Sie sind unzufrieden. Warum?
Harald Emigholz: Beim Vorgehen zum Thema Gewerbesteuer hat der Senat einen Weg gewählt, der für uns nicht akzeptabel ist. Bisher war es in Bremen üblich, dass wesentliche Themen, die die Wirtschaft betreffen – und der Gewerbesteuerhebesatz gehört zweifelsohne dazu – mit uns besprochen werden.
Die Politik kann mit Ihnen sprechen, sie muss es aber nicht.
Das stimmt. Aber in der Vergangenheit sind wir bei zentralen Fragestellungen zumindest informiert worden und haben Begründungen bekommen. Das hätten wir auch in diesem Fall erwartet. Zumal wir uns aus unserer Sicht immer konstruktiv eingebracht haben.
Sie ärgern sich darüber, dass Sie in die Erhöhung der Gewerbesteuer nicht miteinbezogen wurden. Wie haben Sie erfahren, dass es Veränderungen gibt?
Wir haben zum ersten Mal etwas von den Plänen erfahren, als Medien uns um unsere Meinung zur Gewerbesteuererhöhung gefragt haben. Dann haben wir mitbekommen, dass die Erhöhung schon einige Tage zuvor beschlossen worden war. Das hat uns den Eindruck vermittelt, dass wir als Gesprächspartner nicht mehr gefragt sind. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Regierung ist dadurch deutlich gestört.
Was ist denn eigentlich so schlimm an der Erhöhung der Gewerbesteuer? Die neun Millionen Euro mehr, mit denen das Land nun pro Jahr plant, verteilen sich schließlich auf alle Unternehmen.
Es geht nicht um die reinen Zahlen. Über die ist schon genug gesprochen worden. Es geht um die Verlässlichkeit der Regierung gegenüber der Wirtschaft. 2014 wurde die Gewerbesteuer zuletzt angehoben. Damals hieß es seitens des Senats: „Bei diesem Hebesatz werden wir lange bleiben.“ Drei Jahre später gilt dieses Versprechen nicht mehr. Für die Planungssicherheit von Unternehmen, auch von jenen, die sich hier ansiedeln wollen, ist solch ein Zick-Zack-Kurs schädlich.
Damals war der Bürgermeister ein anderer als heute. Warum sollte sich Herr Sieling an Absprachen halten müssen, die sein Vorgänger getroffen hat?
Wir sprechen mit der Regierung. Wer das Gesicht dieser Regierung ist, darf bei der Frage der Verlässlichkeit keine Rolle spielen.
In den Sommerferien haben Sie ein Vier-Augen-Gespräch mit Carsten Sieling geführt, dessen Inhalt nicht an die Öffentlichkeit dringen sollte. Hat dieses Gespräch denn nichts gebracht?
Ich habe ihm damals sehr deutlich gemacht, dass wir über das Vorgehen sehr verärgert sind. Und ich hatte auch das Gefühl, dass das angekommen ist – das war offenbar aber nicht der Fall.
Auch beim Einlenken in Sachen City-Tax hatten Sie nur wenig Erfolg. Hört man Sie vonseiten der Politik nicht mehr?
Die Belange der Wirtschaft werden nicht mehr ausreichend gewürdigt. Als die City-Tax eingeführt wurde, haben wir sie zähneknirschend akzeptiert. Allerdings nur unter dem Gesichtspunkt, dass die Mehreinnahmen genutzt werden, um Standortmarketing zu betreiben, den Tourismus zu stärken und die Kultur zu unterstützen. Jetzt ist dieses Geld plötzlich nicht mehr zweckgebunden, sondern fließt in den allgemeinen Haushalt. Da kann man doch gar nicht anders, als an der Verlässlichkeit der Landesregierung zu zweifeln. Vor allem, wenn man es im Zusammenhang sieht. Gewerbesteuererhöhung und City-Tax sind nur zwei von vielen anderen Themen. Ähnliches haben wir bei der E-Mobilität, den Schwerlasttransporten, beim Ringschluss der A281 oder den Gewerbeflächen erlebt. All das sind Mosaiksteine, die zusammengenommen sehr unzufrieden machen.
Gibt es denn tatsächlich konkrete Fälle, in denen Unternehmen sich wegen politischer Entscheidungen und Aussagen vom Standort verabschiedet haben?
