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Raumfahrtstandort Bremen Kristina Vogt: "Die Herausforderungen sind größer geworden"

Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt fürchtet, dass Deutschland das Budget für die Raumfahrt einkürzen könnte. Das würde negative Folgen für Bremer Firmen haben. Deswegen wirbt sie nun in Paris für den Standort.
19.09.2022, 05:00 Uhr
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Kristina Vogt:
Von Maren Beneke

Frau Vogt, am Sonntag ist der International Astronautical Congress IAC in Paris gestartet. Warum ist die Raumfahrtmesse für Bremen so bedeutend?

Kristina Vogt: Für uns ist der IAC wichtig, weil wir in Europa mit 140 Unternehmen und 20.000 Beschäftigten der größte Raumfahrtstandort sind. Mit Ariane Group, Airbus Defence and Space und OHB haben die wichtigsten Spieler, die unter anderem an den institutionalisierten Programmen etwa der Esa beteiligt sind, einen Standort in Bremen. Aber es gibt auch viele kleine Zulieferer und Start-ups aus dem Bereich der Anwendung, die wichtiger werden, weil die kommerzielle Raumfahrt einen immer größeren Raum einnimmt.

Welche Hausaufgaben nehmen Sie also aus Bremen mit?

Als Vertreter der Landesregierung treffen wir uns dort mit den Bremer Ausstellern, aber natürlich auch mit den großen Institutionen wie der Esa oder dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Gegenüber diesen Organisationen vertreten wir Bremen und seine Unternehmen. In diesem Jahr wird ganz klar die Vorbereitung der Esa-Ministerratskonferenz im November im Mittelpunkt stehen.

Das heißt, Sie müssen Klinken putzen.

Das gehört dazu, schließlich geht es darum, dass alle Unternehmen, also auch die kleineren, an den institutionalisierten Programmen partizipieren. Jetzt wird aber erst einmal erörtert, wie die nächsten Esa-Programme überhaupt aussehen.

Bei der letzten Esa-Ministerratskonferenz 2019 haben die Länder der Europäischen Union ein Rekordbudget von 14,4 Milliarden Euro beschlossen. Doch jetzt sind die Zeiten andere, das Geld sitzt bei den Staaten nicht mehr so locker. Wie sehr müssen auch die Bremer Unternehmen zittern?

Das lässt sich noch nicht sagen, weil die Gespräche noch laufen.

Deutschland hatte zuletzt die Rolle des stärksten Beitragszahlers von Frankreich übernommen. Gehen Sie davon aus, dass es in diesem Jahr dabei bleibt?

Im Moment ist die Bundesregierung eher verhalten. Die Tendenz ist, auf den Stand von vor 2019 zurückzukehren. Wir sind der Meinung, dass der Bund mindestens genauso viel wie vor drei Jahren investieren sollte, weil die Konkurrenz durch Italien und die Herausforderungen in der Raumfahrt etwa durch die kommerziellere Nutzung und den New-Space-Boom größer geworden sind.

Vor dem Hintergrund etwa der Energiekrise erwarten die Bürger von der Regierung finanzielle Unterstützung. Wie soll ihnen in so einer Situation vermittelt werden, dass doch bitte noch mehr Geld als bisher für die Raumfahrt ausgegeben werden sollte, während es an anderer Stelle fehlt?

Ich würde dagegen halten, dass wir in Deutschland genug Geld haben – es nur nicht richtig gut verteilt ist. Der Bundesregierung muss klar sein, dass Raumfahrt existenziell nötig ist: Ohne könnten wir den Klimawandel nicht wirkungsvoll bekämpfen, die Enmap-Satellitenmission mit Technik aus Bremen liefert zum Beispiel wichtige Daten; Fragen der Telekommunikation und Navigation sind berührt, da geht es unter anderem um die Unabhängigkeit von Ländern wie den USA oder China; und wir haben aktuell einen Krieg vor unserer Haustür, wo jedem klar sein sollte, wie wichtig Aufklärungssatelliten in diesem Kontext sind. Und es geht längst auch um Ressourcen: Die Nasa-Mondmission Artemis steht unter dem Motto "Wir sind gekommen, um zu bleiben" mit dem Ziel, Rohstoffe des Mondes nutzbar zu machen.

Wenn Deutschlands Budget geringer als zuletzt ausfällt und es vielleicht sogar die führende Rolle als Beitragszahler abgibt, werden das auch Bremer Unternehmen direkt zu spüren bekommen.

2019 haben sich Bremen, Bayern und Baden-Württemberg im Schulterschluss dafür stark gemacht, dass Deutschland die Beiträge erhöht, damit wir mehr durch den sogenannten Geo-Return bekommen. Das bedeutet, dass das Geld, das die Staaten in die Raumfahrtprogramme investieren, eins zu eins zurück in die Mitgliedsstaaten geht. Davon profitieren also deutsche und damit natürlich auch Bremer Unternehmen. Wenn andere Länder nun mehr zahlen, dann landet logischerweise weniger Geld in Deutschland und damit auch in Bremen.

Das Bundeswirtschaftsministerium und das Kanzleramt sind seit dem vergangenen Jahr nicht mehr christdemokratisch geführt, sondern unter grüner beziehungsweise sozialdemokratischer Flagge. Ist das ein Problem?

Es gibt mit Anna Christmann eine engagierte Luft- und Raumfahrtkoordinatorin in der Bundesregierung. Für die Raumfahrt war es immer schwierig, Geld zu bekommen, und auch vor drei Jahren war es nicht selbstverständlich, dass das Budget erhöht wird. Es ist eine kleine Sparte, aber mit einer großen Wirkung und das wird – leider zu Unrecht – in den Verteilungskämpfen um die Budgets oft nicht gesehen.

Das Gespräch führte Maren Beneke.

Zur Person

Kristina Vogt

ist seit 2019 Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa. 2011 war sie erstmals als Abgeordnete für die Linken in die Bürgerschaft gewählt worden, die sie acht Jahre lang als Fraktionsvorsitzende anführte. Vogt kommt gebürtig aus Münster und lebt heute in Walle.

Info

Der IAC

Der International Astronautical Congress (IAC) ist ein jährlicher Raumfahrtkongress, der seit 1950 an wechselnden Orten veranstaltet wird. Neben einer Messe mit Ausstellern aus aller Welt gibt es bei dem Branchentreff Tagungsveranstaltungen, Vorträge oder Netzwerktreffen. Ausrichterin ist die International Astronautical Federation, ein Zusammenschluss von mehr als 300 Mitgliedern aus knapp 70 Ländern. Im vergangenen Jahr fand der Kongress in Dubau statt, in diesem Jahr geht es für die Teilnehmer vom 18. bis 22. September nach Paris.

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