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Wie ein Bremer mit Behinderung Arbeit fand Zurück ins Berufsleben

Angsterkrankung, Depression und Trauma – Jan Brunkenhövers begleiten diese Themen. Trotzdem hat der Bremer Arbeit gefunden. Was er sich für Menschen mit Behinderung wünscht.
07.03.2022, 14:30 Uhr
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Zurück ins Berufsleben
Von Lisa Schröder

Wenn Jan Brunkenhövers erklären soll, was seine Behinderung für ihn im Alltag bedeutet, findet er für das Unsichtbare ein Bild. Sein Nervenkostüm reagiere in manchen Momenten eben ein wenig anders, er sei dann schneller erschöpft, wolle sich in ein Schneckenhaus zurückziehen.

Angsterkrankung, Depression und Trauma – diese Themen begleiten Jan Brunkenhövers in seinem Leben. Die Beeinträchtigung schwanke immer auch ein bisschen. Manchmal sei sein Nervenkostüm auch genau aus dem Stoff gewebt, der zur Situation passe, dann sei er "super belastbar und aufgeschlossen".

Wenn es um Telefonate geht, werde sein Nervenkostüm gefühlt aber doppelt beansprucht. Brunkenhövers möchte darum lieber Fragen in einer Mail beantworten. Aus seinen Sätzen ist zu erkennen, dass es ihm sehr wichtig ist, den richtigen Ton zu treffen. "Der Trend geht jetzt doch eher zu Textnachrichten – eine Entwicklung, die für mich barrierefreier ist", sagt der Bremer.

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Wie klappt es für ihn mit dieser Einschränkung, einen Beruf zu finden? Brunkenhövers hat dabei Hilfe von der Arbeitsagentur Bremen bekommen. Dort gibt es Teams, um Menschen mit Behinderung gezielt zu unterstützen. "Durch die Arbeitsagentur Bremen konnte ich in den vergangenen Jahren zwei Arbeitsplätze finden", sagt Brunkenhövers. Sehr gute Erfahrungen verbinde er mit beiden Stellen. Immer habe es dort Menschen gegeben, die ihm geholfen hätten.

An der Volkshochschule Osterholz-Scharmbeck auf dem Campus für lebenslanges Lernen machte der Bremer eine Umschulung zum Büromanagement. Die Volkshochschule habe im Bereich Inklusion Erfahrung. "So konnte ich dort nach dem Besuch einer Tagesklinik die passende Stelle zum beruflichen Wiedereinstieg finden", sagt Brunkenhövers. Und noch heute gibt es einen Draht zueinander.

Die Lücken im Lebenslauf

Brunkenhövers war erleichtert, dass die Umschulung zum Großteil im Betrieb möglich war. "Mit der Schulzeit verbinde ich meine stärksten Krankheitserfahrungen. Schulräume lösen bei mir darum klassische Triggerreaktionen mit heftigen Panikattacken und Stresszuständen aus." Die Prüfungsvorbereitungen an der Berufsschule Osterholz-Scharmbeck lobt er dennoch ausdrücklich.

Heute ist Brunkenhövers bei der Bremischen Evangelischen Kirche in der Digitalen Kommunikation tätigt. Los ging es mit einem Praktikum beim Amt für Öffentlichkeitsdienst. "Dort war dann das Team nach einiger Zeit so von mir und meiner Arbeit überzeugt, dass ein Arbeitsplatz in der Kirchenkanzlei bei der verwandten Abteilung der digitalen Kommunikation herauskam." Durch die Pandemie seien Leute gebraucht worden, die in dem Bereich gut kreativ arbeiten und planen könnten.

