Christoph Waltz spricht über die Arbeit mit Roman Polanski und das Tier im Manne.
Es muss am österreichischen Höflichkeitsgen liegen. Anders ist nicht zu erklären, mit welcher Duldsamkeit Christoph Waltz seit anderthalb Jahren Fragen nach seinem Oscar beantwortet. Mit dieser Auszeichnung für "Inglourious Basterds" avancierte der Wiener zum Hollywoodstar, dabei ist er hierzulande schon seit 20 Jahren Garant für differenzierte Charaktere. Kein Geringerer als Roman Polanski besetzte Waltz jetzt für seine grandiose Filmversion des Theaterstücks "Der Gott des Gemetzels" (Start: 24.11.). In diesem ebenso komischen wie bitterbösen Kammerspiel will sich das Ehepaar Alan (Waltz) und Nancy Cowan (Kate Winslet) für die vermeintliche Attacke ihres Sprösslings auf den Sohn von Penelope (Jodie Foster) und Michael Longstreet (John C. Reilly) entschuldigen. Doch der bemüht höfliche Austausch zwischen Bildungsbürgern eskaliert in einen verbalen Kleinkrieg. Das Interview dagegen verläuft friedlich - und oscarfrei.
teleschau: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Veteran Roman Polanski?
Christoph Waltz: Polanski ist ein Meister seines Fachs. Er arbeitet seit 60 Jahren in dieser Branche als Regisseur, hat seinen ersten Film mit 18 gedreht. Jetzt ist er 78! Was so jemand sagt, ist immer richtig. Ein Regisseur dieses Kalibers liegt niemals falsch. Man kann als Schauspieler seine Entscheidungen gut finden oder nicht. Aber man darf ganz sicher nicht versuchen, sie mit ihm zu diskutieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass man auch nur den Bruchteil jener Ahnung hat, über die Roman Polanski verfügt, geht stark gegen Null. Also macht man als Schauspieler einfach brav, was er verlangt.
teleschau: Sie fühlten sich also durch keine Regieanweisung in Ihrer Kreativität behindert?
Waltz: Warum sollte ich? Ich breche keine Diskussionen mit Roman Polanski vom Zaun, nur weil ich mich selbst so wichtig nehme.
teleschau: Manche Ihrer Kollegen halten derartige Auseinandersetzungen für wichtig ...
Waltz: Dieses ganze Zerlegen des kreativen Prozesses in seine Einzelteile halte ich für überflüssig. Ich bin doch kein Anhänger der kritischen Theorie, kein Jean Baudrillard. Ich bin Schauspieler. Wenn man in seiner Karriere das Glück hat, mit jemandem wie Roman Polanski zu arbeiten, wäre es doch dumm, einen Streit mit ihm anzufangen. Er weiß einfach, was er uns sagen, welche Knöpfe er bei uns drücken muss, ohne alles auf den Tisch zu legen. So sollte unsere Arbeit als Schauspieler eigentlich immer funktionieren. Leider ist das etwas aus der Mode gekommen.
teleschau: Sie sind Theater- und Filmschauspieler. Wurden Sie mit der Rolle in der Verfilmung eines Bühnenstücks doppelt belohnt?
Waltz: Ja, aber leider nur einmal bezahlt. Im Ernst: Wir haben diesen Film tatsächlich geprobt wie ein Theaterstück - und dann gedreht.
teleschau: Sie sind der einzige Unsympath in der Runde, der ständig zynische Kommentare abgibt ...
Waltz: Alan ist doch nicht zynisch, er bleibt aber als Einziger des Quartetts sehr rational. Alan ist der Einzige im Raum, der sich nicht verbiegt. Er rastet nur einmal aus: Als man ihm sein Smartphone, sein kleines Männerspielzeug wegnimmt (lacht).
teleschau: Müssen Sie eine Figur lieben, die Sie spielen?
Waltz: Ich muss sie nicht lieben, sondern nur verstehen, wie die Figur tickt. Man muss eine Figur nicht jahrelang auf der Couch analysieren, bis sie nicht mehr funktioniert. Die Szenen müssen funktionieren, und das habe ich als Darsteller irgendwie hinzubekommen. Punkt.
teleschau: Dann sehen Sie sich nicht als Method-Actor?
Waltz: Ich halte es jedenfalls für eine Mär, dass man sich nach Drehschluss noch aufführen müsste wie seine Figur.
teleschau: Wie oft erleben Sie es im richtigen Leben, dass jemand seine zivilisierte Maske fallen lässt und das Animalische aufblitzt?
Waltz: Steigen Sie ins Auto und bewegen sich im Straßenverkehr, besonders in Deutschland. Dann wissen Sie es.
teleschau: Sehen Sie da Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
Waltz: Ich hoffe doch! Ich glaube nämlich nicht daran, dass es Sinn macht, sich vorzugaukeln, Männer und Frauen seien gleich. Ich glaube ehrlich gesagt nicht mal, dass Männer und Frauen sich überhaupt nur ähneln und halte diesen Unterschied auch für unabdingbar. Es liegt ein tieferer Sinn darin und man kann ihn in allem erkennen, was wir tun. Ganz abgesehen davon, dass wir nicht hier sitzen würden, gäbe es diesen Unterschied nicht.