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Chip-Implantate Unter der Haut

Mikrochips unter der Haut sind vor allem als technische Spielereien aus Agentenfilmen bekannt. Inzwischen gibt es jedoch weltweit gut 50.000 Bodyhacker. Was sie an ihren Implantaten schätzen.
28.12.2017, 05:26 Uhr
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Von Helge Hommers

M, Leiterin des britischen Geheimdienstes MI6, reicht es: Zu lange hat James Bond, Geheimagent im Dienste Ihrer Majestät, auf eigene Faust ermittelt. Und zu lange hat er seine Vorgesetzten im Unklaren darüber gelassen, was seinen Aufenthaltsort angeht. Daher lässt M ihm einen Peilsender in Form eines Mikrochips in den Unterarm implantieren.

„Damit Sie ein Auge auf mich haben?“, fragt Bond. „Genau“, entgegnet M. Von jedem Ort der Welt kann sie nun über einen Laptop verfolgen, wo Bond sich befindet – und sei es in einem Erdloch am Ende der Welt. Die Szene, die aus dem Film „Casino Royale“ stammt, spiegelt genau das wieder, was Patrick Kramer als Hollywood-Denken bezeichnet.

Denn die Möglichkeit, sich ein Implantat mit solch einer Funktion einpflanzen zu lassen, sei noch nicht gegeben. „Diese Spielereien sind hanebüchener Unsinn, das ist Alien-Technologie“, sagt der Hamburger. Und doch prägen Agenten-Filme wie „Casino Royale“ oder Science-Fiction-Dystopien wie „Die Insel“ oder „Gattaca“ das Bild, das in der Gesellschaft von Implantaten vorherrscht – und das ist dementsprechend vorwiegend negativ. „Viele lehnen Technologie im Körper ab, sofern sie nicht medizinisch ist“, sagt Kramer. Dabei hat sie seiner Ansicht nach keine Nachteile, dafür aber viele Vorteile.

Das Leben einfacher gestalten

Kramer trägt selbst zwei Implantate in seinem Körper, ein drittes soll bald folgen. Damit ist er einer von aktuell gut 4000 Bodyhackern in Deutschland, die sich Mikrochips in ihren Körper implantieren ließen. Weltweit gibt es um die 50.000. Sie nutzen die Chips, um ihren Alltag einfacher zu bestreiten – und das alles ohne Strom oder einen Akku.

Voraussetzung hierfür ist ein entsprechendes Lesegerät. So können etwa mit einem Chip in der Hand durch einfaches Halten vor einen Sensor Haustüren geöffnet, Autos oder Motorräder gestartet und das Smartphone entsperrt werden. Die Implantate fungieren auch als Datenspeicher, auf denen beispielsweise Telefonnummern, Passwörter oder GPS-Daten hinterlegt werden können.

Oder Internetlinks, mit denen über ein Smartphone auf andere, größere Datenspeicher zugegriffen werden kann. Gerade für ältere und kranke Menschen sind Implantate eine Möglichkeiten, das Leben sicherer und einfacher zu gestalten. „Es geht nicht darum, vorhandene Techniken einfach nur unter die Haut zu bringen“, sagt Kramer. „Durch Implantate soll erreicht werden, dass sich der Mensch um manche Dinge in seinem Leben keinen Kopf mehr machen muss.“

Einpflanzen kann auch selbst vorgenommen werden

Er selbst kam vor vier Jahren erstmals über einen sogenannten Fitness Tracker – ein Gerät mit einer Software zur Überprüfung fitnessbezogener Daten – mit Implantaten in Kontakt. Wenig später gründete er den Webshop „Digital Wellness“, bei dem anfänglich ebenfalls der Fitness-Gedanke im Vordergrund stand. Inzwischen hat er verschiedene Implantate im Angebot, deren Preis zwischen 39 und 199 Euro liegt.

Hinzu kommt das Einpflanzen, das zwar jeder selbst vornehmen kann, aber im Idealfall von einem ausgewiesenen Piercer erfolgen sollte. Auch Kramer setzt die Chips ein. Allein in diesem Jahr waren es mehr als 800 Stück. Er gibt sogar sogenannte Upgrade-Partys, die etwa von Unternehmen gebucht werden, und bei denen den Angstellten reihenweise Implantate verpflanzt werden.

In naher Zukunft soll das Angebot um Mikrochips erweitert werden, mit denen Bezahlungen ohne Bargeld, EC- oder Kreditkarte getätigt werden können. Kramers Kunden kommen inzwischen aus der ganzen Welt. Während außerhalb Deutschlands die Neugierde auf die neue Technologie überwiege, stehe hierzulande die Skepsis im Vordergrund – obwohl Implantate als kultureller Bestandteil – wie etwa bei Ohrringen – und in der Medizin schon lange akzeptiert würden.