Auf welche Schwierigkeiten ist er aufgrund seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt gestoßen? "Es ist tatsächlich immer die klassische Frage: Wie erkläre ich die Lücken in meinem Lebenslauf?", sagt Brunkenhövers. Dabei sei es ein Balanceakt, wie viel man über den Berufsweg erzähle, wie viel über den Lebensweg, der privat bleiben solle. "So offen wie ich jetzt über meine Behinderung spreche, darf das natürlich kein Zwang sein. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben das Recht, da selbstbestimmt ihre eigenen Grenzen zu setzen."

Vorbilder fehlen

Zum Glück, sagt Brunkenhövers, seien ihm viele Menschen begegnet, die mit ihrer Behinderung oder ihren Erkrankungen selbstbewusst umgegangen seien. Von ihnen habe er lernen können. Die eigenen Chancen und Grenzen im Beruf herauszufinden, da gehe es Menschen mit und ohne Behinderung gar nicht unbedingt total unterschiedlich. "Nur dass man mit einer Behinderung wesentlich weniger Vorbilder und Supportstrukturen in der Gesellschaft findet. Und das kann dann zu weitreichenden Ungerechtigkeiten führen. Und wenn andere Diskriminierungen dazukommen, kann es mehrfach belastend sein."

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Jan Brunkenhövers ist wichtig, dass er freiwillig von seiner Behinderung und den Erfahrungen im Berufsleben berichtet: "Niemand muss bei der Arbeit die eigene Krankheitsgeschichte offenlegen." Er wünscht sich in den Unternehmen mehr Barrierefreiheit und vielfältige Zugänge zur Arbeit. Da gebe es generell noch Wissenslücken. "Ich glaube, es gibt gute Nischen, aber auch sehr weite Flächen, wo Vorurteile und Unsicherheit vorherrschen." Er sei sehr froh, in einigen der "Nischen" arbeiten zu können. Das gibt ihm Hoffnung, "dass wir es vielleicht doch aus der Vernachlässigung von Barrierefreiheit rausschaffen können".

Seine Beeinträchtigung hat Jan Brunkenhövers immer mehr in den Griff bekommen. "Wie man mit der Zeit und mehr Lebenserfahrung die passende Kleidung für sich und den Anlass finden kann, so konnte ich mit der Zeit auch lernen mit meinem Nervenkostüm zuverlässig umzugehen."

Zur Sache

Teams der Arbeitsagentur helfen

Die Arbeitsagentur Bremen-Bremerhaven bietet Menschen mit einer seelischen, geistigen oder körperlichen Behinderung oder Lernbeeinträchtigung besondere Unterstützung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz an. Menschen mit Behinderung hätten leider mit vielen Schwierigkeiten und Vorurteilen zu kämpfen, sagt der Chef der Bremer Arbeitsagentur Joachim Ossmann. "Dabei muss sich ein bestehendes Handicap zum Beispiel keineswegs negativ auf die schulische oder berufliche Leistungsfähigkeit auswirken." Bestehende Defizite ließen sich oft durch spezielle Hilfen ausgleichen. "Unsere Reha-Teams setzen genau dort an und machen vieles möglich." Die Arbeitsagentur zahlt etwa Fortbildungs- und Umschulungsangebote oder auch Zuschüsse für den Umbau von Arbeitsplätzen.

In Bremen ist die Erwerbstätigenquote von Menschen mit einer Schwerbehinderung höher als im Bundesvergleich: Sie liegt einem Bericht der Arbeitnehmerkammer Bremen zufolge bei 56 Prozent. "Ein hoher Anteil ist jedoch in speziellen Werkstätten für Behinderte tätig", heißt es darin. Insgesamt gelten demnach fast 53.600 Bremer als schwerbehindert, von ihnen seien rund 23.000 im erwerbsfähigen Alter. 12.600 der Menschen mit Schwerbehinderung seien beschäftigt. Die Zahl der Inklusionsbetriebe ist laut Bericht zurückgegangen. Die Angebote erreichten bisher "nur einen sehr kleinen Teil der schwerbehinderten Beschäftigten in Bremen", heißt es von der Arbeitnehmerkammer.

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