„Es werden dann mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die nicht mehr in die USA exportierten Mengen Stahl ihren Weg nach Europa finden“, sagte der Chef des zweitgrößten deutschen Stahlherstellers Salzgitter, Jörg Fuhrmann, nach einem regionalen Spitzentreffen der Branche. Die EU-Kommission müsse entsprechende Handelsschutzmaßnahmen ergreifen und für bestimmte Länder Quoten festlegen. Bei einer Überschreitung würden dann Zölle anfallen.
Auch der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, sprach von einer massiven Bedrohung für die europäische Stahlindustrie und forderte EU-Reaktionen. Er warnt ebenfalls, dass die nicht mehr auf den US-Markt gelangenden Stahlmengen auf den EU-Markt drängen könnten. „Das sind möglicherweise mehr als 13 Millionen Tonnen, das wäre eine Steigerung der Importmenge in Europa um 40 Prozent.“
Auf Initiative von Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) hatten Vertreter betroffener Unternehmen, Verbände und Gewerkschaften über Auswirkungen und Konsequenzen für den heimischen Markt beraten. „Die Stahlindustrie und die Landesregierung sind sich einig, dass die Erhebung einer Importquote ein geeigneter Weg sein könnte, um mit den USA eine Verständigung über den weiteren Weg zu erzielen“, so der Minister. Die USA seien der siebtgrößte Exportpartner des Stahlstandorts Niedersachsen mit seinen rund 14.000 Mitarbeitern. Sie erzeugen jährlich sieben Millionen Tonnen Rohstahl, die 17 Prozent zur deutschen Produktion beitragen.
Arcelor-Mittal prüft Auswirkungen
Der in Bremen bei Arcelor-Mittal produzierte Flachstahl wird wohl nicht von den Zöllen betroffen sein. „Unsere deutschen Standorte produzieren vor allem für den deutschen und europäischen Markt“, sagte eine Sprecherin. Doch auch hier bereitet man sich auf neue Konkurrenz vor: „Wir prüfen die Auswirkungen, die die angekündigten Maßnahmen auf unser Unternehmen und die weltweite Stahlindustrie haben könnten.“ Das betreffe auch die Bewertung von umgeleiteten Importen in die EU. In Bremen sind 3400 Mitarbeiter bei Arcelor-Mittal tätig.
Die Beschäftigten in der niedersächsischen Branche seien in Sorge, meinte Thorsten Gröger von der IG Metall Niedersachsen. Es gehe nicht nur um die 14.000 Mitarbeiter der Branche, sondern auch um die gut 300.000 Beschäftigten in der verarbeitenden Industrie, die sich über eine mögliche Eskalation Gedanken machten. Das gelte gerade auch wegen der dann auf den Markt schwemmenden Überkapazitäten.
Gröger: „Wir reden da von Größenordnungen, die der Jahresleistung von Ländern wie Japan, Frankreich oder Kanada entsprechen.“ Auch ein Sprecher von Arcelor-Mittal Bremen teilte dazu mit, dass die Stahlindustrie in den letzten Jahren durch Überkapazitäten, hohe Importe und unfairen Handel gekennzeichnet gewesen sei. Daher müsse eine Lösung gefunden werden, um die noch vorhandenen hohen Überkapazitäten abzubauen. Das sei angesichts des weltweit gehandelten Stahls besonders wichtig.
Eine Überschwemmung des EU-Binnenmarktes drohe jedoch weniger durch China als durch andere Anbieter aus Indien, Südkorea, der Türkei und der Ukraine, so Salzgitter-Chef Fuhrmann. „China ist nicht mehr das Hauptthema, das hat sich praktisch erledigt“, sagte er. Die direkten Folgen durch die US-Zölle seien überschaubar. „Sie sind nicht so, dass wir unsere Jahresprognose für 2018 ändern müssten“, meinte er. Der Stahlproduzent erzielte 2008 einen Gewinn vor Steuern von rund 238 Millionen Euro.