In der Stadt Bremen ist im vergangenen Jahr annähernd die Hälfte der Neueinstellungen befristet gewesen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) für die Region Bremen-Elbe-Weser hat die Daten der Bundesagentur für Arbeit ausgewertet und am Freitag veröffentlicht. Demnach liegt der Anteil bei den Neuverträgen in Bremen bei 44,3 Prozent und damit ganz leicht über dem bundesweiten Wert. Befristungen sind laut Mitteilung des DGB „längst zu einem Massenphänomen geworden“, das alle auf dem Arbeitsmarkt treffe.
Trotz Fachkräftemangel liege der Anteil auf „Rekordhöhe“. Gerade im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung kommt es öfter zu einer Befristung (65,9 Prozent) sowie im Bereich Erziehung und Unterricht (68,4 Prozent). Auch im verarbeitenden Gewerbe liegt der Anteil bei fast 60 Prozent. Im Vergleich der Altersgruppen wird deutlich, dass vor allem Bremer unter 25 Jahren mit 60 Prozent häufiger befristet neu eingestellt werden.
Zugenommen haben laut DGB die sachgrundlosen Befristungen. 2018 seien davon nach einer Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung 6,3 Prozent der Beschäftigten im Land Bremen betroffen gewesen. Als Hauptgrund sei genannt, dass die Eignung der Mitarbeiter überprüft werden solle. Die Vorsitzende des DGB Bremen-Elbe-Weser, Annette Düring, kritisiert: „Sachgrundlose Befristungen werden immer öfter als verlängerte Probezeit missbraucht. Das erhöht den Leistungsdruck und macht Beschäftigte erpressbar.„ Sie hätten es generell schwerer, gute Löhne und Arbeitsbedingungen einzufordern. “Eine Schwangerschaft, eine zu lange Krankheit, eine engagierte Betriebsratsarbeit – alles kann dazu führen, dass der Vertrag einfach nicht verlängert wird. Schwer erkämpfte Kündigungsschutzrechte werden dadurch ausgehöhlt.“
Befristung im öffentlichen Gespräch negativ konnotiert
Dagegen missfällt Cornelius Neumann-Redlin, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände im Lande Bremen, dass die Befristung im öffentlichen Gespräch sofort negativ konnotiert sei. „Dafür habe ich kein Verständnis.“ Eine Befristung könne für Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Chance sein. Sie sei in verschiedenen Situationen nachvollziehbar, wenn etwa jemand nach längerer Zeit wieder in die Arbeitswelt einsteige. „Es können dann beide Seiten schauen, ob es funktioniert.“ Es müsse zudem berücksichtigt werden, dass ein großer Teil der Beschäftigten später entfristet werde. „Das ist keine Ausnahme – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels.“
Im Koalitionsvertrag werde das Thema von Rot-Grün-Rot sogar unter der Überschrift prekäre Beschäftigung behandelt. Das stört Neumann-Redlin: „Befristungen sind nicht automatisch prekär.“ In der Regierungsvereinbarung heißt es, dass Bremen weiter auf sachgrundlose Befristungen verzichtet und Befristungen generell auf ein Minimum reduzieren will. Die Ziele gelten laut Kristina Vogt (Linke), im neuen Senat als Wirtschaftssenatorin vorgesehen, für die Verwaltung, Ämter und Eigenbetriebe. Annette Düring fordert, dass der Ankündigung „endlich“ Taten folgen. Neumann-Redlin sieht ohnehin das Problem nicht in der Privatwirtschaft liegen: „Der große Befrister ist der öffentliche Dienst.“