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Trotz Kälte freie Betten für Obdachlose Wohnungslose Osteuropäer fühlen sich benachteiligt

Bei einer Gruppe sorgen die steigenden Temperaturen besonders für Erleichterung: 400 bis 500 Menschen verbringen nach Schätzungen in Bremen ihre Tage und Nächte auf der Straße.
09.01.2016, 00:00 Uhr
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Wohnungslose Osteuropäer fühlen sich benachteiligt
Von Alexandra Knief

Bei einer Gruppe sorgen die steigenden Temperaturen besonders für Erleichterung: 400 bis 500 Menschen verbringen nach Schätzungen in Bremen ihre Tage und Nächte auf der Straße.

Der erste Schnee ist getaut. Das löst bei vielen Leuten große Freude aus. Bei einer Gruppe sorgen die steigenden Temperaturen besonders für Erleichterung: 400 bis 500 Menschen verbringen nach Schätzungen des Vereins für Innere Mission in Bremen ihre Tage und Nächte auf der Straße und haben es bei Eis und Schnee besonders schwer.

Einer von ihnen ist Darko Ristovski. Er kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien und hat die mazedonische und die bulgarische Staatsangehörigkeit. 2013 kam er für einen Job nach Deutschland. „Seit August bin ich aber arbeitslos“, erzählt der 40-Jährige. Aktuell schläft er im Hauptbahnhof auf einer Bank. „Das ist besser als mit dem Schlafsack draußen bei dem nassen, kalten Wetter“, sagt er.

Der Verein für Innere Mission bietet in zwei Notunterkünften Schlafplätze für Wohnungslose in Bremen an. Die Annahme, dass der Andrang dort im Winter besonders groß ist und die Betten knapp werden, stimme aber nicht, sagt Bertold Reetz, Bereichsleiter der Wohnungslosenhilfe der Inneren Mission. Bislang hätten Schnee und kalte Tage in diesem Winter nicht für Engpässe gesorgt.

Am Rembertiring gibt es für Männer 40 Plätze. „Dazu kommt noch eine Notbettstelle mit maximal 32 weiteren Plätzen“, so Reetz. „Bei den Männern sind aktuell aber nur 40 Plätze belegt. Da ist noch Luft.“

Oobdachlosen Frauen stehen in der Unterkunft an der Abbentorstraße maximal 25 Plätze zur Verfügung. Auch hier könnte aber noch aufgestockt werden, würde der Andrang größer. „Aktuell sind aber nur 19 Frauen in der Unterkunft“, berichtet Reetz.

Die Hilfesuchenden können in der Regel für maximal drei Monate bleiben. Das ist aber nicht immer der Fall: „Ich durfte nur drei Nächte in die Notunterkunft, dann musste ich raus“, erzählt Darko Ristovski. Fälle wie dieser sind laut Reetz ein Streitpunkt zwischen den Hilfseinrichtungen und der Stadt. „Das Grundproblem ist, dass Menschen, die zum Beispiel aus Bulgarien oder Rumänien kommen und hier Arbeit suchen, keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben“, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialbehörde. „Ohne Rechtsgrundlage kann und darf der Staat keine Sozialleistung erbringen.“ Die einzige Leistung, die man laut Schneider erbringen könnte, wäre die Finanzierung einer Rückkehr in die Heimat.

„Alle Menschen, egal, woher sie kommen, haben in unseren Augen Anspruch auf einen Platz in einer Notunterkunft“, betont dagegen Reetz. Dass die Betroffenen aktuell für drei Tage aufgenommen werden, sei ein Kompromiss. „Aber das reicht nicht.“

Für alle, die wie Darko Ristovski draußen schlafen – ob freiwillig oder nicht – seien die Gesundheitsgefahren bisher zum Glück noch nicht so massiv gewesen. „Wenn es mal ein, zwei Nächte kalt ist, geht das“, sagt Reetz. „Gefährlich wird es für Wohnungslose, die krank sind oder zum Beispiel alkoholisiert ihre Platte aufsuchen und nicht mehr richtig im Blick haben, dass sie nicht gut geschützt sind.“ Bei längerer Kälte habe man gemeinsam mit den Johannitern im sogenannten Kältebus ein Auge darauf, dass die Leute auf der Straße alles haben, was sie brauchen, um sich warm zu halten. Kältetote habe es seines Wissens in den vergangenen Jahren nicht in Bremen gegeben, so Reetz.

Darko Ristovski ist dankbar, dass er hier und da zumindest ein bisschen Hilfe erhält, zum Beispiel warmes Essen. Trotzdem fühlt sich der 40-Jährige ungerecht behandelt: „Flüchtlinge bekommen ein Bett und alles, was sie brauchen, obwohl sie keine Europäer sind. Ich bekomme das nicht“, sagt er.

Dass osteuropäische Wohnungslose ein solches Konkurrenzdenken an den Tag legen, das kommt laut Rüdiger Mantei schon mal vor. Mantei leitet den Tagestreff Café Papagei. Insgesamt glaube er aber nicht, dass sich die Wohnungslosen im Vergleich zu den Flüchtlingen benachteiligt fühlten. Für beide Gruppen gebe es eigene Anlaufstellen, und keiner esse dem anderen die Mahlzeit weg. „Da entsteht keine Konkurrenz“, sagt Mantei. Das einzige Problem, das alle verbinde, sei der Mangel an bezahlbarem Wohnraum.

Genauso sieht es auch Bertold Reetz: „Mir ist nicht bekannt, dass irgendjemand sagt, er komme wegen der Flüchtlinge nicht mehr zu seinem Recht.“ Die Unterstützung durch Bürger und Behörden ist laut Reetz nicht nur bei den Flüchtlingen sehr gut, sondern auch, wenn es um Obdachlose geht. „Die Bremer sind sehr hilfsbereit.“

Ob die aktuelle Flüchtlingssituation irgendwann aber doch noch stärkeren Einfluss auf die Wohnungslosenhilfe nimmt, könne man jetzt noch nicht sagen, so Reetz. Wenn Flüchtlinge, die bleiben dürfen und in eine Wohnung vermittelt wurden, diese wieder verlieren, fallen sie Mantei zufolge nicht mehr unter die Flüchtlings-, sondern unter die Wohnungslosenhilfe. „Natürlich kann es passieren, dass auch bei den Flüchtlingen einige auf der Strecke bleiben“, sagt der Leiter des Tagetreffs. „Die landen dann bei uns.“ Bisher seien in Bremen zwei solcher Fälle bekannt.

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