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Verteilzentrum Unterwegs mit Amazon: Wie der Alltag eines Bremer Paketboten aussieht

Fast jeder hat schon einmal ein Paket von Amazon geliefert bekommen oder die Lieferfahrzeuge auf ihren Touren gesehen. Aber wie genau läuft eigentlich der Arbeitstag eines Paketboten ab?
01.03.2025, 14:06 Uhr
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Von Teresa Benke

Tür auf, scannen, Tür zu, klingeln, ein Foto machen und weiterfahren – das ist der Arbeitsalltag von Karimi Ghaleh Ghazi Mohsen. Seit fünf Jahren ist er Fahrer für die Firma "Fast & First", einem Lieferpartner von Amazon. Eigentlich ist er gelernter Buchhalter, hat in seinem Heimatland, dem Iran, sogar einen Master in dem Bereich absolviert. Hier in Deutschland sei es ihm aber nicht möglich, dem Beruf nachzugehen: "Ich bin vor neun Jahren nach Deutschland gekommen. Der Beruf ist hier anders und man braucht zu viele Worte, was für mich schwer ist."

Mohsens Arbeitstag beginnt um kurz vor zehn beim Amazon-Verteilzentrum, das direkt im Güterverkehrszentrum liegt. Dort belädt er sein Lieferfahrzeug mit den Paketen. Anders als bei anderen Zulieferern müssen die Fahrer – von denen etwa 250 im Einsatz sind – ihre Touren nicht selbst sortieren, das geschieht bereits im Verteilzentrum. "Im Gegensatz zu Logistikzentren haben wir in einem Verteilzentrum kein Lager. Hier geht es nur noch um die sogenannte letzte Meile, das heißt das Vorbereiten der Touren der Fahrer und letztendlich die Auslieferung", sagt Pressesprecher Steffen Adler. Das Verteilzentrum, genannt "DHB1", gibt es seit etwas mehr als fünf Jahren. "Vielen ist gar nicht bewusst, dass es im Bremer Raum außer dem Logistikzentrum in Achim noch einen Amazon-Standort gibt", erzählt Adler.

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Vom Förderband zum Fahrer

Das Vorbereiten der Touren läuft nach einem ganz bestimmten System ab, verteilt auf insgesamt 130 Mitarbeiter, die entweder in Früh-, Spät – oder Nachtschicht arbeiten. In der Nachtschicht werden die Taschen mit Paketen beladen, die dann später den einzelnen Fahrern beziehungsweise ihren Touren zugeordnet werden. Dafür laufen die Pakete über ein Förderband durch die gesamte Halle. Zu Beginn ihrer "Reise" erhalten sie einen gelben Stempel, auf dem eine Kombination aus Buchstaben und Zahlen zu lesen ist. "Dieses Label zeigt, wo das Paket einsortiert werden soll", erklärt Standortleiter Arne Lammert. Wenn die Pakete dann nach dem Transport über das Band an der richtigen Stelle ausgeschleust wurden, werden sie ab hier händisch den Taschen zugeordnet. Allerdings mit technischer Unterstützung: "Wir nutzen das System `Stow-by-light´, das heißt das Paket muss nur eingescannt werden, dann leuchtet das Fach mit der Tasche auf, in die es einsortiert werden soll", erklärt Lammert.

In der Frühschicht werden die Taschen dann auf Rollwagen sortiert – bereits in der richtigen Reihenfolge für die Fahrer. Eine Tour besteht aus maximal 15 Taschen und meist 100 bis 200 Zustellstopps. Die Tourenplanung läuft über einen Algorithmus, der die Fahrtzeit passend zur Arbeitszeit berechnet. "Wenn ein Fahrer in einem weiter entfernten Zustellgebiet ausliefert, übernimmt er weniger Pakete, da auch der Hin- und Rückweg schon mit einberechnet wird", sagt Lammert. "90 Prozent der Touren werden pünktlich oder früher beendet", ergänzt Adler.

