Tom Collins, Mojito oder Moscow Mule: Die Brüder Jannik und Joleik Schaffrath haben einen kleinen Küchenhelfer erfunden, der die Zubereitung von Cocktails narrensicher machen soll. Dass nicht jeder so einen Smartmix braucht, wissen sie auch. Doch sie sind überzeugt davon: Viele Gastro-Betriebe könnten von der Anschaffung profitieren. Um auf eine solche Idee zu kommen, muss man schon sehr viele schlechte Mischungen getrunken haben...
Das flache Gerät erinnert optisch an einen Design-CD-Player. Die Anwendung ist erklärungsbedürftig, denn etwas wie den Smartmix hat es noch nicht gegeben: Das Display mit Touchscreen auf der linken Seite ist das digitale "Kochbuch" mit den Rezepturen und den jeweiligen Schritt-für-Schritt-Anleitungen. Der leuchtende Kreis auf der rechten Seite ist die Präzisionswaage, mit der die Zutaten im Glas millilitergenau abgewogen werden. Die „Schüttel-Timer"-Funktion gibt ein Lichtsignal, wenn die Mixtur perfekt temperiert und emulgiert ist.
Ein Jahr lang haben die beiden an ihrer Erfindung getüftelt. Vertrauensvorschuss und den nötigen finanziellen Spielraum bot das Exist-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Ende 2019 war der Prototyp vollendet - die Brüder hatten ihn in der eigenen Garage aus Acrylplatten gefräst.

Links das Display, rechts die Präzisionswaage: der Smartmix.
Die beiden Schaffraths, geboren und aufgewachsen in Oldenburg, verstehen sich gut. Beruflich ergänzen sie sich optimal. Jannik Schaffrath, 36, ist der Techniker im Unternehmen. Der studierte Maschinenbauer hat den Smartmix entwickelt, konstruiert und programmiert. Der vier Jahre jüngere Joleik hat nach einer Karriere als professioneller Basketballspieler die kaufmännische Branche gewählt und übernimmt Vertrieb und Marketing. Der Smartmix wird inzwischen in Hude montiert. Bis auf Halbleiter-Komponenten und Displays, die importiert werden müssen, stammen alle Einzelteile aus der Region: Metall, Kunststoff und Platinen kommen aus einem Umkreis von zwanzig Autominuten. „Darauf sind wir richtig stolz“, sagt Joleik.
Zusammengenommen bilden alle Teile ein robustes, hochwertiges Produkt mit solidem Edelstahlkorpus, das allen Belastungen im Profi-Betrieb standhalten soll. Viele klassische Cocktailrezepte sind standardmäßig gespeichert, individuelle Eigenkreationen können hinzugefügt werden. Die integrierte Messeinrichtung registriert die Ausschankmengen – praktisch für die Inventur, sagen die Schaffraths. Was den genauen Preis für den Smartmix angeht, halten sie sich bedeckt. Ungefähr im Thermomix-Bereich (rund 1500 Euro) soll er liegen.
Im Februar 2020 war der Smartmix serienreif und wurde der Fachwelt auf der Gastro Ivent in den Bremer Messehallen vorgestellt. Die Reaktionen waren genau wie erwartet: „Die einen sagten: Braucht kein Mensch”, erzählt Jannik Schaffrath. Aber es gab auch die anderen, die das Potenzial erkannten. Das Gastronomenpaar, das teure Cocktail-Kurse besucht hatte, um danach festzustellen: Die tollsten Rezepte halfen nichts, weil es das Personal im trubeligen Alltag nicht ganz so genau nahm. „Dann sahen die Cocktails jedes Mal unterschiedlich aus und schmeckten auch immer anders", erklärt Joleik. Das neue Budget-Hotel, das in seine Bar investierte. Die Café-Besitzerin aus der Region, die ihren Umsatz durch eine kleine Cocktailkarte steigern wollte. Unterm Strich: Überall dort, wo Cocktails nicht das Spezialgebiet sind, und das ausgebildete Personal fehlt, soll der Smartmix die Arbeit erleichtern und für verlässliche Qualität sorgen.
Auf die Kritik der Barkeeper-Fraktion hatten sich die Brüder eingestellt. Doch sie betonen immer wieder: Die „Künstler hinterm Tresen”, die ihr Handwerk wirklich verstehen, wolle man auf keinen Fall ersetzen. Denn für sie haben die beiden höchsten Respekt. Was einen richtig guten Cocktail von mittelmäßigen und schlechten Varianten unterscheidet, können die beiden schon ganz gut herausschmecken. Im günstigsten Fall werden Zutaten nicht richtig dosiert oder verwechselt, im ungünstigeren ploppt hinterm Tresen der Kronkorken einer billigen Fertigmischung. „Richtig fies” sei, was er bei einem Besuch in Florida erlebte, berichtet Joleik: „In vielen Bars wurden Cocktails aus Instant-Pulvern serviert.”
Mit ihrem Start-Up waren sie zunächst in den Creative Hubs im Bundeswehrhochhaus und an der Martinistraße untergekommen. Seit Anfang September ist das ehemalige Verwaltungsgebäude im Hag-Quartier die Firmenzentrale. Großzügige 80 Quadratmeter, die sie künftig nicht nur ihrem Smartmix widmen wollen. Denn: Einen schlechteren Zeitpunkt, um eine Innovation für die Gastrobranche auf den Markt zu bringen, gab es nicht. „Es gab viel Interesse, auch von großen Ketten. Aber mit der Pandemie wurden alle Investitionen gestoppt”, sagt Joleik. „Spätestens im November 2020 war uns klar: Mit dem Smartmix allein können wir nicht überleben.” Doch in anderen Branchen hatte sich bereits herumgesprochen, dass die Brüder für ungewöhnliche Aufträge zu haben sind. „Wir haben mittlerweile die verschiedensten Produkte entwickelt, von der originellen Hundeleine bis zu elektronischen Geräten im Smart Home-Bereich”, berichtet Jannik.
In den neuen Räumen wollen sie ein modernes Ingenieurbüro aufbauen, sie sind inzwischen schon aktiv auf der Suche nach Mitarbeitern. Das gemeinsame Produktentwicklungs-Unternehmen firmiert unter dem Namen „J2S”, und wurde vom Nebenerwerb zum Hauptstandbein. „Eigentlich machen wir inzwischen genau das, was uns richtig Spaß macht”, sagt Jannik. Doch nun solle auch der kleine digitale Bartender wieder verstärkt unter die Leute gebracht werden, sagt Joleik, der gerade von einer Dienstreise nach Amsterdam und Kopenhagen zurückgekehrt ist. „Auch dort berichteten viele Gastronomen, wie schwierig es ist, versiertes Personal zu finden", erzählt er. „Der Smartmix kam dort super an.”