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Kommentar über die Katalonien-Krise Sanchez versucht den Neustart

Es ist ein erster Schritt, um die politische Eiszeit zwischen Madrid und Barcelona zu beenden. Eine Art runder Tisch wird eingerichtet. Doch es gibt Hindernisse für eine Verständigung, meint Ralph Schulze.
08.02.2020, 06:00 Uhr
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Sanchez versucht den Neustart
Von Norbert Holst

Nach mehr als einem Jahr Funkstille bewegt sich endlich wieder etwas in der Katalonien-Krise. Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez und Kataloniens separatistischer Ministerpräsident Quim Torra wollen die bisherige politische Feindschaft zu überwinden und einen Dialog über die Zukunft der rebellischen Region anschieben. So der Tenor nach einem Spitzengespräch in Barcelona.

Es ist vielleicht ein erster Schritt, um die politische Eiszeit zwischen Madrid und Barcelona zu beenden. Und es ist zugleich ein Hoffnungsschimmer für die katalanische Bevölkerung, die durch den Unabhängigkeitsstreit in ein pro-spanisches und ein separatistisches Lager gespalten ist. „Das ist ein wichtiger Tag für Katalonien und für Spanien“, meinte Spaniens Premier Sánchez sogar.

Sachez hat die Lösung der Kontroverse um Katalonien zur Chefsache gemacht. Für den Sozialisten ist der Dialog ist der einzig gangbare Weg, um diesen Konflikt zu lösen. Er vereinbarte mit Torra, eine Verhandlungskommission zwischen der spanischen Staatsregierung und der katalanischen Regionalregierung einzurichten – eine Art runder Tisch. Das ist schon einmal ein historischer Fortschritt.

Schnelle Ergebnisse sind aber dennoch nicht zu erwarten. „Wir werden viel Geduld benötigen“, sagte Sánchez etwa. Das Klima wird zudem belastet durch das harte Urteil spanischer Richter gegen neun separatistische Politiker. Sie waren im Herbst wegen ihrer maßgeblichen Rolle bei einer illegalen Unabhängigkeitsabstimmung und der darauf folgenden Abspaltungserklärung zu längerer Haft verurteilt worden.

Größter Knackpunkt ist aber, dass Torra auf eine Amnestie für die inhaftierten Separatisten besteht. Und auf ein legales Referendum, in dem die 7,5 Millionen Katalanen verbindlich über die Unabhängigkeit ihrer Region entscheiden sollen. Sánchez lehnt beides ab. Er verweist darauf, dass in der spanischen Verfassung die Einheit des Staates verankert sei. Stattdessen bietet Sánchez den Katalanen mehr Selbstverwaltung an.

Der Dialog wird auch dadurch erschwert, dass die Unabhängigkeitsparteien zerstritten sind. Mit dem Ergebnis, dass die katalanische Regionalregierung, in der Torras kompromisslose Partei Junts per Catalunya (Gemeinsam für Katalonien) zusammen mit dem moderateren Juniorpartner Esquerra Republicana (Republikanische Linke) sitzt, vor dem Ende steht. Torra musste deswegen bereits Neuwahlen in Katalonien ankündigen.

Mit dem Bruch der katalonischen Regierung sind wohl auch Torras Tage als Ministerpräsident gezählt: Ein Gericht hat ihm jüngst wegen sogenannten Ungehorsams gegenüber dem Staat ein Amtsverbot auferlegt. Sodass er voraussichtlich bei der kommenden Neuwahl nicht kandidieren kann.

Der Dialog mit Madrid könnte ohne Torra, der als Hardliner gilt, leichter werden. Und erst recht, wenn – wie vorhergesagt – der gemäßigte Flügel der Separatisten, also die Partei Esquerra, bei der Neuwahl die Nase vorn haben würde.

Esquerra, die einen guten Draht zu Sánchez’ Sozialisten unterhält, wird von Oriol Junqueras angeführt. Der 50-jährige Parteichef ist heute Kataloniens populärster Politiker. Vermutlich, weil er für seine separatistische Überzeugung ins Gefängnis ging und nicht, wie sein früherer Weggefährte Carles Puigdemont, ins Ausland flüchtete.

Die Haft hat den Unabhängigkeitswillen Junqueras’ jedoch nicht brechen können. Aber Junqueras hat eingesehen, dass die Unabhängigkeit nicht mit der Brechstange und nur mit klaren Mehrheiten erreicht werden kann. Auch das ist ein Fortschritt.

Eine eindeutige Mehrheit der Bevölkerung haben die Separatisten übrigens bisher nicht hinter sich: Bei der letzten Regionalwahl in 2017 erhielten die separatistischen Parteien 47,5 Prozent. Das reichte für die Eroberung der Regionalregierung. Aber ist das auch genug, um die Unabhängigkeit durchzupeitschen? In der im Frühjahr anstehenden Neuwahl wird man sehen, ob die Separatisten zulegen und so ihrem Traum vom eigenen Staat neues Leben einhauchen können.

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