Der Hurrikan Katrina, der 2005 über Teile der USA hinwegfegte, sollte sich als Feuerprobe für den Tiger Dam erweisen – ein Schlauchsystem, das im Notfall binnen kurzer Zeit aufgebaut werden kann und so vor Hochwasser schützen soll. „Der Tiger Dam wurde damals vor allem in New Orleans eingesetzt – mit Erfolg“, sagt Kurt Petermann. Denn daraufhin wurde das System weltweit bekannt und wird seither in vielen Ländern als Schutz gegen Hochwasser und Überschwemmungen eingesetzt.
Kurt Petermann gehört zur European Flood Control GmbH, die von Bremen aus das Schlauchsystem in ganz Europa vertreibt. Ob Spanien, Dänemark oder Österreich – die Anfragen, die bei Petermann und Geschäftsführer Frank-Michael Reitze eingehen, kommen aus vielen Ländern. Von Kommunalverwaltungen, Unternehmen und Privatpersonen, die sich entweder im Notfall oder präventiv gegen Hochwasser schützen wollen. Das Prinzip des Tiger Dam ist simpel, wie Petermann erklärt: „Die Schutzschläuche bestehen aus PVC und werden mit Wasser gefüllt, bevor das Hochwasser kommt.“ Und wenn die Flut vorüber sei, können die Schläuche wiederverwendet und müssen nicht entsorgt werden, wie es bei Sandsäcken der Fall sei. 15 Meter lang und 25 Kilo schwer ist einer dieser orangefarbenen Schläuche im ungefüllten Zustand. Sie lassen sich mit weiteren zu einem beliebig langen Damm aneinanderreihen. Zudem sind sie über einen Pyramidenaufbau stapelbar bis vier Meter Höhe. „Der Vorteil ist, dass es weniger Personal und Zeit braucht, um den Tiger Dam aufzubauen“, sagt Petermann. Es brauche in aller Regel nur zwei Helfer und eine halbe Stunde, bis ein 15 Meter langer und 85 Zentimeter hoher Damm errichtet sei.
Schlauch ersetzt 500 Sandsäcke
„Die Idee ist, dass jeder Schlauch ungefähr 500 herkömmliche Sandsäcke ersetzt“, sagt Petermann. In der Anschaffung sei ein Sandsack zwar nicht teuer, doch nur wenige hätten sich damit beschäftigt, welche Wege der Sandsack bestreitet, ehe er als Hochwasserschutz dienen kann. Denn die Säcke aus Jute oder Kunststoff werden leer geliefert. Daher muss zunächst der Sand herangeschafft und in die Säcke gefüllt werden. Das passiert meist in einiger Entfernung zum Hochwassergebiet, weshalb die Säcke erst noch an den Einsatzort gebracht werden müssen. „Dann kommen die Menschenketten, die im Übrigen auch versorgt werden müssen, die die Sandsäcke aufwendig stapeln. Das kostet alles Zeit, Geld und Ressourcen“, sagt Kurt Petermann. „Und dann bleibt die Frage: Was passiert mit den Säcken, wenn das Wasser zurückgeht?“ Die seien mit Abwasser oder Krankheitserregern verdreckt und müssten als Sondermüll kostenpflichtig entsorgt werden – auch das sei wiederum mit hohen Kosten verbunden.
Viele seiner Kunden, Behörden wie Privatpersonen, hätten für sich die Vorteile des Tiger Dam erkannt. „Nur in Deutschland sind wir nicht soweit“, sagt der Vertreiber und kritisiert damit die Organisation des Katastrophenschutzes im Land. Denn der liegt erst einmal in kommunaler Hand. Das heißt auch, dass jegliche Vorsichtsmaßnahmen, beispielsweise die Anschaffung des Tiger Dam, von der Kommune finanziert werden müssen. Laut Petermann springe der Staat erst ein, wenn die Katastrophe schon eingetreten sei: „Dann übernimmt die Bundesregierung in Sachen Katastrophenschutz und kommt auch für sämtliche Kosten auf.“ Zwar versteht er, dass die Kommunen mit ihren Geldern haushalten müssen und die Investition für ein alternatives Überflutungsschutzsystem hoch sein können. „Doch im Nachhinein ist der Tiger Dam immer die kostengünstigere und nachhaltigere Alternative.“
Großes Interesse bei Feuerwehr und THW
Dennoch ist er regelmäßig in Deutschland unterwegs, um interessierte Privat- und Geschäftskunden über das System zu beraten. Oftmals sind auch Mitglieder der Feuerwehren oder des THW dabei, die sich für die Einsatzmöglichkeiten und den Aufbau des Schlauchdammes interessieren. Aus den Gesprächen mit den Einsatzkräften weiß Kurt Petermann, dass viele sich den Tiger Dam als sinnvolle Maßnahme im Kampf gegen Hochwasser und Überflutung vorstellen können. „Doch oft scheitert es eben an der Finanzierung durch die öffentliche Hand.“ In seinem Lager in Woltmershausen hat er rund 20 Schläuche vorrätig, die im Bedarfsfall sofort geliefert werden können. Ebenso sind Zusatzteile wie Keile, Erdhaken, Bajonettverschlüsse für Wasserschläuche und Gurte im Lager zu finden. Alles, was es für einen kurzfristigen Einsatz des Schlauchsystems bedarf. Im verpackten Zustand sind die Schläuche platzsparend gewickelt, so dass das Material auch im Auto transportiert werden kann.
Wer sich präventiv in größeren Mengen mit dem Tiger Dam ausrüsten möchte, muss etwas Geduld haben. Denn die Hauptproduktion findet in New Orleans, USA, statt. „In der Regel beträgt die Lieferzeit von dort circa sechs Wochen“, sagt Petermann. Allerdings könnte sich das bald ändern: „Wenn die Verkaufszahlen hier in Deutschland und Europa stimmen, könnte es bald eine Tiger-Dam-Produktion in Bremen geben.“