Der Markt boomt: Online-Lieferdienste sind vor allem in großen Städten vertreten. Das Lieblingsessen mal schnell gegen ein paar Euro Gebühr per App vom Restaurant in der Nähe bis an die Haustür geliefert bekommen – für Kunden klingt das denkbar einfach. Komplizierter sieht es hingegen für die Lieferdienst-Radler aus: Sie befördern die gewünschte Mahlzeit unter enormem Zeitdruck zum Kunden und erhalten dafür in der Regel nur wenig Lohn. Regelmäßig stehen Online-Lieferdienste bei Gewerkschaftern deshalb für ihre schlechten Arbeitsbedingungen in der Kritik.
In deutschen Großstädten konkurrieren inzwischen vor allem zwei große Anbieter: Deliveroo und Lieferando. Deliveroo hat seinen Hauptsitz in Großbritannien und ist in fünf deutschen Städten aktiv. Lieferando bedient zehn Städte in Deutschland und gehört zum niederländischen Unternehmen Takeaway. Das hat im Frühjahr unter anderem die für ihr grelles Pink bekannte Marke Foodora übernommen und führt ihre Dienste jetzt unter Lieferando weiter – so auch in Bremen. Nach Angaben eines Sprechers des Lieferando-Eigners Takeaway hätten sich die Bedingungen für Foodora-Fahrer nach der Übernahme deutlich verbessert. „Unsere Kuriere sind ordnungsgemäß beschäftigt, versichert und bekommen in den meisten Städten E-Bikes gestellt.“
Christoph Schink, der in der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) für die sogenannten Rider der Lieferdienste zuständig ist, sieht das anders. Ihm zufolge fehle etwa „eine echte Entschädigung für eingebrachte Arbeitsmittel“. Die Anbieter stellen den Fahrern in der Regel Jacken und Rucksäcke im Firmen-Design zur Verfügung: orange-weiß bei Lieferando und grün-silber bei Deliveroo. Fahrräder und Handys müssen
die meisten Rider bei Deliveroo selbst mit-
bringen.
Ihre Bezahlung halten viele Fahrer laut Schink für zu gering, weil sie „so knapp über dem Mindestlohn liegt“. Der gesetzliche Mindestlohn beträgt seit Januar 9,19 Euro pro Stunde. Die Angestellten bekämen zwischen Mindestlohn und zehn, selten elf Euro oder mehr.
Kritik auch in Bremen
Auch in Bremen war der Online-Lieferant Foodora, heute Lieferando, im März dieses Jahres in die Kritik geraten. Arbeitslöhne seien nicht gezahlt worden, Aufträge für die meisten Fahrer ausgeblieben, hieß es damals seitens eines in Bremen beschäftigten Lieferdienst-Fahrers. Das Problem: Es waren so viele Fahrer auf einmal eingestellt worden, dass zu wenige Schichten für jeden Einzelnen zur Verfügung standen. „Viel getan hat sich seitdem nicht“, sagt Moritz Steinberger, Gewerkschaftssekretär der NGG Bremen. Für verbesserte Arbeitsbedingungen, so wie sie der Anbieter Lieferando propagiert, gebe es keine konkreten Anzeichen.
Zwar habe sich das Problem rund um den Zahlungsverzug geklärt. Zu wenige Schichten für zu viele Angestellte gebe es aber nach wie vor. Der Grund: Das Bewerbungssystem funktioniert online und voll automatisiert. Wer sich bei Lieferando bewirbt und die Voraussetzungen erfüllt, wird also meist direkt genommen. In Großstädten wie Berlin und Köln funktioniere dieses System sehr gut, sagt Steinberger. Bremen sei dafür allerdings „eine Nummer zu klein“ – für die Menge an Fahrern gebe es nicht genügend Kunden. „Das Gleichgewicht zwischen Kunden und Fahrern kann so nicht gewährleistet werden“, sagt der Gewerkschafter.
Der Versuch Lieferandos, die Arbeitsbedingungen durch das Bereitstellen von E-Bikes zu verbessern, kommt in Bremen laut Steinberger nicht gut an. „Hier arbeiten echte Fahrradnerds, also Leute, die ihr Fahrrad nachts über dem Bett hängen haben“, sagt Steinberger. „Mit E-Bikes können die nichts anfangen.“ Eher würden sich die Beschäftigten ein Reparatursystem als eine Art der Absicherung für ihre eigenen Räder wünschen. Bisher funktioniere dieses noch denkbar schlecht.
Trotz aller Unzufriedenheit ist dem Gewerkschafter zufolge aber auch ein Umbruch zu verzeichnen: „Uns erreichen nur noch wenige Beschwerden. Die beschäftigten Fahrer haben sich offenbar entschlossen, mit den jetzigen Bedingungen zu leben.“