Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte am Donnerstag die Planungen der Elbvertiefung zwar in weiten Teilen, erkannte jedoch in Einzelpunkten auch Mängel. Alle Beteiligten fühlen sich dennoch als Sieger.
Die Vertiefung der Elbe verzögert sich weiter. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigte am Donnerstag die Planungen zwar in weiten Teilen, erkannte jedoch in Einzelpunkten auch Mängel. Diese Fehler könnten nachträglich in ergänzenden Planungen behoben werden, entschied das Gericht.
Wegen der Mängel erklärte das Gericht die Planfeststellungsbeschlüsse für rechtswidrig und nicht vollziehbar. Damit ist ein Beginn der Elbvertiefung vorerst weiter nicht in Sicht. Gegen das Vorhaben hatten die Umweltschutzverbände BUND und Nabu geklagt, mit Unterstützung des WWF.
Mangelhafte Verträglichkeitsprüfung für geschützte Pflanzenart
Die Bundesverwaltungsrichter bemängelten zum einen eine mangelhafte Verträglichkeitsprüfung für die streng geschützte Pflanzenart Schierlings-Wasserfenchel, die nur an der Elbe vorkommt. Zum anderen beanstandeten die Richter die Regelungen zur Kohärenzsicherung in Niedersachsen.
Das sind Ausgleichsprojekte, die vorgenommen werden müssen, weil die Elbvertiefung Naturschutzgebiete beeinträchtigt. In den meisten und vor allem in den grundlegenden Punkten hielten die Planungen den rechtlichen Anforderungen aber stand.
Am wirtschaftlichen Sinn des Ausbaus hegte Richter Rüdiger Nolte „keinerlei Zweifel“. Wegen der ständig wachsenden Schiffsgrößen bestehen „zwingende Gründe“ für die Ausbaggerung. Schließlich bemängelte er den Schutz des Schierlings-Wasserfenchels als nicht ausreichend belegt.
Wegfall des Ausgleichsgebiets Kreetsand
Das Gewächs kommt weltweit nur an der Unterelbe vor. Laut Urteil ist nicht auszuschließen, dass der Salzgehalt des Wassers so stark zunimmt, dass die streng geschützte Pflanze gefährdet wird. Allerdings sei auch hier eine Nachbesserung möglich. Gravierendster Einwand der Richter ist nach Ansicht von Hamburgs Wirtschaftsstaatsrat Rolf Bösinger der Wegfall des Ausgleichsgebiets Kreetsand, das erst 2010 auf Hamburger Territorium geschaffen wurde. Die Stadt muss nun ein neues Areal finden, um Naturschäden zu kompensieren.
Was die Kontrahenten angeht, gab es nach der Urteilsverkündung im Saal gefühlt nur Sieger. „Wir haben gewonnen“, stellte der Amtsleiter von Hamburgs Wirtschaftsbehörde, Torsten Sevecke, kurz nach dem Richterspruch selbstbewusst klar. Er sehe den Weg frei für die Ausbaggerung der Fahrrinne, sobald die von den Bundesrichtern verlangten Nachbesserungen umgesetzt sind.
Wann das sein wird? Das wagten weder er noch Staatsrat Bösinger zu sagen. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sieht im Urteil einen „ganz wichtigen Meilenstein für die Wirtschaftsnation Deutschland“. Die Entscheidung biete nicht nur Rechtssicherheit für den Fortgang des Verfahrens in Hamburg, sondern laut Scholz auch Sicherheit für künftige Projekte, bei denen es um die Bundeswasserstraßen gehe.
Nachbesserung sei „eine Herkulesaufgabe“
Auch Hamburgs BUND-Landesgeschäftsführer, Manfred Braasch, demonstrierte Zufriedenheit. Seiner Meinung nach werde die Nachbesserung „eine Herkulesaufgabe“. Braasch rechne nun mit ein bis zwei Jahren zusätzlich für die weiteren Aufgaben.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) war am Donnerstag wegen eines offiziellen Termins in Cuxhaven – also an der Elbe. Er sprach angesichts der Entscheidung von einem „Wechselbad der Gefühle“: „Wir wissen alle, welche Bedeutung die Elbvertiefung für die gesamte deutsche Wirtschaft hat. Das ist kein regionales Thema.“ Die Frage, ob der Hamburger Hafen an die internationalen Schifffahrtsrouten angeschlossen sei, habe für den Wirtschaftsstandort Deutschland enorme Bedeutung.
„Klar ist: Wir werden dieses Projekt umsetzen“, sagte Dobrindt. Enak Ferlemann, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, rechnet nach dem Votum mit mehreren Jahren Verzug. „Wir reden über 2020“, sagte der CDU-Politiker dem WESER-KURIER.
Rechtssichere Planfeststellung
Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner glaubt, dass trotz gestiegener umweltrechtlicher Anforderungen Flussvertiefungen möglich sind: "Hamburg wird nun – wie Bremen und der Bund im Verfahren zur Fahrrinnenanpassung in der Weser – die eingeforderten Nachbesserungen erarbeiten und am Ende eine rechtssichere Planfeststellung vorlegen."
Als nachteilig für die deutschen Hafenstandorte sieht Günthner die überlangen Verfahren: "Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, wie auch große Infrastrukturvorhaben in Deutschland wieder zügiger geplant und umgesetzt werden können.“ Ähnliche Kritik äußerte Wolfgang Blank, Vorsitzender der IHK Nord und damit Vertreter von zwölf Industrie- und Handelskammern aus Norddeutschland, darunter Bremen. "Aus Sicht der norddeutschen Wirtschaft bedarf es einer grundsätzlichen Reform des Planungsrechts, um Deutschland auch zukünftig wettbewerbsfähig zu halten", sagte Blank.
Martin Rode, BUND-Geschäftsführer in Bremen, sieht die Entscheidung als Erfolg, andererseits ist er verwundert: "Bei der Frage nach dem Bedarf und den Auswirkungen für die Hydrologie des Flusses sind die Annahmen der Planer schwer erschüttert worden. Trotzdem hat das Gericht die Bedenken der Umweltverbände einfach weggewischt.“
Elbvertiefung konnte nicht verhindert werden
Dessen ungeachtet gebe es auf naturschutzfachlicher Ebene mit dem Urteil wichtige Feststellungen, die sich auch auf die geplante Weservertiefung und den Bau des Offshore-Terminals in Bremerhaven (OTB) auswirken müssten. Dies gelte zum Beispiel für die Kompensation der Schäden, die mit den Bauarbeiten im und am Fluss einhergingen. Klar sei aber auch, dass die Elbvertiefung im Ganzen nicht verhindert werden konnte.
Vom Terminal-Betreiber Eurogate, der an den Standorten Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven vertreten ist, hieß es: „Wir werden jetzt sorgfältig beobachten, wie unsere Kunden – die globalen Container-Reedereien – reagieren. Letztlich entscheiden sie, welcher Hafen für sie attraktiv ist.“
Eurogate befürchtet, dass Container-Ladung kurz- bis mittelfristig in andere Häfen abwandern könnte. Die riesigen Containerschiffe, um die es bei der Elbvertiefung geht, können schon jetzt in Wilhelmshaven anlegen. Doch der Geschäftsführer der Jade-Weser-Port-Gesellschaften dort, Andreas Bullwinkel, bedauerte den Entscheid: "Wir sehen durch die mögliche, zeitliche Verzögerung den maritimen Standort Deutschland in seiner Position geschwächt.“