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Einzelhandel Innenstädte führen ungleichen Kampf gegen Temu und Co.

Der stationäre Einzelhandel ist gegen Onlinehändler wie Temu im Nachteil. Hier ist die Politik gefordert, meint Marc Hagedorn, denn die Menschen brauchen gesunde Innenstädte mit einem bunten Branchenmix.
13.01.2025, 05:00 Uhr
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Innenstädte führen ungleichen Kampf gegen Temu und Co.
Von Marc Hagedorn

Ein Paar kabellose Kopfhörer für 5,29 Euro, zehn Boxershorts für 15,03 Euro, eine Kamera-Drohne für 14,18 Euro. Das sind nur drei sogenannte Bestseller aus dem schier unerschöpflichen Angebot, das auf der chinesischen Internetplattform Temu gehandelt wird. Wer kann schon Nein sagen, wenn das Versprechen lautet, bei Temu könne man „Shoppen wie ein Milliardär“?

Offenbar wollen sich immer mehr Menschen dieses Gefühl nicht entgehen lassen. Ein bedenklicher Trend. Denn gibt es gute Gründe, nicht bei Temu einzukaufen. Die Qualität der Produkte lässt nicht selten zu wünschen übrig. Auch die Arbeitsbedingungen, unter denen die angebotenen Waren produziert werden, können bei den aufgerufenen Preisen nicht gut sein. Und nachhaltig ist es auch nicht, Pakete erst um die halbe Welt und später wieder zurückzuschicken, wenn die Hose kneift oder die Kopfhörer doch keinen so guten Sound transportieren.

Es gibt einen weiteren Grund für potenzielle Kunden, Temu zu ignorieren. Dass der Onlinehandel dem stationären Handel in den Städten das Leben schwer macht, hat jeder von uns längst gemerkt. Dazu muss man nur mit offenen Augen durch die Innenstadt gehen. So viel Leerstand wie heute war lange nicht in deutschen Fußgängerzonen.

Temu ist die Steigerung all dessen, was wir bisher vom Onlinehandel kennen, und deshalb werden die Folgen verheerender sein. Einen „Tsunami, der unsere Innenstädte bedroht“, hat die Handelssprecherin der IHK Niedersachsen die Onlinehändler aus China kürzlich genannt. Man kann die Gefahr, die von Temu ausgeht oder von Shein, einer Internetplattform für Mode, gar nicht unterschätzen. Die Versuchung, online nach vermeintlichen Schnäppchen zu jagen, wird in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten wachsen.

Jetzt könnte man sagen, dass die Menschen die Innenstädte bekommen, die sie verdient haben. Wer seine Bücher lieber bei Amazon bestellt, anstatt sie im Buchladen vor Ort zu kaufen, wer Musik und Filme lieber streamt, als ins Kino oder ins Konzert zu gehen, wer sich das Essen lieber an die Haustür liefern lässt, als auszugehen, der darf sich nicht wundern, dass Buchhändler aufgeben, Restaurants schließen und Clubs dichtmachen.

Wer so argumentiert, hat nicht unrecht, macht es sich aber zu leicht. Denn er verkennt, dass mit jedem Traditionsgeschäft, das seine Türen nicht mehr öffnet, ein Stück Identität verloren geht. Dort, wo Handel getrieben wird, begegnen sich Menschen, tauschen sich aus, lernen sich kennen. Das war schon auf den Märkten in der Antike und im Mittelalter so. Innenstädte als Treffpunkte zu erhalten, muss der Gesellschaft etwas wert sein. Auch wenn Kulturangebote und Gastronomie eine wichtige Rolle spielen: Der verlässlichste Frequenzbringer ist in den meisten Städten im Moment noch der Einzelhandel.

Der Mensch ist ein soziales Wesen, auch wenn die sozialen Medien versuchen, ihn zu vereinzeln. Deshalb darf man es auch nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen, die Zukunft zu regeln. Die Politik, bei der Gesetzgebung bisher nie sehr schnell, wenn es um digitale Entwicklungen geht, muss dafür sorgen, dass für Onlinehändler wie Temu endlich dieselben Regeln gelten wie für jeden Händler vor Ort.

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Der stationäre Handel hat einen klaren Wettbewerbsnachteil, weil er sich an nationale und europaweite Vorschriften und Verordnungen zu halten hat. Währenddessen fluten Millionen Paketsendungen aus China das Land unter Umgehung der Zollfreigrenzen und Missachtung von Nachhaltigkeitskriterien, Qualitäts- und Sicherheitsstandards.

Höhere Hürden für Temu und Co., manche wie Drogerie-Chef Raoul Rossmann fordern sogar ein Abschalten der Plattform, nähme die hiesigen Händler nicht aus der Pflicht, sich anzustrengen. Jeder Innenstadtbesuch braucht einen guten Grund. Das kann auch in Zukunft das Einkaufserlebnis sein, wenn der Händler vor Ort das bietet, was Online nicht kann. Produkte zum Anfassen und Ausprobieren, Service und Sachkunde. Da, so ehrlich muss man sein, ist bei allem Bemühen noch Luft nach oben.

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