Bremen. Die beiden Ponys hinter dem Haus von Angelika Kutschbach grasen genügsam. Hinter der Weide steht jedoch schon eines der Windräder, die Angelika Kutschbach und einige Nachbarn das Leben in Seehausen gründlich vermiesen.
Vier Anlagen sind seit dem vergangenen Herbst gebaut worden - das Laufgeräusch macht die Anwohner nach eigenen Angaben krank und raubt ihnen den Schlaf. Sie fühlen sich von der Bremer Umweltbehörde im Stich gelassen. Am 17. Dezember wurde in Seehausen das damals höchste Bremer Windrad eingeweiht, auf dem Gelände der dortigen Kläranlage. Die Nabenhöhe beträgt 98 Meter, die Rotorblätter ragen bis hinauf zu 142,5 Metern in den Himmel. Zum Vergleich: Der Wesertower am Eingang der Überseestadt macht bei 82 Metern Schluss. Anwohnerproteste und ein Konflikt zwischen SPD und Grünen hatten dafür gesorgt, dass die Windkraftanlage nicht 153 Meter hoch wurde, wie ursprünglich geplant. Am Tag der Einweihung versammelten sich Anlieger mit Transparenten vor der Einfahrt zum Windrad. Unter anderem war darauf zu lesen: "Der erste bewohnte Windpark."
Direkt hinter der Wohnbebauung sind seit vergangenem Herbst drei weitere Anlagen entstanden. Sogar 150 Meter hoch, mit einer Leistung von zusammen 6,9 Megawatt. Gebaut hat die Windräder das Bremer Unternehmen WPD mit Sitz an der Kurfürstenallee, das weltweit nach eigenen Angaben 1400 Anlagen betreibt. Hier verweist man darauf, dass bei Bau und Betrieb alle Grenzwerte eingehalten werden.
Doch das Laufgeräusch ist da. Die Rotorblätter drehen sich an diesem sonnigen Tag mit seinem lauen Wind eher träge. Trotzdem ist das Laufgeräusch zu hören. "Wenn man abends im Zimmer sitzt und liest, bleibt dieses Geräusch. Dabei ist keine Entspannung möglich", sagt die Germanistin Angelika Kutschbach. "Die Fenster können wir nicht mehr öffnen." Hohe Windgeschwindigkeiten an mehreren Tagen im Februar hätten gezeigt, was in der Spitze auf die Anwohner zukomme. Außerdem schildert sie, dass die Schlagschatten die gesamte Wohnung erfassen.
Magenprobleme und Tinnitus
Im November schrieb Angelika Kutschbach an das Ressort von Senator Reinhard Loske. Darin hielt sie fest: "Die neue Belastung sowie die Vorstellung, den Rest meines Lebens mit diesen Geräuschen verbringen zu müssen, löst bei mir massive gesundheitliche Beschwerden aus." Das reicht von Magenproblemen bis hin zu Tinnitus. Sie schrieb von "Monster-Windrädern".
Adda Wolpmann wohnt auf der anderen Seit der Seehauser Landstraße. Wenn sie vom Schlafzimmer aus auf den Balkon tritt, fällt ihr Blick direkt auf das Windrad auf dem Areal der Kläranlage, betrieben von Hansewasser. Die 83-Jährige klagt ebenfalls: "Man kommt nicht mehr zur Ruhe." Sie fürchtet nun unter anderem, dass ihre Mieter ausziehen könnten, wenn ihnen die Stunden auf der Terrasse verlitten werden.
Auf ihren Brief vom November hat Angelika Kutschbach keine Antwort bekommen. "Ich bin nicht gegen Windkraft, absolut nicht", sagt die 53-Jährige, "aber die Menschen sind sich nicht bewusst, welche Belastung es darstellt, Windräder so dicht an die Wohnbebauung zu stellen." Sie will alles unternehmen, um zu erreichen, dass die Räder zumindest nachts zwischen 23 und 6 Uhr abgestellt werden. Und als letzte Option behält sich Angelika Kutschbach den Klageweg vor. Schließlich sei das Recht auf körperliche Unversehrtheit in Seehausen nicht außer Kraft gesetzt.
Umwelt-Ressortsprecher Michael Ortmanns sichert zu, dass Angelika Kutschbach jetzt schnellstmöglich eine Antwort erhalte. Ähnliche Briefe aus der gleichen Zeit seien beantwortet worden, sagt er, dieser sei bedauerlicherweise verloren gegangen. Senator Reinhard Loske (Grüne) schildert die Position des Hauses: "Wir nehmen die Anliegen und Sorgen der Menschen sehr ernst. Die Anlage in Seehausen ist auf dem neuesten Stand der Technik, dies gilt auch für die Minimierung der Belastungen vor allem im Lärmbereich." Loske räumt ein, dass der Platz für Anlagen in Bremen begrenzt ist. "Deshalb setzen wir in der Zukunft an Land vor allem auf Repowering, also den Ersatz alter Windkraftanlagen durch neue, leistungsfähigere." So könne letztlich auch die Gesamtzahl der Anlagen reduziert werden.
"Das Maß ist voll", sagt hingegen die SPD-Kommunalpolitikerin Linda Warnken. Damit erinnert sie daran, dass die Windkraft nicht Seehausens einziges Problem ist. Seit Jahren kommt es wegen der Emissionen immer wieder zu Konflikten mit den Stahlwerken auf der anderen Seite der Weser. Die Stahlwerke investieren aktuell Millionen in technische Neuerungen, um die Belastung der Anwohner zu reduzieren. Kläranlage und Baggergutdeponie sind weitere Aspekte der Seehauser Dauerbelastung. Und in absehbarer Zukunft kommt die A281 hinzu. Bürger klagen dagegen, dass der Wesertunnel für die Autobahn so gebaut wird, dass das Dorf zerschnitten wird.