Die Internationale Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt wird zunehmend zum Klima-Tribunal über die Autoindustrie. Noch nie zuvor waren zu der am Donnerstag in Frankfurt beginnenden Automesse derart massive Proteste angekündigt wie in diesem Jahr. Im Zentrum der Kritik stehen nicht erst seit dem verheerenden Unfall von Berlin-Mitte mit vier getöteten Fußgängern die schweren Stadtgeländewagen – Sports Utility Vehicle (SUV) sagen die Befürworter, „Stadtpanzer“ oder „Klimakiller“ die Gegner. Ob sie herkömmliche Verbrennungsmotoren oder hochpotente Elektroantriebe unter der Haube haben, spielt kaum noch eine Rolle.
„Zu groß, zu schwer, zu klimaschädlich“: Greenpeace kritisiert, SUVs stünden im Widerspruch zum Pariser Klimaschutzabkommen. Erstmalig könnten dieses Jahr mehr als eine Million Neuwagen dieses Typs auf die deutschen Straßen rollen. „Auf der IAA werden Klimakiller gefeiert“, so Sprecherin Marion Tiemann. Die Organisation appellierte an die Hersteller, diese sollten „schleunigst auf kleine, leichte, geteilte E-Autos setzen und Mobilität als Dienstleistung begreifen“.
Der Automobilverband VDA hat bislang versucht, mit den Kritikern ins Gespräch zu kommen. Einem Bürgerforum in Berlin folgt eine weitere Veranstaltung in Frankfurt während der IAA. Längst habe sich die Veranstaltung von einer Automesse hin zu einer Mobilitätsmesse gewandelt, sagt VDA-Präsident Bernhard Mattes. „Wir sind die Plattform für die individuelle Mobilität der Zukunft“, erklärte er am Montag. Das langfristige Ziel bleibe die CO2-neutrale individuelle Mobilität im Jahr 2050, zu dem man jetzt aufbreche.
Die weiter sinkenden Absatzzahlen vom weltgrößten Automarkt China passten am Montag in die angespannte Stimmung. Im August sanken die Verkaufszahlen um 9,9 Prozent zum Vorjahresmonat auf 1,59 Millionen Autos, wie der Branchenverband PCA mitteilte. In der Krise sind die deutschen Hersteller wirtschaftlich noch stärker vom Erfolg ihrer SUVs abhängig. Bei BMW machten sie im August knapp die Hälfte der verkauften Autos aus, selbst in China liefen sie prächtig. Vertriebschef Pieter Nota: „Unsere neuen X Modelle sind bei den Kunden sehr beliebt.“
Deutsche Hersteller bei Elektromodellen weltweit im Hintertreffen
Der VDA verweist auf die hohe Nachfrage der Kunden nach den SUVs. Die Unternehmen sollten statt Klimakillern und Rennlastern besser ein Feuerwerk alternativer Antriebe zeigen, verlangt Jürgen Resch, Chef des Vereins Deutsche Umwelthilfe (DUH). Wegen seiner erfolgreichen Luftreinhalte-Klagen ist er so etwas wie der Lieblingsfeind der deutschen Autoindustrie. Resch sieht die deutschen Hersteller bei den Elektromodellen weltweit im Hintertreffen, verlangt einen SUV-Verkaufstopp und einen Ausstieg aus der Verbrennertechnologie zum 1. Januar 2025. Der tödliche Unfall in Berlin hatte die Debatte über SUVs in den Innenstädten befeuert.
Der Grünen-Politiker Stephan von Dassel, Bezirksbürgermeister in Mitte, twitterte: „Solche panzerähnlichen Autos gehören nicht in die Stadt!“. Der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic kritisierte dagegen eine „emotionslose Instrumentalisierung einer Tragödie für politische Zwecke“. Ein ADAC-Sprecher bezeichnete ein SUV-Verbot als weder umsetzbar noch sinnvoll: Entscheidend für die Sicherheit auf den Straßen sei das „verantwortungsvolle Führen von Kraftfahrzeugen“.
Bremens Umweltsenatorin Maike Schaefer (Grüne) hält die Diskussion für gerechtfertigt, „wie viele SUVs die Stadt verträgt“. Gerade in kleinen Straßen nähmen diese schweren und breiten Autos viel Platz weg, was auch zum Problem für die Rettungsdienste werden könne. Deswegen will sich die Politikerin dafür starkmachen, dass in Bremen die Parkgebühren für SUV-Fahrer erhöht werden. Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, forderte gar eine Obergrenze für die Geländelimousinen in Innenstädten.
Die SUVs sind inzwischen die beliebteste deutsche Fahrzeugklasse. Sie machte laut Kraftfahrt-Bundesamt im August gut 22 Prozent der bundesweiten Neuzulassungen aus. Erstmals fiel die Kompaktklasse in der Statistik auf Platz zwei.
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