Gähnende Leere im Terminal des Bremer Flughafens. Ein Blick auf die Anzeigetafeln verrät: Sämtliche Flüge – ob innerdeutsch nach Frankfurt oder München oder ins europäische Ausland nach Amsterdam oder Skopje – sind gestrichen. Schuld ist der Warnstreik von drei Berufsgruppen: Beschäftigte im öffentlichen Dienst, Mitarbeiter von örtlichen Bodenverkehrsdienstunternehmen und von der Luftsicherheit werden von Verdi zum Streik aufgerufen. Neben Bremen sind in Norddeutschland auch Hannover und Hamburg sowie die großen deutschen Drehkreuze Frankfurt und München betroffen. Nach Schätzungen des Flughafenverbandes ADV sind knapp 300.000 Passagiere von gut 2340 Flugausfällen betroffen. Der Verband sprach von einer "beispiellosen Eskalation".
Die Angestellten hinter den Gepäckaufgabeschaltern tragen es mit Fassung. Sie könnten eh nichts ändern, meint eine von ihnen und schiebt hinterher: "Ein paar Passagiere kommen aber immer, und sei es nur, um das Fluggastrechteformular abzuholen." Ihre Vermutung trifft zu. Tatsächlich tauchen einige wenige Passagiere mit Koffern auf. Einer von ihnen ist Michealo Deshliew. Er habe in Schweden gearbeitet und wollte eigentlich über Bremen weiter nach Skopje in Mazedonien fliegen. "Dass der Flug gestrichen ist, ist sehr unglücklich", sagt er. Er wolle gucken, wie es weiter gehe, bis dahin bleibe er bei einem Freund in Bremen.

Jasin Jasharis Flug nach Skopje (Mazedonien) wurde am Freitag gestrichen. Für den Streik hat er Verständnis.
Auch Jasin Jashari haben die Flugausfälle kalt erwischt. "Ich habe gemischte Gefühle, weil ich eigentlich am Sonnabend in Skopje sein soll." Er gibt zu, sich vorher nicht informiert zu haben, hat aber auch Verständnis für den Streik. "Vielleicht klappt es nächste Woche mit einem Flug", sagt er und begibt sich mit seinem silbernen Rollkoffer in Richtung Ausgang.
Für Rufus, der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, bringen die Streikauswirkungen den kompletten Reiseplan durcheinander. Eigentlich sollte er von Bremen nach Frankfurt und von dort über Doha nach Dhaka in Bangladesch fliegen. Drei große Koffer schiebt er auf dem Koffer-Kuli durch das Terminal. "Ich weiß gerade nicht, was ich machen soll", erzählt er. Weil er kein Deutsch spreche, habe er keine Nachrichten geschaut und deshalb nichts vom Streik mitbekommen. "Das ist jetzt eine kostspielige Enttäuschung", meint Rufus und klemmt sich noch in der Schalterhalle ans Handy, um mit seinem Arbeitgeber eine Reisealternative nach Bangladesch zu organisieren. Ähnlich geht es Franki Pino. Sie wollte von Bremen nach Amsterdam und dann weiter in die USA fliegen. "Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass der Flug gecancelt ist." Sie müsse jetzt gucken, wie es weiter geht.
Derweil haben sich vor dem Haupteingang des Terminals die streikenden Mitarbeiter versammelt. Insgesamt sind in Bremen laut Verdi rund 200 Flughafen-Angestellte dem Streikaufruf gefolgt. In gelbe Warnwesten gekleidet und mit Trillerpfeifen ausgerüstet machen sie lautstark auf ihre Forderungen aufmerksam. Im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes fordern Verdi und der Beamtenbund 10,5 Prozent mehr Einkommen, mindestens aber 500 Euro mehr für die rund 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Die Laufzeit soll zwölf Monate betragen.
