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Kreuzfahrtschiffe Schwimmende Hotels in der Kritik

Ihre Maschinen verbrennen Schweröl, doch Abgasfilter fehlen. Umweltschützer halten Kreuzfahrtschiffe nach wie vor für höchst bedenklich. Besserung könnte mit den aktuellen Neubauten kommen.
05.09.2017, 19:08 Uhr
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Schwimmende Hotels in der Kritik
Von Peter Hanuschke

Sieben neue Kreuzfahrtschiffe, die ausschließlich mit dem in der Schifffahrt derzeit umweltschonendsten Kraftstoff Liquified Natural Gas (LNG) angetrieben werden, lässt die britisch-amerikanische Carnival-Gruppe in den nächsten Jahren bauen. Auf der Kreuzfahrt-Fachmesse „Seatrade“ in Hamburg findet dafür an diesem Mittwoch die virtuelle Kiellegung statt.

Zwar begrüßt auch der Nabu diese Entwicklung, aber das spiegelt sich noch nicht im aktuellen Kreuzfahrt-Umwelt-Ranking des Umweltverbandes wieder: So rutschte die „Aida Prima“ - Aida Cruises gehört zu Carnival - von Platz eins im vergangenen Jahr auf Platz sechs 2017 ab.

Der Umweltverband Nabu begründet dies damit, dass sich die Angaben zu den Abgassystemen von Aida „aus dem Jahr 2016 als Luftnummer erwiesen“ hätten. Enttäuschend sei in diesem Zusammenhang, so Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller, „die Unverfrorenheit, mit der Aida Cruises medienwirksam Investitionen in Abgassysteme ankündigt, ohne diese dann umzusetzen.“

Komplexes System zur Abgasnachbehandlung

Auch über ein Jahr nach Indienststellung der neuen Schiffsgeneration sei bei der „Aida Prima“ kein Abgasfilter im Einsatz. Dem widersprach die Rostocker Reederei: „Die „Aida Prima“ und auch das Schwesterschiff „Aida Perla“ „verfügen über ein komplexes System zur Abgasnachbehandlung“, so eine Sprecherin auf Nachfrage des WESER-KURIER.

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„Auf vier weiteren Schiffen unserer Flotte - ,Aida Luna‘, ,Aida Mar‘, ,Aida Diva‘ und ,Aida Vita‘- haben wir Systeme dieser Anlage nachgerüstet.“ Damit verfüge bereits heute die Hälfte aller Schiffe der Aida-Flotte über ein System zur Abgasnachbehandlung, das die Emissionen von Feinstaub, Stickoxiden sowie Schwefeloxiden um 90 bis 99 Prozent reduziere.

Der Ausstoß von Kohlenmonoxid werde um 70 Prozent und die Emissionen von unverbrannten Kohlenwasserstoffen um 85 Prozent gesenkt. Die technischen Zulassungen der Abgasnachbehandlungssysteme seien auf allen sechs Schiffen erfolgt. „Wo wir die Genehmigung zum Betrieb der Systeme in unseren weltweiten Fahrtgebieten beziehungsweise Häfen haben, werden diese auch genutzt.“

Umweltbilanz der Kreuzfahrtreedereien weiterhin schlecht

Auf Platz eins des Nabu-Rankings haben sich die vier Neubauten „Mein Schiff 3“ bis „Mein Schiff 6“ von Tui Cruises 6 geschoben (2016: Rang drei). Platz zwei belegt wie im Vorjahr die „Europa 2“. „Die beiden deutschen Anbieter TUI und Hapag-Lloyd Cruises belegen nun die Spitzenpositionen, da sie immerhin einen Stickoxidkatalysator verwenden“, hieß es.

Trotzdem ist auch in der siebten Auflage der Rangliste aus Sicht des Nabu kein einziges Kreuzfahrtschiff in Europa aus Umweltsicht uneingeschränkt empfehlenswert. Besonders schwer wiege der Umstand, „dass alle Reedereien weiterhin auf das giftige Schweröl als Kraftstoff setzen und keinen Rußpartikelfilter zur Minderung gesundheitsgefährdender Feinstaubemissionen einsetzen“, so Miller.

Die Umweltbilanz der Kreuzfahrtreedereien sei insgesamt weiterhin schlecht. Insbesondere Costa (Carnival-Gruppe), MSC und Royal Caribbean verweigerten sich mit ihrer bestehenden Flotte komplett dem Umwelt- und Klimaschutz. Entsprechend bilden sie die Schlusslichter im Ranking.

Kein einziger Rußpartikelfilter in Betrieb

„Nicht nur die Umweltbilanz der Kreuzfahrtunternehmen ist miserabel, sondern auch deren Informationspolitik“, sagt Dietmar Oeliger, Leiter Verkehrspolitik beim Nabu-Bundesverband: Die Reedereien schickten den Branchenverband Clia für die „Drecksarbeit“ nach vorne, der dann auch noch bewusst mit falschen Zahlen operiere.

„So sprach Clia noch im vergangenen Jahr davon, dass 23 Kreuzfahrtschiffe mit einem Rußpartikelfilter ausgerüstet seien.“ Diese Zahl sei nun ersatzlos und ohne Begründung im Antwortschreiben an den Nabu gestrichen worden. „Fakt ist nämlich, dass kein einziger Rußpartikelfilter in Betrieb ist.“

Besserung sei erst ab 2018 in Sicht, wenn die ersten mit LNG betriebenen Schiffe in See stechen sollen. Allerdings betreffe das nur einen Teil der Neubauten, nicht hingegen Bestandsschiffe, also den wesentlich größeren Teil der Flotte, so Oeliger. Der Nabu verwies auch auf verdeckte Messungen an Bord von Kreuzfahrtschiffen, die eine hohe Belastung mit krebserregenden Rußpartikeln zeigten.

Neue Maßstäbe für die gesamte Branche

Kritik an der Darstellung des Nabu kam vom Kreuzfahrtverband Clia. Bereits seit 2015 gelte zum Beispiel in der Nord- und Ostsee ein Schwefel-Grenzwert von 0,1 Prozent. Das bedeute, dass dort kein Schiff mehr mit Schweröl fahren darf, ohne eine Filtertechnik an Bord zu haben.

Die Behauptung, dass alle Schiffe mit Schweröl fahren, treffe ebenfalls nicht zu. Sämtliche Kreuzfahrtschiffe erfüllten die gesetzlichen Grenzwerte oder gingen darüber hinaus. „Wir wissen wo wir stehen, aber noch wichtiger: Wir wissen wohin wir wollen“, so Hansjörg Kunze, Kommunikationschef bei Aida.

„Unser klares Ziel ist ,Green Cruising‘, das heißt, Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren.“ Mit der „Aida Nova“ entstehe in der Meyer-Werft in Papenburg das erste Kreuzfahrtschiff, das zu 100 Prozent mit LNG betrieben werden könne. „Damit setzen wir für Aida und die gesamte Branche neue Maßstäbe.“ Die „Aida Nova“ soll im Dezember 2018 fertig gestellt sein.

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