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Neue Niederlassung in Bremen Die "Siemensianer" zieht es ins Tabakquartier

Das Tabakquartier in Woltmershausen ist eines der größten Immobilienprojekte Bremens. Jetzt kann sich das Wohn- und Gewerbegebiet mit einem besonders prominenten Mieter schmücken.
29.01.2024, 05:00 Uhr
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Von Christoph Barth

Die Senator-Apelt-Straße in Bremen-Woltmershausen ist kein Prachtboulevard: Schnurgerade zieht sich die Ausfallstraße in Richtung Hafen, vorbei an Autowerkstätten, Gebrauchtwagenhändlern und Schrebergärten. Seit ein paar Wochen jedoch kann sich der Hafenzubringer mit einer der vornehmsten Adressen der deutschen Wirtschaft schmücken: In die Senator-Apelt-Straße 53, am Rande des Tabakquartiers, ist der Technologiekonzern Siemens mit seiner Bremer Niederlassung eingezogen.

Für Standortleiter Rainer Lekzig ist es bereits der zweite Umzug in seinen 25 Berufsjahren bei Siemens: Als der junge Ingenieur 1998 seinen Dienst antrat, residierte der Konzern noch im Siemens-Hochhaus in der Bahnhofsvorstadt: 16 Stockwerke – "ganz oben war die Kantine", erinnert sich Lekzig. "Von da hatte man eine tolle Aussicht."

Das 1965 gebaute Hochhaus stammt noch aus der Zeit, als Siemens-Geräte in jedem deutschen Haushalt standen: Waschmaschinen, Kühlschränke, Bügeleisen. Für alle Niederlassungen des deutschen Vorzeigekonzerns galt die Direktive: Sie mussten in Sichtweite zum Hauptbahnhof liegen, maximal zehn Minuten zu Fuß von diesem entfernt. Der Name Siemens sollte weithin sichtbar sein.

Vom Bahnhof an den Stadtrand

Das hat sich gründlich geändert. Die Geschichte des Siemens-Konzerns ist seit Jahren eine Geschichte der ständigen Veränderung: Es wird zugekauft und abgestoßen, umstrukturiert, ausgegliedert und neu ausgerichtet. Die Haushaltsgerätesparte etwa gehört schon lange nicht mehr zum Konzern. Für neue Geschäftsbereiche wie "Smart Infrastructure" oder "Digital Industries" jedoch braucht es kein Werbeschild auf dem Dach – als Kunden werden nicht mehr die "deutsche Hausfrau" und sonstige Endverbraucher umworben, sondern Mittelstand und Industrie. Der Technologiekonzern zieht sich in die Gewerbegebiete am Rande der Stadt zurück.

In Bremen begann das 1999, als Lekzig und seine Kollegen in den Technologiepark an der Uni umzogen. Dort residierten sie fortan zur Miete; das eigene Hochhaus in Bahnhofsnähe wurde verkauft. Damals beschäftigte die Niederlassung noch 1000 Leute; in einem eigenen Werk produzierte Siemens Transformatoren und Lüfter für die Bahn. Doch die Häutungen des Weltkonzerns gingen weiter, und für Bremen waren sie mitunter schmerzhaft: Das Trafo-Werk in der Neustadt wurde erst "outgesourct" und dann 2008 verkauft; die Offshore-Windenergie kam und ging.

Heute beschäftigt Siemens in Bremen noch 400 Mitarbeiter. "Wir sind damit eine der größeren der 36 Niederlassungen in Deutschland", versichert Standortleiter Lekzig. Bremen sei eine "Vertriebs- und Servicerepräsentanz". Will heißen: Hier werden keine Produkte erfunden und entwickelt, sondern an den Kunden gebracht. Was allerdings etwas komplizierter ist als der Verkauf eines Laptops im Media-Markt: Steuerungssysteme für eine Containerbrücke, automatisierte Produktionsanlagen für die Autoindustrie oder Schaltanlagen für smarte Energienetze gibt es nicht von der Stange – sie müssen für jeden Kunden neu zugeschnitten, getestet und eingerichtet werden.

Großkunden von Bremen bis Ostfriesland

Dafür sind die Ingenieure, Servicetechniker und Vertriebsexperten der Bremer Niederlassung zuständig. Ihre Kunden sind Energie- und Wasserversorger, Verkehrsunternehmen, Autohersteller, Hafenbetreiber, Nahrungsmittelproduzenten und Pharmafirmen im Raum Bremen und an der niedersächsischen Küste.

Dass die Bremer "Siemensianer" nun erneut umziehen mussten, hat vor allem zwei Gründe: "Siemens will bis 2030 weitgehend klimaneutral sein", kündigt Lekzig an. Das gilt für alle Werke, Bürogebäude und den Fuhrpark. Das nagelneue "Forum" am Rande des Tabakquartiers erfüllt diese Bedingungen: Energiestandard KfW 55, nahezu CO2-freie Wärmeversorgung, Gründach, Solaranlage – alles vorhanden.

Dazu kommt die neue Bürowelt der Nach-Coronazeit: "Mobiles Arbeiten gab es bei uns auch schon vor der Pandemie", sagt Lekzig. Inzwischen ist es so normal, dass der Konzern das Ganze in einem "Siemens Office New Normal Konzept" für alle seine Büros standardisiert hat. Zwei bis drei Tage pro Woche dürfen die "Siemensianer" von zu Hause oder mobil arbeiten. Feste Arbeitsplätze gibt es nicht mehr – wer ins Büro kommen will, muss sich über eine App einen Schreibtisch reservieren. 110 Plätze stehen in der neuen Niederlassung zur Verfügung, nicht einmal halb so viele wie im alten Bürogebäude an der Uni. Dazu kommen Konferenz-, Gruppen- und Rückzugsräume mit unterschiedlichstem Mobiliar – vom langen Holztisch mit voller Bestuhlung und Großbildschirm bis zu Nischen und Ecken mit locker zusammengewürfelten Sesseln, Hockern und Sofas. Wer in Ruhe telefonieren will, geht in die gläserne Telefonbox.

Rainer Lekzig sitzt mittendrin – ein eigenes Büro hat der Chef im "New Normal Office" nicht – und wirkt zufrieden. "Wir fühlen uns hier wohl", sagt er. Und das auch ohne eigene Kantine im 16. Stock.

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