Wenn der Gewerbepark Hansalinie am Bremer Kreuz in den dritten Bauabschnitt geht, soll die Ansiedlung von Unternehmen erstmals neu gedacht werden und viel stärker als bisher Klimaschutz und Naturvielfalt berücksichtigen. Das ist das Ziel des Senats. Die Wirtschaftsbehörde hat dafür am Mittwoch ein Konzept vorgestellt.
Allein für das Gewerbegebiet an der A 1 umfasst es 37 Einzelmaßnahmen. Vieles betrifft nach Angaben der Behörde die Mobilität. So soll die Fläche an eine der Premiumrouten für Fahrräder angeschlossen werden. Geplant sind eine Mobilitäts-App, Carsharing und Angebote für Elektroautos und -fahrräder. Der neue Abschnitt des Gebiets soll von Wasserläufen durchzogen sein, Seen bekommen und Grünflächen, die mehr sind als nur Randstreifen. "Das wird eines der grünsten Gewerbegebiete in Deutschland", glaubt Andreas Heyer, Chef der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB).
Die Strategie ziele sowohl auf neue Flächen wie im Gewerbepark Hansalinie als auch auf den Bestand. Das Stichwort sei Nachhaltigkeit, heißt in einer Mitteilung der Wirtschaftsbehörde. Neben klugen Lösungen für die Mobilität gehe es auch darum, die Gebiete und Unternehmen energieeffizienter zu machen und klimafreundlich mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Hierbei werde die Solarenergie eine große Rolle spielen. Außerdem soll Abfall vermieden und ein effizientes Recycling mit möglichst geschlossenen Kreisläufen organisiert werden. Fassaden und Gründächer sollen dazu beitragen, dass sich Gebäude nicht so stark durch Sonneneinstrahlungen erhitzen und einen Beitrag zum Mikroklima leisten.
"Wir wollen neue und bestehende Gewerbestandorte gemeinsam mit der Wirtschaft klimafreundlich und zukunftsfähig gestalten. Im Fokus stehen dabei die Sicherung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen und positive Einkommenseffekte für breite Bevölkerungsschichten", erklärt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke). "Klimaneutrale Wirtschaftsstandorte werden in absehbarer Zukunft Standards setzen. Unser Ziel ist es, in diesem Thema ganz vorn mit dabei zu sein", so die Senatorin weiter.
Internationaler Wettbewerb
Heyer und Vogt wiesen auf den Standortwettbewerb hin, den es nicht nur gegenüber dem Bremer Umland gebe, sondern auch national und international. Um dabei bestehen zu können, müsse man sich den Megatrends anpassen, und dazu gehöre die Vereinbarkeit von Planung mit der Natur. Das sei nicht allein die Sicht des Staats, sie werde auch von den privaten Investoren geteilt. Heyer: "Vor fünf, sechs Jahren wurde noch nach den Kosten gefragt und danach, ob's was bringt. Heute schauen die Unternehmen selbst auf Nachhaltigkeit."
Im Oktober war Vogt für ihre Ansiedlungspraxis harsch gescholten worden. Joachim Seitz vom Vorstand der Naturschutzorganisation BUND sah damals bei der Weiterentwicklung des Gewerbeparks Hansalinie keinerlei Rücksicht auf die Umwelt: „Bei den bisher erschlossenen Grundstücken ist immer wieder festzustellen, dass die Gebäude viel zu niedrig und Parkplätze viel zu ausgedehnt angelegt werden.“ Seitz kritisierte außerdem, dass zwar ein neuer Autobahnanschluss geplant sei, bisher jedoch kein Anschluss an die ans Gebiet grenzende Bahnlinie.
Aktuell kommt Kritik vom Bündnis lebenswerte Stadt. „Die Zielstellung der Wirtschaftsbehörde ist überfällig, aber angesichts von Klimakrise und Artensterben viel zu kurz gesprungen“, kommentiert Bündnissprecher Ulf Jacob das Konzept. Es fehlten vor allem jegliche konkrete Ziele und Maßnahmen, um Flächen nicht länger zu verbrauchen und sie sogar zu recyceln. Stattdessen setze das Wirtschaftsressort offensichtlich weiter auf Flächenfraß. Mit 348 Quadratmetern pro Einwohner weise Bremen im Vergleich zu anderen deutschen Großstädten den höchsten Anteil an bebauter Siedlungs- und Verkehrsfläche auf. "Dies ist in mehrfacher Hinsicht problematisch, da Boden eine begrenzte Ressource ist und versiegelte Flächen und Landschaftsverbrauch sowohl zum Verlust von biologischer Vielfalt und fruchtbaren Böden beitragen als auch die Verwundbarkeit gegenüber den Folgen des Klimawandels in Form von Starkregen, Hochwasser und Hitze erhöhen", erklärt Jacob.
Lob für die neue Entwicklungsstrategie kommt von den Linken. "Noch vor ein paar Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, dass das Wirtschaftsressort – in enger Abstimmung mit dem Umweltressort – eine solche Strategie für die Gewerbeflächen präsentiert“, sagt Ingo Tebje, wirtschafts- und umweltpolitischer Sprecher der Linken-Fraktion in der Bürgerschaft. Wirtschaftliche Tragfähigkeit, ökologische Verträglichkeit und Arbeitsbedingungen würden in Zukunft gleichrangig berücksichtigt, wenn neue Gewerbeflächen erschlossen und bestehende Gewerbeflächen weiterentwickelt werden. „Das Besondere: Klimaschutz wird dabei nicht nachträglich etwa mit einem begrünten Dach ergänzt, sondern er wird schon bei der Planung von Gewerbeflächen mitgedacht", so Tebje. Mit der Strategie befinde sich der Senat auf der Höhe der Zeit. Wirtschaft müsse selbst zum Akteur von Klimaschutz werden.