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Social Entrepreneurship Wie Sozialunternehmen die Wirtschaft verändern wollen

Unternehmen geht es nicht nur um den Profit - das wollen Sozialunternehmer beweisen. In Bremen gibt es einige Ansätze, diesen Wirtschaftszweig zu fördern.
01.08.2021, 05:00 Uhr
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Wie Sozialunternehmen die Wirtschaft verändern wollen
Von Stefan Lakeband

Idee, Wachstum, Gewinn – auf diese drei Schritte kann man viele Start-ups herunterbrechen. Dass es bei den jungen Unternehmen aber nicht immer nur ums Geld und das nächste große Ding gehen muss, zeigen sogenannten Social Entrepreneure. Anstatt des Profits stellen diese Sozialunternehmer das Gemeinwohl in den Fokus ihrer Arbeit. Bremen will diese Art der Unternehmer unterstützen.

Doch wie kann so ein Unternehmen aussehen? Das haben jüngst unter anderem zwei Veranstaltungen im Starthaus gezeigt, der Bremer Anlaufstelle für Gründungsinteressierte. In zwei sogenannten Social Camps ging es darum, wie sich Unternehmertum und soziale Aspekte vereinen lassen. Hierfür haben sich Teams zusammengefunden, die gemeinsam an einem Projekt gearbeitet haben. „Natürlich kann man in 2,5 Tagen kein Geschäftsmodell entwickeln“, sagt Michael Stuckenberg vom Starthaus, das ein Bereich der Bremer Aufbaubank ist. So könnten aber erste Ansätze entstehen, die sich weiter verfolgen ließen.

Ein Beispiel für eine Idee, die Gemeinwohl und Unternehmertum verbindet, ist Green Chimp, das bei einem der beiden Social Camps entstanden ist und sich bei der Präsentation der Projekte durchgesetzt hat. Die Teammitglieder hatten die Idee zu einer App, mit der der Einkauf nachhaltiger werden soll. So könne man etwa Lebensmittel im Supermarkt scannen und etwas über deren Klimabilanz lernen. „Ein Bioapfel ist nicht immer die beste Wahl, vor allem dann nicht, wenn er aus Südamerika kommt“, sagt Petra Oetken, die das Starthaus leitet. Eine App wie Green Chimp könne Konsumenten über diese Fallstricke aufklären und bei einem nachhaltigeren Konsum helfen.

Solche Camps, sagt Oetken, würden auch dabei helfen, sich bewusst zu machen, wie man Erlöse mit einer nachhaltigen Idee generieren kann. Zudem sollen die Teilnehmer und potenziellen Gründer erfahren, welche Möglichkeiten Social Entrepreneure im Vergleich zu herkömmliche Unternehmen haben. „Sie können etwa über Crowdfunding Investoren gewinnen oder eine andere Unternehmensform wählen“, sagt die Starthaus-Leiterin.

Dass Interesse besteht, sehen die beiden Gründungsexperten nicht nur an der Teilnehmerzahl der beiden Social Camps, sondern auch in anderen Bereichen. „Wer in seinem privaten Umfeld schaut, sieht auch, dass die Leute mehr Wert auf Work-Life-Balance legen anstatt auf den nächsten Gehaltssprung“, sagt Oetken. Andere Beispiele für erfolgreiches Social Entrepreneurship sind etwa Unverpacktläden, von denen es auch mehrere in Bremen gibt. Hier wird auf Verpackungen von beispielsweise Lebensmitteln verzichtet, damit weniger Abfall anfällt. Im Sozialunternehmen Weserholz bekommen Geflüchtete mit Duldungsstatus, die durch viele Raster für staatliche Betreuungsangebote fallen, eine Perspektive und entwerfen und bauen Möbelstücke. Die Hilfswerft und das Social Impact Lab sind neben der Wirtschaftsförderung Bremen zudem zwei Anlaufstellen für Gründer und Unternehmer, die bei Fragen zum sozialen Unternehmertum weiterhelfen.

Der Anteil Bremens an allen Sozialunternehmen in Deutschland ist dennoch klein. Der aktuelle Deutsche Social Entrepreneurship Monitor (DSEM) kommt in einer Befragung von 428 solcher Unternehmen auf eine Quote 0,2 Prozent; in Niedersachsen liegt der Anteil bei 2,6 Prozent. Die meisten Teilnehmer des DSEM kommen aus Berlin (19,4 Prozent), Nordrhein-Westfalen (14,0 Prozent), Bayern (12,6 Prozent), Hessen (11,7 Prozent) und Hamburg (11,2 Prozent). Zusammen stellen die fünf Bundesländer mehr als zwei Drittel aller befragten Sozialunternehmen.

Der Bremer Senat misst den Sozialunternehmen im eigenen Land eine große Bedeutung bei. Sie „sind wichtige Treiber der ökologischen und sozialen Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft. Mit den am Gemeinwohl orientierten Geschäftsmodellen und Projekten eröffnen sie neue Wege, digitale, soziale und ökologische Herausforderungen zu bewältigen“, heißt es in einer Antwort auf eine Große Anfrage von SPD, Grünen und Linke, aus dem vergangenen Jahr. „Damit kann eine Vorbildfunktion für andere Wirtschaftsbetriebe gegeben werden.“ 2020 hat der Bremer Senat beschlossenen, Solidarische Wirtschaft, Genossenschaften und Social Entrepreneurship in Bremen und Bremerhaven zu fördern. Ziel sei es, Sozialunternehmen in Bremen zu gründen, anzusiedeln oder weiterzuentwickeln.

Bremen sei dafür ein guter Standort, glauben auch Oetken und Stuckenberg. „Angebot und Nachfrage sind hoch“, sagen sie. Von einem Hotspot könne man aber noch nicht sprechen. Dafür brauche es mehr Zeit. „Wir versuchen, aber ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Social Entrepreneure wohlfühlen“, sagt Stuckenberg. „Wenn Sozialunternehmer an Bremen denken, sollen sie überzeugt davon sein, dass die Stadt ein gutes Pflaster ist, um sich hier niederzulassen.“

Zur Sache

Frauen gründen häufiger

Start-ups in Deutschland werden häufig von Männern gegründet und geleitet. Bei Sozialunternehmen ist das allerdings anders: 53 Prozent der Geschäftsführer sind weiblich. Das geht aus dem Deutschen Social Entrepreneurship Monitor hervor, der diesen März erschienen ist. Der Untersuchung zufolge liegt das vor allem daran, dass Frauen bei ihrer Unternehmertätigkeit häufig ein höheres Ziel (Purpose) verfolgen und sich häufiger an ökologische Nachhaltigkeitsziele gebunden sehen. Frauen sei „neben der Vision zum Produkt auch der gesellschaftliche Beitrag des Geschäftsmodells wichtig – sie finden sich eher jenseits des klassischen Verständnisses von Wirtschaft wieder“, sagte Stephanie Birkner, Expertin für Female Entrepreneurship an der Universität Oldenburg, dem Wirtschaftsmagazin „Enorm“.

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