch einmal gezeigt. Am Sonntag hat der Konzern überraschend bekannt gegeben, dass man sein Jahresziel senken müsse. Das bedeutet nichts anders als: Gewinnwarnung. Das Konzernergebnis dürfte 2019 in etwa auf dem Niveau des Vorjahres liegen – eigentlich hatte Daimler mit einem Plus von fünf bis 15 Prozent gerechnet.
Der Konzern begründet diese Ergebniskorrektur vor allem mit dem Dieselskandal. Erst Freitag ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) an, 60.000 Autos vom Typ GLK müssten zurückgerufen werden, weil dort eine Software die Abgaswerte senkt – allerdings nur auf dem Prüfstand und nicht im täglichen Verkehr. Schon vergangenen August verhängte das KBA einen Rückruf für europaweit 690.000 Diesel-Fahrzeuge, darunter für 280.000 Autos in Deutschland. Daimler hatte damals betont, man kooperiere mit den Behörden – halte die Abschaltfunktion aber für zulässig.
Zur Vorsicht hat Daimler aber nun laut Mitteilung vom Sonntag einen „hohen dreistelligen Millionenbetrag“ zurückgestellt, um auf etwaige Kosten im Zusammenhang mit dem Rückruf vorbereitet zu sein. Bei den Anteilseignern kommt das gar nicht gut an. Die Aktie verlor am Montag zeitweise viereinhalb Prozent. Der ohnehin schon verkündete Sparkurs dürfte sich an diesem Wochenende noch einmal verschärft haben.
Dabei will der Konzern aber ohne Stellenstreichungen auskommen. „Wir haben klar geregelt, dass es kein Personalabbauprogramm gibt“, sagt Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht. Vor betriebsbedingten Kündigungen sind die Beschäftigten ohnehin durch eine zuvor geschlossene Vereinbarung geschützt, ein Abfindungsprogramm oder Ähnliches werde es aber auch nicht geben. „Es wird kein Geld in die Hand genommen, um Menschen zu suchen, die das Unternehmen verlassen.“
Zeitarbeiter sollen eingesetzt werden
Die Übereinkunft gilt zunächst bis Ende 2021 für 60.000 Beschäftigte in den sogenannten indirekten Bereichen, also in der Verwaltung, der Entwicklung oder der Logistik. In der Produktion sei das nicht notwendig, weil der Personaleinsatz dort ohnehin flexibel je nach Auslastung gesteuert werde, vor allem über den Einsatz von Zeitarbeitern, sagt Brecht.
Zusätzlichen Druck dürfte nun aber eine Nachricht vom Rivalen BMW verursacht haben. Die Münchner gaben am Montag bekannt, dass sie ihre E-Auto-Offensive beschleunigen wollen. Bereits 2023 – zwei Jahre früher als bisher geplant – will der Konzern 25 elektrifizierte Modelle anbieten, berichtet die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Das können reine Elektroautos sein, aber auch Hybridfahrzeuge mit E- und Verbrennermotor. Hinzu kommt ein ehrgeiziges Ziel: Laut Bericht will BMW den Absatz von elektrifizierten Autos jedes Jahr um mindestens 30 Prozent steigern.
Von solchen Dimensionen ist Daimler noch weit entfernt: Erst vor wenigen Wochen ist der Verkauf des in Bremen gebauten Elektroautos EQC gestartet – nach einigen Verzögerungen wegen fehlender Batterien. Interessenten können ihn schon online vorab bestellen, in die Autohäuser soll er jedoch erst im Herbst kommen.
Van EQV ist das nächste Modell der EQ-Familie
Auf der Frankfurter Automesse IAA im September will Daimler dann das nächste Modell aus der elektrischen EQ-Familie vorstellen: den Van EQV. Als Ziel hatte Daimler zuletzt immer angegeben, dass der Absatz an E-Autos bis 2025 bei 15 bis 25 Prozent am Gesamtabsatz des Konzerns liegen soll; geplant sind bislang zehn Elektromodelle.
Auch wenn Källenius seit einem Monat nun an der Daimler-Spitze ist – er arbeitet immer noch im Schatten seines Vorgängers. Der hatte dem Schweden für sein Projekt „Zukunft“ kurz von seinem Abtritt noch eine Leitlinie mitgegeben: „Alles“, sagte Zetsche, „steht auf dem Prüfstand.“