Geschlossene Fabriken, gesperrte Häfen, blockierte Banken: Der Ukraine-Krieg hat "deutliche Auswirkungen auf die Versorgungswege der Wirtschaft in Bremen und Bremerhaven", stellt die Handelskammer fest. Auch die Raumfahrtbranche fürchtet wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen mittlerweile um milliardenteure Projekte. Handelskammer und Wirtschaftsbehörde versuchen jetzt, sich mit einer in der Coronakrise eingerichteten "Kontaktstelle Lieferketten" einen Überblick über die Schäden für Bremens Wirtschaft zu verschaffen.
Zu den betroffenen Unternehmen gehört der US-Süßwarenhersteller Mondelez, der von Bremen aus sein Deutschland-Geschäft betreibt. Der Konzern unterhält im ukrainischen Trostyanets nordwestlich von Charkiw eine Fabrik – genau dort, wo die russische Invasion vor gut einer Woche begann. "Unser Betrieb in der Ukraine pausiert", sagt Jenny Linnemann, Pressesprecherin von Mondelez Deutschland. Man bemühe sich darum, die Mitarbeiter zu unterstützen. In der Fabrik werden auch Oreo-Kekse für den deutschen Markt hergestellt. Fragen zu den Auswirkungen des Produktionsausfalls auf das Geschäft lässt Mondelez unbeantwortet.
Auch in der Bremer Raumfahrtbranche hält man sich einstweilen bedeckt. Immer deutlicher wird allerdings, dass die Raumfahrt, die in der Vergangenheit oft über den irdischen Konflikten zu schweben schien, dieses Mal in Mitleidenschaft gezogen wird. Russland hat seine Raketentechniker vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana abgezogen. Dadurch seien die nächsten Starts mit russischen Sojus-Raketen "ausgesetzt", teilte das Betreiberunternehmen Arianespace mit. In diesem Jahr sollten zwei Sojus von Kourou aus starten, um vier weitere Satelliten des europäischen Navigationssystems "Galileo" ins All zu befördern. Gebaut wurden diese in Bremen bei OHB. Auch dort will man die Vorgänge nicht kommentieren.
Marsmission vor dem Aus?
In Gefahr scheint auch "Exomars", die europäisch-russische Gemeinschaftsexpedition zum Mars, zu der OHB ebenfalls Bauteile beigesteuert hat. Die Mission sollte im September vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan starten. Mittlerweile bezeichnet die Europäische Weltraumbehörde Esa den geplanten Start in diesem Jahr als "äußerst unwahrscheinlich". Das nächste Startfenster würde sich erst Ende 2024 öffnen. "Gut möglich, dass der ,Exomars'-Rover, in den Europa mehr als eine Milliarde Euro gesteckt hat, reif ist fürs Museum", kommentiert die "Süddeutsche Zeitung".
Die Esa teilte mit, man werde jetzt für jede geplante Mission "geeignete Trägersysteme" untersuchen. Die Frage, ob das Ariane-6-Programm beschleunigt und die Produktion erhöht werden könnte, lässt man bei Ariane vorerst unbeantwortet. Man stehe in engem Kontakt mit den Kunden, "um alle Folgen dieser Situation abzuschätzen und Alternativen zu entwickeln", so Cyrielle Bouju, Pressesprecherin von Arianespace. Die Oberstufe der Ariane wird in Bremen gebaut. Ob sich für die Fertigung Probleme durch fehlende Bauteile oder Materialien ergeben könnten, will Ariane ebenfalls nicht sagen.
Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) und die Handelskammer wollen jetzt die seit 2020 bestehende "Kontaktstelle Lieferketten" nutzen, um einen Überblick über die Situation zu bekommen. Unternehmen, die infolge des Krieges und der Russland-Sanktionen mit Problemen zu kämpfen haben, sollen sich dort melden, um "schnelle und unkomplizierte Hilfestellungen zu erhalten", heißt es in einer Mitteilung (kontaktstelle-lieferketten@handelskammer-bremen.de)