Keine großen Bedenken bezüglich Datenschutz

Dabei spiele häufig der angeblich mangelnde Datenschutz eine Rolle – was aber unangebracht sei, wie Kramer sagt: „Unsere Daten sind geschützt. Eine Notiz auf einem Blatt Papier zu verlieren, ist viel gefährlicher.“ Einen Mikrochip auszulesen, sei allein schon wegen der kurzen Reichweite unmöglich. Vielmehr könnten Implantate dem eigenen Schutz der Daten eher helfen, da auf ihnen Passwörter und sensible Informationen nicht mehr gehackt werden könnten.

Auch Gerrit Cegielka hat im Hinblick auf den Datenschutz keine großen Bedenken. Probleme gebe es höchstens, wenn im Vorbeilaufen ein Gerät ausgelesen werden könnte, sagt der Verbraucherschützer aus Bremen. Daran zweifelt er jedoch. Dennoch bezeichnet er die neue Technologie nur als „nette Spielerei“. „Der Nutzungsvorteil ist meines Erachtens noch nicht da“, sagt er.

Jedem, der Interesse an einem Mikrochip unter der Haut hat, rät er, Vor- und Nachteile des noch relativ neuen Trends abzuwägen. „Eine gewisse Hemmschwelle“ hält er für angebracht. Anstatt sich etwas unter die Haut einpflanzen zu lassen, spricht er sich eher für elektronische Armbänder oder ähnliche digitale Accessoires aus. Aber auch wenn die Technik aktuell noch nicht ausgereift sei, sieht er das nützliche Potenzial, das Implantate mit sich bringen.

Fremdkörperreaktionen befürchtet

Ein anderer häufig genannter Kritikpunkt bezieht sich auf medizinische Bedenken. Kramer verweist darauf, dass ihm kein Fall von Komplikationen bekannt ist. Die reiskorngroßen Mikrochips bestünden nämlich aus Glas, das extra für die Verwendung in biologischen Organismen hergestellt sei. „Jeder Ohrring ist aus medizinischer Sicht viel dramatischer“, sagt er.

Sollte das Implantat aber nicht hautkompatibel sein, befürchtet Helmut-Dietrich Köster vom Medizinischen Labor Bremen Fremdkörperreaktionen. „Der Körper wird dann versuchen, das Implantat abzustoßen“, sagt er. Kurzfristig seien schmerzende Entzündungsreaktionen und Schwellungen zu erwarten.

Auf lange Sicht befürchtet er, dass der Körper versucht, die Materialien selbstständig abzubauen, indem er sie auflöst. Auch eine Hormonumstellung könnte eine Folge sein. Mit weniger Komplikationen rechnet er bei einem Implantat im menschlichen Hirn. Denn dies habe eine sehr „schlechte Immunabwehr“, wie Köster sagt.

Update des Menschen

Die Möglichkeit, einen Chip ins Gehirn einzupflanzen, hat auch eine Gruppe von Forschern aus den USA erkannt: Vor kurzem gaben sie bekannt, dass es ihnen gelungen sei, 20 Menschen intelligenter zu machen. Nach einer Reihe von Tests hatten die Forscher bei den Probanden jene Regionen im Hirn ausgemacht, die bei Denkprozessen besonders gefordert waren.

Dann pflanzten sie ihnen einen Hirnchip ein, der elektrische Signale an den Teil des Gehirns sendete, der unter anderem Lernprozesse reguliert. Die Folge war nach eigenen Angaben die Verbesserung des Kurzzeitgedächtnisses um 15 Prozent und die des Arbeitsgedächtnisses um 25 Prozent.

Solch ein Update für den menschlichen Körper anzubieten, ist aus ethischen Gründen aber noch nicht möglich. Die Verpflanzung der Mikrochips ins Hirn der Probanden war nur gestattet worden, da diese Epileptiker waren und sich sowieso einem medizinischen Eingriff unterzogen.

Einkauf ohne langes Anstehen an der Kasse

Einer, der sich ebenfalls schon seit vielen Jahren mit Implantaten beschäftigt, ist Jan-Peter Bouda. Lange war der Hamburger auf der Suche nach der Möglichkeit, sich einen Mikrochip einpflanzen zu lassen. Als dies in Deutschland endlich soweit war, schlug er zu. Bedenken hatte er keine. „Vor 20 Jahren haben viele Leute Handys als Schwachsinn abgetan“, sagt er. „Viele warnten davor, abgehört zu werden. Doch heute hat jeder eines.“

Eine ähnliche Entwicklung erwartet er auch im Hinblick auf unter der Haut angebrachte Mikrochips. Der 28-Jährige trägt sie in der rechten und linken Hand. Dass sie überhaupt da sind, kann er zwar fühlen, aber stören tun sie ihn nicht. Er nutzt sie unter anderem, um die Sicherheitseinrichtungen in seiner Firma freizuschalten und um auf wichtige Festplatten zuzugreifen.

In naher Zukunft erwartet er, dass unter anderem der Einkauf ohne langes Anstehen an der Kasse nur über das Abscannen der Waren erfolgt. „Sobald das möglich ist, würde ich mich sofort dafür anmelden“, sagt Bouda. Auch seine Schwester hat ein Implantat in ihrem Körper. Als nächstes sind seine Eltern an der Reihe. Denn denen hat er welche zu Weihnachten geschenkt.

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