Die Kölner Messe ist ein Bau von monumentaler Schlichtheit: groß, kühl und funktional. Ein Ort, an dem man Anzüge und Aktentaschen vermutet. Nun aber sind die Hallen wie verwandelt: dunkler; die Kleidung: greller; die Lichter: überall. Willkommen auf der Gamescom. An den Tagen nach der offiziellen Eröffnung am Dienstag, der traditionell Wirtschaft, Politik und Medien vorbehalten ist, warten Tausende Besucher vor den Türen der „Koelnmesse“. Die Computer- und Videospielmesse zieht wie kaum ein anderer Branchentreff in Deutschland auch das Massenpublikum an – vor allem das junge.
Es geht hauptsächlich darum, neue Spiele anzutesten. „Ich habe den heutigen Tag gestern vorgeplant. Wenn alles klappt, schaffe ich fünf Spiele“, sagt Paul, ein junger Besucher. Das klingt nicht nach viel, hängt aber mit den berüchtigt langen Warteschlangen auf der Gamescom zusammen. Der 20-Jährige hat seine Route über das Gelände wie ein Feldherr geplant. Immerhin ist er zufrieden: Man erinnere sich doch nur an die Gamescom 2016. Bei „Final Fantasy“ habe er damals mit der surrealen Wartezeit von guten 16 Stunden rechnen müssen.
Nachdem sie sich schon am Dienstag mit Politikern und Spezialisten getroffen haben, müssen Spieleunternehmen nun ihre eigenen sowie potenziellen Kunden bezaubern. Wie die Firma Quantumfrog aus Oldenburg, die neben der klassischen Webseitengestaltung auch Games und Apps entwickelt. „Unser Ziel ist, Spiele auch in Umgebungen einzubringen, die eigentlich nichts mit der traditionellen Spiele-Welt zu tun haben“, erklärt ein Mitarbeiter. Etwa in der Geschäftswelt oder im Bildungsbereich.
Was das bedeutet, erklärt Geschäftsführer Hendrik Rump. Sein Unternehmen habe „Vocabicar“ entwickelt, eine App zum Englisch-Lernen. Bei dem Spiel können Schüler durch verschiedene virtuelle Welten fahren und Gegenstände einsammeln, deren englische Bezeichnung sie auf diese Art einfacher lernen können. Die App, die zusammen mit dem Westermann-Verlag erdacht wurde, hat kürzlich das Comenius-Edumedia-Siegel erhalten und ist damit als herausragendes didaktisches Multimedia-Produkt ausgezeichnet worden.
Kontakte zu den großen Spielevermarktern
Von der Messe in Köln erhofft sich das Oldenburger Unternehmen vor allem Kontakte zu den großen Spielevermarktern, die die Quantumfrog-Produkte weltweit vertreiben könnten. Mit seinen Serious Games richtet sich das Unternehmen auch an Geschäftskunden. Bei diesen steht nicht die Unterhaltung im Vordergrund, sondern das Lernen.
Geschäftliches mit Spielerischem zu verbinden, ist auch eines der Ziele von Nordmedia, der Medien-Fördereinrichtung für Bremen und Niedersachsen. Auch sie ist bei der Computerspiel-Messe vertreten. „Wir wollen nicht nur Kontakte knüpfen, sondern hoffen auch durch Gaming-Technologien, die Digitalisierung von Industrien voranzutreiben“, erklärt Geschäftsführer Thomas Schäffer. Zum Beispiel mit Anwendungen wie digitalen Führungen oder virtuellen Konferenzen.
Aus Bremen sind dieses Jahr kaum Unternehmen bei der Messe vertreten. „Es gibt jedoch in Bremen ganz viel Potenzial“, sagt Schäffer. Eine ganze Reihe von Firmen sei im digitalen Bereich und Design aktiv. Förderungen für Game-Entwickler würden jedoch bisher nur in Niedersachsen angeboten, sagt der Geschäftsführer. Eine Ausnahme gab es in der Vergangenheit: Das Entwicklerstudio King Art habe Unterstützung bekommen. „Deren Spiele sind sehr vielfältig“, begründet Schäffer.
„Einfach zusammen spielen“
Das Motto der diesjährigen Gamescom lautet „Einfach zusammen spielen“. Der Titel deutet irgendwie schon an, dass die Messe 2017 nicht mit bahnbrechenden Neuerungen aufwartet. Selbst wenn die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) digitale Spiele bei der Eröffnung als „Kulturgut, Innovationsmotor und Wirtschaftsfaktor von allergrößter Bedeutung“ pries.
Umso klarer ist in diesem Jahr daher zu sehen, was die Gamescom neben einer Leistungsschau auch noch ist: ein Szene-Treff. In den Warteschlangen und an den Bildschirmen kommt man schnell ins Gespräch. „Es geht hier auch darum, Freunde zu treffen“, sagt Marc. Er hat einen Campingstuhl dabei, als er sich in die Schlange zum Kriegs-Shooters „Call of Duty: WWII“ einreiht. Es sind immer noch vor allem junge Männer, die auf die Gamescom kommen. Aber es ist erkennbar, wie die Szene immer mehr im Mainstream ankommt. Wer sich früher mit Videospielen beschäftigte, unterlag einer vergleichbaren Wahrnehmung wie die vermeintlichen Käuze, die in Comicbuch-Läden mit Verkäufern fachsimpeln.
Heute sprechen schon die Zahlen gegen die These von der Nische. Im vergangenen Jahr kamen etwa 315.000 Privatbesucher zur Gamescom. Seit sie 2009 erstmals in Köln veranstaltet wurde und damit die Gamesconvention in Leipzig ablöste, wächst die Messe. Längst sind nicht nur Spielefirmen vertreten, sondern auch diverse andere Organisationen – von der Bundeswehr bis zum Evangelischen Jugendpfarramt Köln. Wie auf einer Party werfen Einheizer unter Bass-Gewummer T-Shirts von den Bühnen.
Die Subkultur ist so groß, dass sie weitere Subkulturen hervorbringt. Dazu zählen beispielsweise die Cosplayer: Videospielfans, die sich wie ihre Lieblingsfiguren verkleiden. Immer wieder begegnen die Besucher Pokémons, Jedi-Rittern und Fabelwesen. Alex und Jenny sind mit Fellohren bestückt – wie „Gnar“ aus „League of Legends“. An den Spiele-Demos sind sie gar nicht so interessiert. Alex sagt: „Das Warten ist mir ehrlich gesagt zu anstrengend.“