Drei Tarifverträge am Bremer Flughafen
Für die Beschäftigten der Bodenverkehrsdienste will Verdi deutliche Gehaltssteigerungen durchsetzen. Als Blaupause könnte der Abschluss für den Berliner Flughafen gelten: mit 360 Euro monatlich mehr und einer Inflationsausgleichsprämie von 2500 Euro.
"Wir haben drei Tarifverträge hier am Flughafen, die neu verhandelt werden und aus der Friedenspflicht raus sind", sagt Nils Wolpmann. Er ist als Verdi-Sekretär für die Luftsicherheit zuständig. "Wir kämpfen für mehr Lohn, aber auch für mehr Zuschläge bei den Flugsicherheitskräften." Ob der Streik fair gegenüber den Fluggästen sei, müsse man seiner Ansicht nach die Arbeitgeber fragen. "Über acht Verhandlungsrunden bei der Flugsicherheit haben kein Ergebnis erzielt. Das liegt an der Verweigerungshaltung. Dass wir hier streiken, ist unser letztes Mittel und leider notwendig geworden, weil uns ein faires Angebot leider verweigert wurde", erklärt Wolpmann.

Nils Wolpmannn, Gewerkschaftssekretär bei Verdi und zuständig für die Luftsicherheit, sieht den Streik als letztes Mittel in den Tarifverhandlungen.
Bei den Luftsicherheitskräften verweist die Gewerkschaft Verdi auf angeblich fruchtlose Verhandlungen über Zuschläge und weitere Bestimmungen im Manteltarifvertrag, nachdem sie im vergangenen Jahr hohe Gehaltssteigerungen durchgesetzt hatte. Der Arbeitgeberverband BDLS weist den Vorwurf mangelnder Kooperation zurück und kritisiert den Ausstand. Der Verband wehrte sich gegen die gewerkschaftliche Strategie, dass seine Verhandlungen mit denen des Öffentlichen Dienstes und der Bodenverkehrsdienste verquickt werden. "Verdi macht gemeinsame Sache mit mehreren anderen Gewerken, und so verschwimmen für Außenstehende die Ziele und Grenzen des Streiks. Dies wird ganz bewusst so ausgenutzt", sagte BDLS-Verhandlungsführer Rainer Friebertshäuser.
Normalisierung am Sonnabend
Hintergrund für die Ausstände sind die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, die am 22. und 23. Februar in zweiter Runde fortgesetzt werden. Verdi will die Arbeitgeber dazu bewegen, ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. "Die Beschäftigten, die gerade an den Flughäfen häufig prekär beschäftigt sind, brauchen jetzt Zeichen von den Arbeitgebern, dass sie sich bewegen, und sie brauchen vor allem schnell deutlich mehr Geld", sagt Verdi-Vizechefin Christine Behle.
Begonnen hatte der Warnstreik in der Nacht auf Freitag am Flughafen Hannover. Der Flughafen hat als einziger der sieben bestreikten Flughäfen kein Nachtflugverbot. Dort wie auch in Bremen soll nach den Warnstreiks und zahlreichen gestrichenen Flügen vom Freitag schnell wieder regulärer Flugbetrieb aufgenommen werden. „Wir gehen davon aus, dass am Sonnabend viele Flüge wieder planmäßig sind“, sagte eine Flughafensprecherin aus Bremen am Freitag. Bisher seien für den Tag nur zwei frühe Flüge gestrichen. Für den Freitag war streikbedingt das komplette Programm zusammengestrichen worden. Ein ähnliches Bild zeichnete sich für den Airport in Hannover ab. Nachdem am Freitag ausschließlich Verbindungen mit der Türkei wegen des Erdbebens dort abgewickelt wurden, sollte am Sonnabend weitgehend Normalität herrschen. „Bis auf wenige Streichungen am Morgen dürfte es schnell wieder laufen“, sagte ein Airport-Sprecher in Hannover.
+++Hinweis: Dieser Artikel wurde am 17. Februar 2023 um 14.15 Uhr aktualisiert.+++