Lehrjahre sind keine Herrenjahre! Diesem Motto war ein ganzes Buch von Comic-Figur Werner Brösel gewidmet, der bei Meister Röhrich im Sanitärbetrieb arbeitete. Ob der Spruch auch im 21. Jahrhundert noch gültig ist, werden ab dem heutigen Dienstag mehr als 3000 Azubis in Bremen und Bremerhaven im Alltag erfahren können. Denn sie starten zum Stichtag 1. August ihre Ausbildung. Was sie jetzt schon sehen können, ist, wie unterschiedlich hoch die Ausbildungsvergütungen sind. Da gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen und auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern, wenn es um das Geld geht, das sie erhalten.
Das gewerkschaftsnahe Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf hat die tariflichen Ausbildungsvergütungen von 27 verschiedenen Berufsgruppen verglichen. Das Ergebnis: Die tarifvertraglich geregelten Ausbildungsvergütungen fallen je nach Branche und Ausbildungsjahr sehr unterschiedlich aus. Die Spannbreite reicht von 570 Euro monatlich im Kfz-Handwerk in Thüringen im ersten Ausbildungsjahr bis zu 1580 Euro im westdeutschen Bauhauptgewerbe im vierten Ausbildungsjahr.
Unterschiedliche Gehälter
Beim Vergleich zwischen den einzelnen Bundesländern zeigen sich ebenso unterschiedliche Gehälter. Der Kfz-Mechatroniker im ersten Lehrjahr in Thüringen stellt mit 570 Euro pro Monat das Schlusslicht von allen Bundesländern dar. In Bremen erhalten die Azubis im ersten Lehrjahr 605 Euro laut Tarif. Spitzenreiter sind die Kfz-Mechatroniker in Baden-Württemberg. Sie erhalten jeden Monat im ersten Lehrjahr laut Tarif 774 Euro – 28 Prozent mehr als die Bremer Kollegen. Ein Friseur im ersten Lehrjahr erhält gerade mal 400 Euro pro Monat, ein Bankazubi im ersten Lehrjahr dagegen 976 Euro pro Monat.
Dass die Ausbildungsvergütungen in den verschiedenen Berufsgruppen so unterschiedlich sind, sei auch historisch bedingt, wie Andreas Pieper erläutert. Der Sprecher vom Bonner Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) sagte: „Im Handwerk haben wir ja Berufe mit jahrhundertelanger Tradition. Und dort handelt es sich eher um kleine Betriebe mit einem bis 15 Mitarbeitern. Dagegen haben Sie in Industrie und Handel eher größere Unternehmen. Und die konnten es sich eben leisten, immer mehr zu zahlen als die kleinen Handwerksbetriebe.“ Beim Beispiel Bankazubi nennt Pieper aber auch ein anderes Kriterium: „Banken erwarten von ihren Azubis oft, dass diese Abitur haben. Auch das kann sich in den Ausbildungsvergütungen niederschlagen.“
2900 Ausbildungsverträge für Bremen
Wenn es denn dann auch genug Azubis gibt. So hat beispielsweise die Sparkasse Bremen gerade erst in den vergangenen Wochen noch offene Ausbildungsverträge geschlossen. Nach Stand Ende Juli sind es bei der Bremer Handelskammer für das Land Bremen derzeit 2900 Ausbildungsverträge. Aber es werden für den Ausbildungsbeginn zum 1. September noch weitere Verträge geschlossen. „Wenn es so läuft, erreichen wir dann das Vorjahresniveau“, sagte Ausbildungsberater Jürgen Förstermann. Wie viele junge Menschen im Handwerk eine Ausbildung beginnen, lässt sich derzeit noch nicht sagen, da laut Handwerkskammer auch hier noch einige hundert Verträge noch bearbeitet werden müssen. 2016 waren es zum Jahresende 1150 Verträge.
Zum einen ziehen die Abiturienten ein Studium vor, zum anderen „schlägt hier der demografische Wandel voll durch“, wie BIBB-Sprecher Andreas Pieper erläutert. „Einige Branchen haben inzwischen wirklich Probleme, beruflichen Nachwuchs zu finden, beispielsweise in der Hotelbranche. Außerdem gucken die jungen Leute genau auf die Qualität. Und da zieht es die jungen Leute tendenziell immer mehr zu mittelständischen Unternehmen.“
Diverse Firmen zahlen schon übertariflich
Dass es daher auch bereits Betriebe gibt, die übertariflich zahlen, zeigt zum Beispiel die Atlantic Hotelgruppe so. Die Kette bietet ab dem zweiten Lehrjahr übertarifliche Bezahlung an. Außerdem erhalten Azubis eine Prämie in Höhe von 1000 Euro. Das Geld ist dazu gedacht, um damit beispielsweise den Führerschein zu finanzieren. Im Atlantic Hotel an der Galopprennbahn arbeitet Marie Henke und ist ab diesem Dienstag im dritten Lehrjahr.
Laut dem Tarif würden ihr nun 820 Euro zustehen. Unabhängig vom Gehalt hat die 18-Jährige, die aus der Nähe von Osnabrück kommt, ihren Traumberuf gefunden: „Die Konfirmation meiner Schwester feierten wir damals in einem Hotel. Damals war ich 15 Jahre alt und habe gesehen, wie das dort funktioniert. Das fand ich sehr interessant, habe daraufhin mein Praktikum im Hotel gemacht, und dann war mir klar, dass das mein Beruf sein wird.“
Im ersten Jahr hat sie ein älterer Azubi an die Hand bekommen, der ihr beim Start geholfen hat. Mit diesem System hat das Hotel, das etwa 20 Azubis hat, gute Erfahrungen gemacht neben vielen weiteren internen und externen Fortbildungen. Und ab jetzt ist Marie Henke Patin für zwei neue Azubis, während sie selbst in ihrem letzten Lehrjahr an der Rezeption, im Büro, dem Veranstaltungsmanagement und der Personalabteilung arbeiten wird. Ihr Tipp für alle, die ihre Ausbildung nun anfangen werden: „An alle Dinge ganz offen herangehen. Die ersten Tage sind manchmal schwierig, weil man sich erst einleben muss, aber man findet superschnell viel Freude im Team und an der Arbeit.“