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"Open Innovation" Wenn Firmen voneinander lernen

Eine Alternative zur Unternehmensberatung: Die Bremer Softwarefirma HEC vertraut auf „Open Innovation“. Bei der Idee der offenen Innovation tauscht sich ein Unternehmen mit anderen aus oder kooperiert
01.05.2018, 21:32 Uhr
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Wenn Firmen voneinander lernen
Von Florian Schwiegershausen

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, seinen Betrieb voranzubringen. Da wäre die herkömmliche Unternehmensberatung, die analysiert, was der Betrieb in Zukunft zu tun hat und wie er es angehen sollte. Dass dabei in einer immer dynamischeren Wirtschaft die beste Lösung herauskommt, glauben die Verfechter der „Open Innovation“ nicht.

Davon gibt es immer mehr. Auf einigen Feldern könnte dieses Konzept die klassische Unternehmensberatung verdrängen. Bei der Idee der offenen Innovation tauscht sich ein Unternehmen mit anderen aus oder kooperiert, um auf diese Weise vom Know-how des anderen zu profitieren. So läuft es auch beim Bremer Software-Entwickler HEC, der Teil des IT-Unternehmens Neusta ist.

Für ihn hat diese Herangehensweise an Innovation einen inneren und einen äußeren Teil. Geschäftsführer Thorsten Haase sagt: „Wir kooperieren mit den anderen Unternehmen innerhalb des Teams Neusta. Es kann durchaus sein, dass ein Mitarbeiter vielleicht lieber eine Zeit lang im anderen Unternehmen arbeiten will. Dann kann er das tun.“

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Haase kann sich auch vorstellen, für eine bestimmte Zeit mit einem Konkurrenzunternehmen zu kooperieren, um gemeinsam eine Lösung für Probleme zu finden. „Und wenn man gemeinsam etwas erarbeitet, kann das vielleicht sogar dazu führen, gemeinsam ein Start-up zu gründen.“ Diesen Ansatz – gemeinsam ein Unternehmen zu gründen – verfolgen die herkömmlichen Unternehmensberatungen nicht. Statt sich abzuschotten, öffnet sich ein Unternehmen und baut die Barrieren ab.

Die Kooperation kann vielfältig sein. Haase nennt Beispiele: „So sollten unsere Mitarbeiter mit den Mitarbeitern des kooperierenden Unternehmens gemeinsam in Schulungen oder Fortbildungen gehen. Oder einer unserer Mitarbeiter hospitiert im anderen Unternehmen.“ So verfährt Haase auch mit Kunden. Die Mitarbeiter dort können bei HEC oder innerhalb des Teams Neusta hospitieren. „Oder ich bringe unseren Kunden mit jemand anderem zusammen, der wieder bei der Lösung des Problems behilflich sein kann.“

Kontakt mit Hochschulen

Genauso sucht Haase den Kontakt zu den Hochschulen. „Um ein Problem zu lösen, kann ich auch einen Wettbewerb ausschreiben und schauen, wer da eine Idee hat.“ Haase sieht einen weiteren Vorteil, was die Mitarbeitergewinnung angeht. „Dadurch werde ich als Arbeitgeber auch attraktiver. Denn gerade der jüngeren Generation geht es auch darum, wie zufrieden die Arbeit sie macht. Da geht es nicht unbedingt um das höchste Gehalt.“

Viele jüngere Menschen seien auf der Suche nach solchen Möglichkeiten des Austauschs. Gerade im Bereich der „augmented reality“, also der virtueller Ergänzungen realer Bilder, arbeitet HEC nach diesem Prinzip. Bei ihm beschäftigen sich zehn Mitarbeiter damit. Haase räumt allerdings ein, dass diese Art der Kooperation schwieriger wird, je größer eines der beiden Unternehmen ist.

Als kleineres Unternehmen lebe man grundsätzlich viel stärker von der Zusammenarbeit. Für beide Seiten kann die Kooperation auch Kosten bei der Entwicklung und Vermarktung senken. Auch das niedersächsische Unternehmen Otto Bock Healthcare aus Duderstadt, der Weltmarktführer für Arm- und Beinprothesen, setzt auf diese Art der Zusammenarbeit.

