Aus heutiger Sicht wirkt die letzte Jahrespressekonferenz der Bremer Landesbank wie eine Farce. Von einer „gestärkten Substanz“ redet der inzwischen zurückgetretene Vorstandschef Stephan-Andreas Kaulvers an jenem 19. April 2016.
Und davon, dass der im Vorjahr erzielte Gewinn von fünf Millionen Euro das „Leistungsvermögen der Bank“ unter Beweis stelle.
Das Leistungsvermögen? Wie man heute weiß, war das angeblich so substanzhaltige Finanzinstitut wenige Wochen später faktisch pleite. Als Retter sprang die NordLB ein – die im Gegenzug vom Land Bremen dessen 41-prozentigen Anteil überschrieben bekam. Inzwischen gehen die neuen Verantwortlichen für 2016 von einem Verlust im hohen dreistelligen Millionenbereich aus. Ein einziges Desaster. Wenn nun das alte Jahr zu Ende geht und ein neues anbricht, stellen sich mit Blick auf das Debakel der Bremer Landesbank zwei Fragen: Wie konnte es soweit kommen? Und wie soll es nach dem GAU jetzt weitergehen?
In der Rückschau fällt auf, dass sich das öffentlich gezeichnete Bild von der Bremer Landesbank in den vergangenen Jahren immer weiter von der Realität entfernte. Zu den vermeintlichen Gewissheiten gehörte zum Beispiel das Mantra, die BLB habe „nie krumme Geschäfte gemacht“, wie der Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel noch im Frühjahr behauptete. Ähnlich äußerte sich auch Kaulvers gern: „Wir machen kein Geschäft, das wir nicht inhaltlich und vom Risiko her vollständig verstehen.“
Tickende Zeitbombe in Form von „Credit Default Swaps“
Die Wirklichkeit sah anders aus: In den Bilanzen der BLB fanden sich zwischenzeitlich sogenannte „Credit Default Swaps“ im Umfang von bis zu vier Milliarden Euro. Das sind Papiere, die der bekannte Investor Warren Buffett einmal als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnete. Sie funktionierten zum Beispiel so, dass sich internationale Spekulanten bei der BLB gegen die Pleite britischer Banken versichern konnten. Es war wohl in erster Linie Glück, dass diese Zeitbombe nie platzte.
Auch was die gigantischen Bestände an ausfallgefährdeten Schiffskrediten angeht, wurde der Ernst der Lage bis zuletzt allenfalls angedeutet. So meinte Kaulvers auf besagter Pressekonferenz im vergangenen April: „Vor dem Hintergrund der hohen Aufwendungen, die mit der Reduzierung des Schiffsportfolios verbunden sind, können wir nicht ausschließen, dass es 2016 zu einem Verlust kommen wird.“ Wenige Wochen später erfuhr die verdutzte Öffentlichkeit: Die „nicht auszuschließenden“ Verluste sind in Wirklichkeit so gewaltig, dass sie einen großen Teil des Eigenkapitals – Ende 2015 waren dies 1,9 Milliarden Euro – auf einen Schlag auslöschten.
Was hat die Diskrepanz zwischen Dichtung und Wahrheit nun mit Blick auf die Zukunft des Geldinstituts zu bedeuten? Wenn man die Äußerungen der vergangenen Monate richtig deutet, dann soll rund um die BLB offenbar eine neue Erzählung geflochten werden – nämlich die, dass die Bank zumindest abseits des Schiffsgeschäfts hervorragend dastehe. Von einer Ertragslage auf „stabil hohem Niveau“ sprach im Frühjahr der alte Vorstandschef Kaulvers. Und von einer „starken Marktposition“ im Herbst sein Nachfolger Christian Veit. Ähnlich drückte sich der niedersächsische Finanzminister und NordLB-Aufsichtsratschef Peter-Jürgen Schneider jüngst gegenüber dem WESER-KURIER aus: Die Bremer Landesbank verfüge „über eine sehr gute regionale Stellung – sowohl bei Unternehmen als auch im Privatkundengeschäft“.
Privatkundengeschäft die mit Abstand kleinste Sparte
Doch ist das wirklich so? Als lukrativste Segmente für Banken in Deutschland gelten momentan das Firmenkundengeschäft und die private Baufinanzierung. Angesichts der starken Fokussierung auf Schiffskredite und sonstige „Spezialfinanzierungen“ spielen die beiden Bereiche bei der BLB allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Während das Firmenkundengeschäft Ende 2015 auf ein Volumen von immerhin fünf Milliarden kam, waren das gesamte Privatkundengeschäft mit 1,2 Milliarden Euro die mit weitem Abstand kleinste Sparte. Zum Vergleich: Die Bremer Sparkasse kommt in den beiden Segmenten zusammen auf 8,8 Milliarden Euro – und das, obwohl die BLB insgesamt fast dreimal so groß ist.
Das Ergebnis dieser Fehlgewichtung ist, dass die Achtungserfolge, die die BLB zuletzt im Firmenkundengeschäft erzielte – 2015 blieben unterm Strich 66 Millionen Euro hängen – im Vergleich zu den Horrorverlusten im Schiffsgeschäft kaum ins Gewicht fallen. Dieser Befund gilt umso mehr für das Privatkundengeschäft, wo der Gewinn in den vergangenen Jahren mit einer Ausnahme nur im jeweils einstelligen Millionenbereich lag. Vom privaten Bauboom profitiert die BLB praktisch überhaupt nicht.
Was den neuen Vorstandschef zudem sorgen sollte, ist die extreme Abhängigkeit der Bremer Landesbank vom Zinsgeschäft. In den vergangenen Jahren war der „Zinsüberschuss“ (also der Gewinn aus Krediten) stets rund zehnmal so hoch wie der „Provisionsüberschuss“ (also der Gewinn aus Gebühren). Bei kaum einer anderen deutschen Bank ist diese Relation derart krass. Auch hier bietet sich der Vergleich zur Bremer Sparkasse an. Bei der lag das Verhältnis zuletzt bei etwa viereinhalb zu eins. Da die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank dazu führt, dass die Zinserträge praktisch aller Finanzinstitute unter Druck geraten, ist fraglich, woher die Erträge der BLB in Zukunft überhaupt noch kommen sollen.
Vollständige Integration
Wie die Zukunft des einst stolzen Instituts aussieht, hat NordLB-Aufsichtsratschef Schneider im WESER-KURIER-Interview ziemlich unverblümt skizziert: Es geht um nichts anderes als die „vollständige Integration“ der BLB in den Mutterkonzern aus Hannover. Dazu gehört, dass der Vorstand der NordLB ein „Weisungsrecht“ erhält, das wiederum durch einen „Beherrschungsvertrag“ unterfüttert wird. Die Bremer Landesbank bleibt also nur dem Namen nach erhalten, geht de facto aber in der NordLB auf. Bezeichnend: Von den künftig zwölf Aufsichtsräten soll das Land Bremen nur noch einen bestimmen.
Schneider zufolge dürfte der größte Teil des Schiffsportfolios und auch der anderen „Spezialfinanzierungen“ künftig von Hannover aus gemanagt werden. Das wirft die Frage auf, wie viele der 1100 Arbeitsplätze die BLB überhaupt noch benötigt. Ein Fünftel der Jobs könnten verschwinden, hieß es zuletzt – eine Zahl, die Schneider zumindest nicht dementierte. Stattdessen betonte er, dass „Synergien gehoben“ und „Kosten eingespart“ werden sollen. Kein Zweifel: Ein Zurück zu alter Größe wird es für die Bremer Landesbank nach dem Horrorjahr 2016 nicht mehr geben.