System vermeidet das Linksabbiegen

Mohsens Tour wird ihm durch den sogenannten Dispatcher, das heißt dem Zuteiler von Fast & First, für den Tag zugeordnet. Beim Beladen des Lieferfahrzeugs hat er sich mittlerweile ein eigenes System für die "Oversized Pakete", das heißt die Pakete, die nicht in die Taschen passen, überlegt: "Ich schreibe die Nummern noch einmal vorne mit einem Stift auf die Pakete, dann sehe ich das beim Öffnen vom Kofferraum schneller." Sind alle Pakete verstaut, fährt er los. Die erste Adresse ist ungefähr 15 Minuten entfernt; das Zustellgebiet ist Woltmershausen. Nur ein einziges Mal biegt er auf dem Weg links ab – so wird es ihm von seinem Navi aus einem bestimmten Grund vorgegeben: "Das System rechnet sicher. Beim Linksabbiegen wird meist mehr Zeit gebraucht und das Unfallrisiko ist höher", erklärt Adler.

Angekommen bei der ersten Adresse, parkt Mohsen sein Fahrzeug am Straßenrand. Aufgrund der engen Straßen läuft er lieber, wenn mehrere Pakete in einer Straße ausgeliefert werden müssen. Bei dem Großteil der Häuser steht er vor verschlossener Tür, das kennt er aber bereits. "Morgens und vormittags arbeiten ja die meisten, da ist fast niemand da." In den meisten Fällen ist das kein Problem: Oft hat er eine Zustellanweisung wie "In der Garage ablegen" – nach einem oder zwei Mal klingeln legt er das Paket dann dort ab und macht ein Foto, das der jeweilige Kunde in seinem Konto sehen kann. Bei Bestellungen, die besonders teuer sind, muss der Kunde das Paket aber persönlich mit einem Passwort entgegennehmen. All diese Informationen werden Mohsen in seinem Diensthandy angezeigt. Dort wird er zum Beispiel auch gewarnt, wenn bei einer Adresse bekannterweise ein gefährlicher Hund lebt. "Ich hatte aber noch nie ein Problem damit, die Besitzer haben immer aufgepasst."

Kein Paket überschreitet das Maximalgewicht

Die meisten der Pakete, die Mohsen ausliefert, sind klein und leicht, meist kann er auch mehrere auf einmal greifen. Für die schwereren Pakete hat er eine Sackkarre dabei. Schwerer als 23 Kilo ist aber keines dieser Pakete. "Mit der Gewichtsgrenze wurde sich an den Koffergewichten von der Luftfahrt orientiert. Auch keine der Taschen mit mehreren Paketen kommt insgesamt über 23 Kilo", erklärt Adler. Zusätzlich werde darauf geachtet, dass Taschen, die in die oberen Reihen der Regale gepackt werden, nicht mehr als 15 Kilo wiegen, damit sie auch ohne Probleme heruntergehoben werden können.

Hat Mohsen alle Adressen abgefahren, endet sein Arbeitstag. Spätestens sollte das um 18.30 Uhr sein – inklusive einer 30-minütigen Pause. Bekommt man zu einer späteren Uhrzeit sein Paket angeliefert, bedeutet das aber meist nicht, dass der jeweilige Fahrer Überstunden macht. "Unsere spätesten Touren starten um 12:30 Uhr, die sind bei einem Arbeitstag von acht Stunden dann natürlich auch länger unterwegs", erklärt Adler. Dazu kommt noch das "Same-day-delivery"-Angbot von Amazon. "Bei einigen Produkten erhalten Kunden, die bis elf Uhr bestellen, ihr Paket am selben Tag bis um spätestens 21:30 Uhr. Solche Touren gehen dann erst um 17 Uhr los", sagt Lammert.

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"Ich bin zufrieden mit meinem Job. Ich habe keine Probleme mit Stress", betont Mohsen. Bei vielen von seinen Freunden, die in ähnlichen Berufen arbeiten, sei das anders. Generell bekommen die Mitarbeiter – bei Jobs, für die in der Regel keine Vorqualifikation nötig ist – im Verteilzentrum als Einstiegslohn brutto 15,20 Euro die Stunde, nach zwölf und 24 Monaten werden die Löhne automatisch erhöht. Dazu kommen noch einige Zusatzleistungen wie die Übernahme des Deutschlandtickets und 8000 Euro für Weiterbildung. Für die Arbeitsbedingungen der Fahrer sind allerdings die jeweiligen Lieferpartner verantwortlich. "Sie sind aber dazu angehalten, sich dabei an unseren Leistungen zu orientieren. Das wird von uns auch regelmäßig geprüft. Außerdem haben die Fahrer die Möglichkeit, Verstöße oder schlechte Behandlung bei uns zu melden", sagt Adler.

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