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Über verschiedene „Labore“ und digitale Plattformen sucht sich Otto Bock Innovationen von außen. Das sei sinnvoll, sagt Oliver Gassmann von der Universität Sankt Gallen. Der Professor für Technologiemanagement gibt zu bedenken: „99 Prozent des für ein Unternehmen relevanten Wissens liegen außerhalb des eigenen Betriebes.“ Gassmann forscht bereits seit einigen Jahren auf dem Feld der „Open Innovation“.

Das Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft in Eschborn sieht hier Chancen vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen. Referent Alexander Sonntag sagt: „Bei ihnen sind die finanziellen und personellen Ressourcen eng begrenzt und die steigende Komplexität der Produkt- und Dienstleistungsangebote verlangt ihnen gleichzeitig eine zunehmend breitere Wissensbasis ab.“

Wenn Haase zu diesem Thema vor anderen Unternehmern referiert, ist die erste Frage oft, wie man bei solchen Kooperationen verhindern könne, seine Patente und sein geheimstes Wissen preiszugeben. Haase sagt dazu: „So eine Kooperation ist dann vertraglich festgelegt. Da vereinbaren die Partner dann genau, worum es gehen soll. Und vielleicht gebe ich selbst nur 95 Prozent meines Wissens preis, aber nicht 100 Prozent.“

Partner sorgfältig auswählen

Wichtig sei die Haftung. Da gibt es laut Haase Probleme. So sieht es auch Klaus-Heiner Röhl, Unternehmensexperte vom Institut der deutschen Wirtschaft: „Wenn es um den Schutz von Patenten geht, sollte man beim Innovieren mit anderen Unternehmen erst recht alles genau festlegen und die Partner sorgfältig auswählen.“

Röhl sieht den Prozess der „Open Innovation“ nicht als Modeerscheinung: „Für Start-Ups und Softwareunternehmen hat das durchaus Potenzial, für die klassische Industrie eher nicht, weil da auch ganz andere Prozesse ablaufen, die auch mehr Zeit benötigen und Produkthaftungsfragen eine größere Rolle spielen.“ Wegen der Haftungsfragen glaubt Röhl, dass bei Unternehmen mit Open-Innovation-Kultur in Zukunft die Rechtsabteilungen größer werden.

Wer „Open Innovation“ ebenso lebt, ist Elon Musk. Der Tesla-Chef hat sämtliche Patente freigegeben, weil er der Elektromobilität einen Schub verleihen will. „Wenn andere das kopieren, kann er so vielleicht einen Standard setzen. Und er sagt sich: Wenn andere das kopieren, bin ich eh schon längst einen Schritt weiter“, so Röhl.

Notwendige Unternehmenskultur muss vorhanden sein

Während der IW-Experte nicht glaubt, dass diese Art der Kooperation auch gegen den Fachkräftemangel helfen könnte, sieht HEC-Geschäftsführer Thorsten Haase das anders: „Warum sich gegenseitig für viel Geld die Fachkräfte abwerben? Da ist es doch besser, man arbeitet auf diese Weise zusammen.“

Allerdings müsse in den Firmen auch die notwendige Unternehmenskultur vorhanden sein. „Statt Neid gegenüber dem erfolgreicheren Wettbewerber zu haben, sollte ich ihn lieber kontaktieren, um von ihm zu lernen, wie er das gemacht hat.“ Über die Kooperation zwischen HEC und den Hochschulen in Bremen können die Studierenden früh zeigen, welche Ideen sie haben – und lernen so womöglich ihren künftigen Arbeitgeber kennen.

Haase sieht die Art der offenen Kooperation auch als Chance, um als Unternehmen für Auszubildende attraktiver zu sein. Da immer mehr Unternehmen um immer weniger junge Menschen werben, müssen sich die Betriebe etwas einfallen lassen – „Open Innovation“ kann ein Weg sein.

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