Personalengpässe in Unternehmen nehmen aus Sicht der deutschen Wirtschaft zu – und der Fachkräftemangel dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen. Es werde für Firmen immer mühsamer, sich dagegen zu stemmen, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Achim Dercks, am Montag in Berlin.
Der DIHK spricht in einem Report von gravierenden Folgen. Das gelte für die betroffenen Unternehmen, aber auch für die Volkswirtschaft als Ganzes: „Es stehen Wachstums- und Wohlfahrtspotenziale ebenso wie öffentliche Einnahmen auf dem Spiel, wenn Personalknappheiten die an sich mögliche Produktion und das Dienstleistungsangebot beschränken.“
Nach dem Report, der auf Antworten von rund 23.000 Unternehmen basiert, ist der Fachkräftemangel für die Firmen das derzeit größte Geschäftsrisiko. Bremer Unternehmen sorgen sich ebenfalls am meisten vor dem Fachkräftemangel – noch vor Entwicklungen bei den Energie- und Rohstoffpreisen sowie den Rahmenbedingungen. Das zeigt eine Umfrage der Handelskammer Bremen unter rund 300 Betrieben. Demnach kann mehr als die Hälfte von ihnen derzeit Stellen längerfristig nicht besetzen, weil die passenden Arbeitskräfte fehlen.
„Wir sehen in den Ergebnissen unserer Unternehmensbefragung, dass es sich aktuell nicht mehr ausschließlich um einen Fachkräftemangel in einigen Branchen handelt. Die Umfrageergebnisse weisen in Teilen bereits auf einen generellen Arbeitskräftemangel hin“, kommentiert der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Bremen, Matthias Fonger, die am Montag veröffentlichen Ergebnisse. Vor allem fehlen laut der Umfrage Arbeitskräfte mit einer dualen Berufsausbildung.
Der Fachkräftemangel sei schneller und in einem größeren Umfang zurück als von vielen erwartet, sagte Dercks vom DIHK – obwohl die Wirtschaft noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen habe. Die größten Lücken bei qualifiziertem Personal gebe es in der Bauwirtschaft, der Gesundheitswirtschaft sowie im Maschinenbau. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hatte vor Kurzem gesagt: „Die Fachkräfte werden das Hauptthema werden.“
Bei der Gewerkschaft IG Metall hieß es: „Wir beobachten durchaus einen steigenden Fachkräftebedarf und einen ausgeprägten Wettbewerb um Spezialisten aus dem IT- und Softwarebereich. Von einem bundesweiten, die ganze Branche betreffenden Fachkräftemangel würden wir aber nicht sprechen.“ Echte Schwierigkeiten, Fachkräfte zu gewinnen, hätten vor allem kleine und mittlere Unternehmen – beispielsweise im Maschinenbau mit Sitz im ländlichen Raum oder in als wenig attraktiv wahrgenommenen Mittelzentren.
Differenz von 350.000 Beschäftigten
Insgesamt erwarten laut Report 85 Prozent der Unternehmen negative Auswirkungen vom wachsenden Fachkräftemangel. 43 Prozent der Firmen rechnen damit, dass sie Aufträge verlieren oder ablehnen oder ihr Angebot reduzieren müssen, wenn nötiges Personal fehlt. Die demografische Entwicklung bedeutet demnach konkret: Es gehen pro Jahr rund 350.000 Beschäftigte mehr in Rente als junge Leute ins Berufsleben eintreten – Tendenz steigend.
Der Umfrage der Bremer Handelskammer zufolge fehlen vor allem in Hotellerie und Gastronomie der Hansestadt die Fachkräfte. "Um nach der Corona-Krise ihre Geschäfte wieder hochzufahren, werden dringend zusätzliche Kräfte benötigt. 77 Prozent der befragten Hotel- und Gastronomiebetriebe geben an, derzeit offene Stellen längerfristig nicht besetzen zu können", heißt es von der Kammer.
Ein Großteil der Bremer Betriebe erwartet als Folge des Mangels, dass die bestehende Belegschaft mehr belastet werde. Die Hälfte der Unternehmen will die Arbeitgeberattraktivität verbessern, um auf die Probleme bei der Stellenbesetzung zu reagieren.