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Wäschereien in der Corona-Krise "Unsere Branche hat man vergessen"

Private Wäschereien versorgen rund 95 Prozent aller Krankenhäuser und 60 Prozent aller Pflegeeinrichtungen mit hygienischen Textilien. Trotzdem wurde die Branche nicht als systemrelevant eingestuft.
26.08.2021, 19:14 Uhr
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Von Peter Hanuschke

Ohne sie hätten Intensivstationen und Altenheime ein Problem – sie hätten keine saubere Wäsche und saubere Bekleidung. Trotzdem wurden Wäschereien und Textilreinigungen nicht als systemrelevant eingestuft. "Unsere Branche hat man vergessen", sagt Udo Reineke, Inhaber der Wäscherei und Reinigung Reineke in Lilienthal. "Dabei leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Grundversorgung."

Trotz der "sicheren" Kunden aus dem Gesundheitswesen hat die Corona-Pandemie die Textilreinigungsbranche insgesamt hart getroffen. "Das Gesundheitswesen macht ja nur einen Teil unserer gewerblichen Kunden aus, und nicht jede Wäscherei hat Krankenhäuser und Altenheime als Kunden", so Reineke. "Die Umsätze waren bei uns über Monate um 80 Prozent eingebrochen, bei vielen Kollegen war es noch mehr, weil das Geschäft mit Hotels und dem Gaststättengewerbe über lange Zeit komplett weggebrochen war, und auch im Bereich Reinigung für Privatkunden gab es erhebliche Einbrüche." Dafür habe das Homeoffice gesorgt – beziehungsweise sorge immer noch dafür. Der private Kunde lasse seltener beispielsweise Businesskleidung reinigen, weil er sie seltener trage.

Private Wäschereien und textile Dienstleistungsunternehmen stemmen laut dem Deutschen Textilreinigungs-Verband die Versorgung von rund 95 Prozent aller Krankenhäuser und 60 Prozent aller Pflegeeinrichtungen in Deutschland mit hygienischen Textilien. Vergeblich hatte sich der Verband bei der Bundesregierung schon während der ersten Corona-Welle dafür eingesetzt, die Branche als systemrelevant einzustufen, um Mitarbeitern den Zugang zu Kindernotbetreuung und Schutzausrüstung zu erleichtern. Denn auch wenn das Risiko, sich durch den Umgang mit kontaminierter Wäsche anzustecken, als gering eingeschätzt werde, müssten Vorsichtsmaßnahmen in den Betrieben getroffen werden, argumentierte der Verband. Außerdem hätte er sich auch ein bisschen Anerkennung für die Branche gewünscht.

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"In der öffentlichen Wahrnehmung hat unsere Branche überhaupt keine Rolle gespielt, da ging es mehr darum, wann das Friseurgeschäft wieder öffnet", so Reineke. "Das lag wahrscheinlich auch daran, weil wir immer öffnen konnten, was aber nicht alle Unternehmen gemacht haben, weil es sich einfach nicht gelohnt hat." Ein geschlossener Laden über einen gewissen Zeitraum sei manchmal günstiger als ein geöffneter, der keinen Umsatz mache. Reineke hat sich fürs durchgängige Öffnen entschieden. "Das waren wir unseren Kunden gegenüber schuldig. Wir haben aber auch den Vorteil, dass wir sowohl Gewerbekunden als auch Privatkunden in Bremen und Niedersachsen haben sowie neben der Reinigung eine Wäscherei."

In welchem Umfang die Krise Insolvenzen in der Textilreinigungsbranche nach sich ziehen wird, ist dem Verband noch nicht bekannt: "Derzeit liegen uns keine Angaben über Geschäftsschließungen von." Das könne sich aber ändern, da seit Mai die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bei Firmen in der Corona-Krise ausgelaufen ist. Bedauerlich sei gewesen, dass die Unternehmen bei der Novemberhilfe, Dezemberhilfe und der Überbrückungshilfe durchs Raster gefallen seien. Trotz erheblicher Einbußen seien sie nicht in den "Genuss dieser Fördertöpfe" gekommen, da sie anders als ihre Kunden nicht direkt von den Lockdown-Maßnahmen betroffen gewesen seien, sondern öffnen durften. Außerdem sei die Förderfähigkeit zunächst daran gemessen worden, welcher Anteil am Umsatzrückgang im Geschäftsbereich Bezug zum Lockdown hatte. "Textilserviceunternehmen beziehungsweise Reiniger, die ihren Umsatzeinbruch aber deutlich im Privatkundengeschäft hatten, konnten diese Bedingungen oft nicht erfüllen."

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Aktuell verheiße der alleinige Blick auf die Corona-Situation für die Zukunft eher eine Entspannung – sofern sich die Pandemie-Situation und damit zusammenhängende Einschränkungen nicht wieder verschärften, so der Verband. Die Corona-Krise wirke aber bereits jetzt nach. "Personal, das während der Lockdowns nicht beschäftigt war, hat sich umorientiert und fehlt jetzt." Außerdem habe die Branche 2021 mit erheblichen Kostensteigerungen zu kämpfen. Aktuell sei die höchste Kostensteigerung der vergangenen zehn Jahre zu verzeichnen.

"Wenn auch keine konkreten Zahlen vorliegen, dürfte davon auszugehen sein, dass die Lockerungen bei den wirtschaftlichen Einschränkungen – wie bereits im Sommer 2020 geschehen – zu einer wirtschaftlichen Entspannung und leichten Erholung der Aufträge führen", erwartet der Verband verhalten optimistisch. Der Vergleich mit der Entwicklungskurve 2020 lasse aber vermuten, dass die Erholung auch jetzt im Sommer das Vor-Corona-Niveau längst nicht erreicht habe. Zwar weise der Weg in eine gute Richtung, aber vor allem der Textilservice, der vorwiegend für Betriebe aus dem Bereich Hotel, Restaurant und Catering arbeite, hinke noch sehr hinterher, da es in puncto Geschäftsreisen und Großveranstaltungen immer noch deutlich Zurückhaltung gebe. "Gut läuft dagegen das Geschäft mit der Tourismus-Branche."

Zur Sache

Aktuelle Marktlage

Wie sehen die Erwartungen in der Branche aus? "Die aktuellsten uns vorliegenden Daten aus eigener Umfrage stammen aus der Marktdatenabfrage Textilservice 2020 und der Geschäftsklimaumfrage im zweiten Halbjahr 2020", so der Deutsche Textilreinigungs-Verband. Demnach ist die Schätzung zur Marktsituation der Reinigungen und Mischbetriebe für das erste Halbjahr 2021 weiter gesunken und für die Wäschereien sowie Textilservice auf niedrigem Niveau geringfügig gestiegen.

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