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Stockender Ausbau Wie die Nordländer die Windenergie-Branche anschieben wollen

Ein Plan mit elf Punkten und ein Brief an Kanzlerin Merkel - die Regierungschefs der Küstenländer erhöhen den politischen Druck, um die Krise der Windanlagen-Hersteller in den Griff zu bekommen.
29.11.2019, 22:38 Uhr
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Von Peter Hanuschke und Ulrich Steinkohl

Wegen des fast zum Erliegen gekommenen Windkraft-Ausbaus in Deutschland haben sich die Regierungschef der fünf norddeutschen Bundesländer mit einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und um ein Gespräch gebeten. Zugleich legten die Regierungschef am Freitag in Berlin einen Elf-Punkte-Plan vor, der unter anderem höhere Ausschreibungsmengen, das Ausschöpfen aller möglichen Flächen für Anlagen und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren beinhaltet.

Kritik kam auch von Unternehmen und Verbänden der Windbranche. Die aktuelle und frühere Bundesregierungen hätten den Ausbau „durch falsche Entscheidungen und durch Nichthandeln“ stark verlangsamt, sagte der Chef des Wirtschaftsverbands Windkraftwerke, Wolfgang von Geldern. „Wir verzichten auf Chancen in zukünftig großen Weltmärkten. Wir müssen diesen Prozess stoppen“, sagte Hermann Albers, der Präsident des Bundesverbands Windenergie. Auch VW-Strategiechef Michael Jost betonte die wirtschaftlichen Chancen durch erneuerbare Energien. „Jetzt kommt die Zeit von Europa. Jetzt kommt die Zeit von Deutschland.“ Ohne Ökostrom machten hingegen auch Elektroautos keinen Sinn.

Einbruch um 82 Prozent

„Der Ausbau der Windenergie an Land ist in diesem Jahr faktisch zum Erliegen gekommen“, heißt es unter anderem in dem Brief von Stephan Weil (SPD, Niedersachsen), Andreas Bovenschulte (SPD, Bremen), Daniel Günther (CDU, Schleswig-Holstein), Peter Tschentscher (SPD, Hamburg) und Manuela Schwesig (SPD, Mecklenburg-Vorpommern). Von 2014 bis 2018 habe der bundesweite Zubau durchschnittlich bei 2700 Megawatt gelegen. 2019 seien bislang nur 86 Anlagen mit einer Leistung von 507 Megawatt errichtet worden – ein Einbruch um 82 Prozent.

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Bovenschulte wertete den Auftritt in Berlin als Erfolg: „Wir haben gut argumentiert, eine klare Position bezogen. Es stand die Sache im Vordergrund, es ging nicht um Einzelinteressen“, sagte der Bürgermeister dem WESER-KURIER. Er geht davon aus, dass es am Rande der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 5. Dezember Gelegenheit gibt, mit der Kanzlerin ins Gespräch zu kommen.

Bovenschulte optimistisch

Bremens Bürgermeister geht davon aus, dass im Sinne der Windenergiewirtschaft und im Sinne der Energiewende in den nächsten Wochen Bewegung in die Sache kommt. „Wir haben gute Argumente, es gibt keine dagegen“, so Bovenschulte.

In den vergangenen drei Jahren seien in der Windenergiebranche in Deutschland über 40.000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Das seien doppelt so viele wie es insgesamt Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie gebe. In dem Brief an die Kanzlerin, der auch den Elf-Punkte-Plan enthält, gehen die fünf Regierungschefs insbesondere auf das „Klimaschutzprogramm 2030“ der Bundesregierung ein. Dieses sieht unter anderem im Koalitionsvertrag vor, bis 2030 den Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch auf 65 Prozent zu erhöhen, was nun auch gesetzlich verankert werden soll. „Hierfür ist ein höherer Ausbau insbesondere der Windenergie in Deutschland zwingend erforderlich.“

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Derzeit gibt es auch Streit über einen Gesetzentwurf von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der den Kohleausstieg regeln soll. In einer ersten Fassung enthielt er auch die Vorschrift eines Abstands von 1000 Metern zwischen Windrädern und Siedlungen, auf die Union und SPD sich nach langen Verhandlungen verständigt hatten. Diese Regelung legte das Wirtschaftsministerium aber strenger aus, als das SPD-geführte Umweltministerium es für tragbar hält. In einem neueren Entwurf fehlt die Regelung zwar, sie wäre damit aber nicht vom Tisch, sondern käme im kommenden Jahr. Gleichfalls nicht mehr in der Referentenvorlage enthalten ist die Anhebung des Deckels für den Ausbau von Offshore-Windkraftanlagen von derzeit 15 auf 20 Gigawatt bis 2030.

Insolvenzen und weniger Arbeitsplätze

Ob der Wegfall der Anhebung für Offshore als gutes oder schlechtes Zeichen im Hinblick auf das Gespräch mit Kanzlerin Merkel zu werten ist, kann Bovenschulte derzeit nicht einordnen. „Herr Altmaier hat damit aber auf jeden Fall für komplette Verwirrung in der Windkraftbranche gesorgt.“

Dass die Windkraftbranche schon länger ins Stocken geraten ist, zeigt sich an mehreren Beispielen. Enercon aus Aurich – einer der größten deutschen Hersteller von Windkraftanlagen – hat angekündigt, 3000 Arbeitsplätze abzubauen. Aber auch bei Produktionspartnern, Zulieferern und Zeitarbeitsfirmen ist mit Einschnitten zu rechnen. Im April meldete Senvion Insolvenz an, wovon auch das Produktionswerk in Bremerhaven betroffen war, wo Turbinen für Onshore- und Offshore-Anlagen gebaut worden. Und bei Nordex aus Rostock stieg der Nettoverlust in den ersten neun Monaten des Jahres von 51,8 Millionen auf 76,5 Millionen Euro.

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