Die Nachricht klingt verheißungsvoll. 2017 waren so viele Bremer wie nie in Arbeit. Mehr als 325.000 Menschen im Land waren im vergangenen Jahr sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wobei die Freude darüber durch die Tatsache getrübt wird, dass die hohe Arbeitslosigkeit in Bremen gleichwohl nur gering gesunken ist.
Die Zahlen im aktuellen Bericht der Arbeitnehmerkammer zeigen zudem, dass der Rekord nicht auf die für die hiesige Wirtschaft wichtige Industrie zurückgeht. Im verarbeitenden Gewerbe sank die Zahl der Beschäftigten sogar um 1,3 Prozent. Prognosen der IG Metall zufolge verdüstert sich das Bild vor allem für Mitarbeiter in der Automobilindustrie.
Denn laut der Gewerkschaft ist wegen der Umstellung auf den einfacher zu produzierenden Elektroantrieb fast jeder zehnte Job bis 2030 gefährdet. Sollte der Anteil an E-Autos bis dahin auf 25 Prozent steigen, brauche man in Deutschland neue Arbeit für rund 70.000 Mitarbeiter in der Branche, sagte Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, im Interview mit dem „Manager-Magazin“.
Im französischen Hambach will Mercedes in großem Stil in Elektroantriebe investieren. 500 Millionen Euro sollen dort in die Produktion eines kompakten Fahrzeugs der Marke EQ fließen: unter anderem auch in neue Hallen mit hochmoderner Technologie. Das gab der Autobauer am Freitag bekannt. „Jetzt gehen wir den nächsten Schritt und bringen erstmals in unserer über 100-jährigen Geschichte die Produktion von Mercedes-Benz nach Frankreich“, sagte dazu Dieter Zetsche, Vorstandschef der Daimler AG und Leiter von Mercedes
-Benz Cars. Bisher wurden am Standort nämlich nur Fahrzeuge der Marke Smart produziert – unter anderem auch zwei Modelle mit alternativem Antrieb. Die Erfahrung der Mitarbeiter mit E-Autos in Hambach will Mercedes nun nutzen. Das Werk soll in Millionenhöhe für einen elektrischen Mercedes fit gemacht werden.
Und wie stark beteiligt der Konzern das Werk in Bremen an seiner Elektro-Offensive? Am Standort läuft immerhin das erste Elektrofahrzeug der neuen Marke EQ von Band. Da Bremen als sogenanntes Lead-Werk für die C-Klasse weltweit Maßstäbe setzt, ist es nicht verwunderlich, dass der EQC hier 2019 seine Premiere feiert und erst danach in Peking. Dafür können in Bremen bereits bestehende Plattformen genutzt werden.
"Wir wissen, dass etwas kommt"
Insgesamt will Mercedes-Benz Cars in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro in den Ausbau seiner Elektroflotte stecken. Derzeit ist nicht bekannt, wie viel Daimler davon in Bremen investieren will. Die letzte Zusage für das Werk gab es 2015: Damals hieß es, man wolle bis 2020 die Summe von 750 Millionen Euro in Sebaldsbrück ausgeben. „Bremen hat die Ehre, den ersten EQ zu bauen“, so ein Sprecher des Unternehmens. Doch in welchem Umfang der vollelektrische SUV im Anschluss hier produziert wird, hängt von der Nachfrage ab. Weitere EQ-Modelle sollen in Rastatt, Sindelfingen und im amerikanischen Tuscaloosa gebaut werden.
Wer welchen Anteil an der neuen Technologie hat, dafür werden bei Mercedes also nun die Weichen gestellt. Noch ist unklar, was sie dann für die Arbeitsplätze vor Ort bedeutet. Ola Källenius, Entwicklungsvorstand bei Daimler, verglich die Elektromobilität einst mit einer Flasche Ketchup: „Wir wissen, dass etwas kommt. Aber wir wissen nicht, wann und wie viel es sein wird.“
Aufgrund des zunehmenden Wandels fordert IG-Metall-Chef Hofmann, dass die Konzerne ihre Mitarbeiter unterstützen. „Sie müssen ihre Beschäftigten weiterbilden, ihnen berufliche Neuorientierung ermöglichen, Personalentwicklung nicht nur für Führungskräfte betreiben“, sagte er im Interview. Es gehe darum, die „Mannschaft auf die Transformation“ vorzubereiten.
Vor zwanzig Jahren Rekordniveau
Die Arbeitnehmerkammer Bremen plädiert zudem dafür, dass Politik, Wissenschaft, Gewerkschaften und Unternehmen in eine Diskussion gehen. Was passiert mit den Beschäftigten im Zuge der Digitalisierung? Diese Frage sollten die Akteure aufgreifen, sagt die Geschäftsführerin Elke Heyduck. „Die Politik sollte diese Entwicklung begleiten.“ Betroffen seien in Bremen schließlich nicht nur viele Beschäftigte direkt in der Automobilindustrie, sondern auch bei den Zulieferern.
Vor zwanzig Jahren arbeiteten im Werk in Bremen mehr als 17.000 Menschen. Das war ein Rekordniveau. Heute sind es 12.500. Die Frage ist, wie die Zukunft der Automobilproduktion bei Mercedes aussieht? Derzeit entsteht am Hauptsitz in Sindelfingen die „Factory 56“. Die Halle soll weltweit Maßstäbe setzen. Noch ist offen, wie viele Menschen in der Fabrik benötigt werden.