An diesem Donnerstag wird die Bremer Industrie regelrecht ausgebremst: Die Gewerkschaft ruft zum Küstenaktionstag auf. Sie wollen mit dem Warnstreik den Druck in den Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie erhöhen. Es soll Demonstrationen in 21 Städten geben. Warum ist das nötig?
Daniel Friedrich: Weil die Arbeitgeber beim Geld immer noch mauern. Es liegt von ihnen ein Angebot vor, mit dem die Beschäftigten Reallohnverluste hinnehmen müssten. Außerdem wollen die Arbeitgeber die Möglichkeit bekommen, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu kürzen, wenn es dem Betrieb schlecht geht. Das ist beides inakzeptabel. Wir brauchen darum den Druck der Mannschaft.
Auf der Gegenseite führt für Nordmetall Lena Ströbele die Verhandlungen. Die Managerin von Lürssen hat Ihnen beiden im Interview mit dem WESER-KURIER eine gewisse "norddeutsche Gelassenheit" attestiert. Wie steht es darum nach drei gescheiterten Verhandlungsrunden?
Ich bin immer für einen ordentlichen Umgang miteinander und Klarheit in der Sache. Und da müssen wir einfach feststellen: Wir kommen zurzeit nicht zueinander. Wenn auf dem Lohnzettel für die Kollegen ein Minusgeschäft rauskommt, dann ist bei mir keine Gelassenheit mehr da, sondern Aktionsbereitschaft gefragt.
Ob Mercedes, Rheinmetall, Atlas Elektronik, Airbus, Ariane, Thermo Fisher oder Lürssen – es sind Beschäftigte all dieser Betriebe zum Streik aufgerufen. Welche Stimmung nehmen Sie in den Belegschaften wahr?
Es ist schon eine aufgeregte Zeit. In der Wirtschaft hat sich die Lage in den letzten Monaten nicht verbessert. Die Kolleginnen und Kollegen haben aber nach Jahren mit Einkommensverlusten durch die Inflation zurecht hohe Erwartungen. Wir haben Nachholbedarf. Die genannten Firmen sind weit von irgendwelchen Krisenmeldungen weg. Einige Beschäftigte sind auch sauer, dass mancher Arbeitgeber jetzt einen radikalen Personalabbau vorsieht, obwohl gerade noch Rekordergebnisse erreicht wurden.
In Bremen soll es die größte Aktion geben mit der Kundgebung am Osterdeich. Welche Beteiligung wird erwartet? Und ist mit Verkehrsbehinderungen zu rechnen?
Ja. Die Menschen kommen aus den Werken in drei Demonstrationszügen zur Kundgebung. In der Zeit ist also davon auszugehen, dass die Straßen voll mit vielen Kolleginnen und Kollegen sein werden. Bremen ist eines der industriellen Herzen im Norden. Die Belegschaften treten hier mit stolz für die Sache ein. Ich rechne von daher mit großer Beteiligung, weil die Menschen auch zeigen wollen: Wir lassen uns nicht mit Almosen von den Arbeitgebern abspeisen.
Am Montag wird in Hamburg weiterverhandelt. Wie optimistisch sind Sie, dass es eine Einigung geben wird?
Ich bin im Moment skeptisch. Wir haben in einigen Punkten eine Fantasie, wie eine Lösung aussehen könnte, wenn das Gesamtpaket denn stimmt. Aber gerade bei der Einkommenserhöhung sind die Fronten auf der Arbeitgeberseite verhärtet. Ich habe zwei Anträge für die Nacht vorbereitet. Einer sieht vor, bei einem Tarifabschluss das Ergebnis auf alle Beschäftigten zu übertragen. Der andere Antrag sieht vor, in Betrieben gezielt in den 24-Stunden-Streik zu gehen, wenn die Hardliner unter den Arbeitgebern nicht anders zu überzeugen sind.
Wie weit liegen Sie derzeit auseinander?
Die Arbeitgeber bieten eine Erhöhung unterhalb des Inflationsausgleichs an. Wir fordern sieben Prozent auf zwölf Monate. Dazwischen muss also eine Lösung gefunden werden. In der Frage der Ausbildungsvergütung etwa gibt es gemeinsame Ideen. Da ist Bewegung zu spüren. In der Geldfrage hört die Fantasie aber auf.
Es könnte also zum Arbeitskampf kommen?
Ja. Wir sind bereit für einen fairen Kompromiss. Wenn die Arbeitgeber das aber nicht sind, bleibt uns nur der Druck der Straße.
Es geht um viel. Im Norden soll ein Pilotvertrag für alle vier Millionen Beschäftigten verhandelt werden. Warum hat die IG Metall Küste erstmals die Federführung in der Tarifauseinandersetzung?
Das ist ein Novum. Wir teilen diese Aufgabe mit den Kolleginnen und Kollegen in Bayern. Darin steckt eine Wertschätzung für unsere Arbeit. Es spielt dabei auch eine Rolle, dass wir wirtschaftlich eine stabilere Situation haben als in anderen Regionen. Die IG Metall vertritt hier außerdem kampfstarke Belegschaften, die für ihre Position einstehen können.
Donald Trump hat die Wahl in den USA gewonnen. Zugleich kriselt es in der Bundesregierung. Wie schauen Sie derzeit nach Berlin?
Die Menschen verlangen von der Politik Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit. Das lässt sich beim Blick nach Berlin so nicht feststellen. Wir können viele Herausforderungen in der Wirtschaft nicht über Tarifpolitik lösen: Wie stärken wir die Industrie? Wie können wir Energie günstiger machen? Wie schaffen wir eine Perspektive für Beschäftigte? Dafür brauchen wir eine funktionierende Regierung. Diese Hängepartie derzeit tut keinem gut. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den USA zeigt: Wir brauchen jetzt ein starkes Europa –und dafür braucht es ein starkes Deutschland.
Das Gespräch führte Lisa Schröder.

Daniel Friedrich ist Bezirksleiter der IG Metall Küste, die in dieser Tarifauseinandersetzung neben Bayern die Federführung hat.