Wir sehen in den vergangenen beiden Jahren einen verstärkten Trend, dass mittelständische Unternehmen im Umland und nicht mehr in Bremen investieren. Gerade über die Gewerbesteuererhöhung haben sich viele Unternehmer bei uns beschwert. Es kommt deswegen sicherlich keine Firma in eine wirtschaftliche Schieflage. Aber darum geht es auch nicht. Wir haben hier in der Summe ein echtes Vertrauensproblem.
Es gibt einen regelmäßigen Jour-Fixe von Kammer und Rathaus. Vertreten Sie Ihre Positionen dort nicht deutlich genug?
Auf der persönlichen Ebene ist der Austausch gut – sowohl mit Bürgermeister Sieling als auch mit den Senatoren. Am Ende zeigt sich aber leider häufig, dass die Verwaltung eine andere Richtung einschlägt und dadurch zum Hemmschuh wird. Es wäre hilfreich, wenn unser Bürgermeister endlich mit einer Richtlinienkompetenz ausgestattet wird und mal auf den Tisch haut. Natürlich wären wir mit Sicherheit nicht mit allen Entscheidungen, die der Bürgermeister treffen würde, zufrieden – aber wenigstens würde mal entschieden.
Das ist keine neue Forderung der Handelskammer. Und es sieht auch nicht danach aus, als würde der Bürgermeister in nächster Zeit eine Richtlinienkompetenz bekommen.
Das fürchte ich auch. Aber es würde ja auch schon genügen, wenn er sich die Richtlinienkompetenz in bestimmten Fällen aneignen würde. Senator Mäurer hat das beim Stadtamt getan: Er hat angepackt und Dinge sofort und ohne große Bürokratie verändert.
Ist der Bürgermeister zu schwach?
Dazu maße ich mir kein Urteil an. Fest steht: Ich möchte weiterhin intensiv mit Bürgermeister Sieling zusammenarbeiten, weil es uns die Möglichkeit gibt, unsere Themen einzubringen. Das geht nur, wenn wir respektvoll miteinander umgehen.
Auch wenn Sie sich zuletzt sehr geärgert haben: Die Bremer Wirtschaft floriert. Im ersten Halbjahr hat die Hansestadt mit einem Plus von 3,5 Prozent das stärkste Wirtschaftswachstum verzeichnet. Bürgermeister Carsten Sieling hat in der vergangenen Woche gesagt, dass das ein Fakt sei, den viele nicht hören wollten. Ignorieren Sie diese Zahlen?
Nein, im Gegenteil, wir betonen immer wieder, dass unser Land eine starke Wirtschaft hat. Wir haben leistungsfähige, innovative und kreative Unternehmen, die die Wirtschaft tragen. Aber Fakt ist doch: Im Vergleich mit anderen Städten hinken wir bei den Standortbedingungen hinterher.
Wie meinen Sie das?
Wenn wir uns mit anderen Städten unserer Größenordnung wie beispielsweise Leipzig vergleichen, dann wachsen diese Städte häufig viel stärker. Nicht nur in der Wirtschaftsleistung, sondern auch bei Faktoren wie der Bevölkerungsentwicklung. Die Politik ist gefordert, verlässliche Zukunftsperspektiven aufzuzeigen, wie Bremen wachsen kann. Wachstum nicht um seiner selbst willen, sondern als Voraussetzung dafür, dass das Land die anstehenden Herausforderungen in Bildung, Sozialem und Infrastrukturentwicklung aus eigener Kraft stemmen kann.
Das sind Themen, die auch in der Zukunftskommission besprochen werden.
Mein Eindruck aus der Auftaktveranstaltung ist, dass viele der Teilnehmer das Forum nutzen, um ihre monetären Wünsche vorzutragen. Nur die externen Wissenschaftler haben bei diesem Treffen eine Zukunftsvision entworfen. Und ich weiß, dass nicht nur ich das so wahrgenommen habe. Mir fehlt in dieser Kommission der inhaltliche Fokus. Die Ziele, die die Stadt erreichen will, sind bislang nicht mit Zahlen hinterlegt. Ich befürchte, dass die Zukunftskommission mit ihren Vorschlägen am Ende nur im Allgemeinen bleibt. Und das wäre alles andere als gut für Bremen.