
Annegret Kramp-Karrenbauer: Dankbarkeit ist keine Kategorie. Im Koalitionsvertrag gibt es ein großes Paket an Innovationen. Im Bildungs- und Forschungsbereich etwa sind viele Mittel schon konkret verankert. Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt bringen wir einiges auf den Weg, auch große Kommissionen, die Antworten zur Rentenreform und zur Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen geben werden. Der Koalitionsvertrag ist besser als sein Ruf – er muss allerdings auch umgesetzt werden.
Es gibt ein ganzes Bündel an Ursachen dafür. Für ein schnelleres Internet sind in der zweiten Hälfte der vorigen Legislaturperiode Mittel zur Verfügung gestellt worden. Doch die Förderprogramme sind sehr kompliziert, sie brauchen lange für die Ausschreibungen. Im Schulbereich haben wir jetzt erste Hürden zwischen Bund, Ländern und Kommunen beiseite geräumt. Beim Ausbau der Infrastruktur müssen unsere Verfahren und Genehmigungen schneller werden. Ich habe im eigenen Bundesland erlebt, dass der Bau einer neuen, dringend benötigten Autobahnbrücke zwölf Jahre dauert.
Bei der Digitalisierung haben wir nun eine koordinierende Stelle im Bundeskanzleramt. Die Öffentliche Hand muss mit Projekten vorangehen, etwa dem Bürgerportal: Das würde viele Genehmigungsverfahren einfacher machen. In Deutschland reden wir noch darüber, ob man sein Auto beim Landratsamt oder bei der Stadtverwaltung zulassen muss – in den baltischen Staaten entscheidet man sich, ob man das vom Schreibtisch oder vom Esstisch aus macht.
Da müssen die Kapazitäten wieder hochgefahren werden – und ich komme aus einem Haushaltsnotlageland. Aber wir müssen uns auch kritisch fragen, warum Genehmigungen länger dauern als in anderen europäischen Staaten, bei denen ich nicht den Eindruck habe, dass sie unsicherer bauen als in Deutschland. Im Bereich Bildung wollen wir einen nationalen Bildungsrat einrichten, der sich in anderen Ländern durchaus bewährt hat.
Zum Beispiel Kanada und die Schweiz. Dort ist dieses Gremium nicht dazu da, alles in allen Regionen gleich zu machen, aber es legt die großen Linien in der Bildungspolitik fest und schafft den entsprechenden Rahmen.
Wir haben eine Entlastung über den Abbau des Solis für 90 Prozent der Betroffenen im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wir haben zudem mit gewissen Steuermehreinnahmen gerechnet und diese auch in den Projekten verplant. Nun hat die jüngste Steuerschätzung ergeben, dass es noch weitere Mittel gibt. Die müssen wir vorrangig für den Verteidigungsetat einsetzen, weil der bislang keine Priorität hat. Aber es muss auch Entlastungen geben.
Etwa bei der kalten Progression, die extrem leistungsfeindlich ist, weil sie jede Gehaltserhöhung wegfrisst. Auch bei den Sozialkassen haben wir Spielräume. Vereinbart ist bereits, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um 0,3 Prozentpunkte zu senken. Aber auch 0,5 Punkte wären absolut vertretbar, ohne dass man an die eiserne Reserve geht. Auch bei den Rücklagen der Krankenkassen scheint eine gewisse Entlastung möglich. Zusammen mit der vereinbarten Wiedereinführung der Parität bei den Beiträgen (Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen einen gleich hohen Anteil, d. Red.) würde das ein gutes Paket ergeben, das die Familien in der Mitte unserer Gesellschaft deutlich entlastet.
Ich finde es sehr spannend, dass ein erfolgreicher Unternehmer erkannt hat, dass in diesem Bundesland vieles nicht gut läuft und er dem nicht länger einfach nur zuschauen möchte. Um selbst aktiv zu werden, hat er nicht den Weg in die SPD oder zu den Grünen gewählt, sondern jenen in die CDU. Das spricht auch für die hiesige CDU. Herr Meyer-Heder ist eine überzeugende Persönlichkeit, das zeigen auch seine Bewertungen als Arbeitgeber. Das passt sehr gut zur Verankerung der CDU in der sozialen Marktwirtschaft.
Mit der kritischen Analyse all dessen, worüber die Menschen hier nicht glücklich sind, kann das schon gelingen. Dazu müssen wir als CDU ein überzeugendes personelles und inhaltliches Angebot machen.
Aus eigener Erfahrung möchte ich zunächst betonen, dass im Bundesamt für Migration (Bamf) sehr viele Mitarbeiter täglich eine sehr gute Arbeit leisten. Und das ist eine Arbeit, die persönlich sehr berührt, denn es geht immer um menschliche Schicksale. Fakt ist aber auch, dass die Menschen erwarten, sich auf die Entscheidungen im Bundesamt verlassen zu können. Der Vertrauensschaden, der mit den Ereignissen in Bremen eingetreten ist, geht weit über das Bamf hinaus.
Es muss einerseits aufgeklärt werden, wo die persönlichen Verfehlungen liegen. Auch in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den beteiligten Dolmetschern und Anwaltskanzleien. Und dann stellt sich die Frage nach der internen Kontrolle und danach, wie das Amt ausgestattet ist.
Deshalb ist es ja richtig, dass derzeit auch andere Außenstellen überprüft werden. Es ist nicht damit getan, durch die schnelle Entlassung der einen oder anderen Führungskraft ein Signal zu setzen. Es geht um die Struktur und Ausstattung der gesamten Behörde: Sind die internen Verfahren richtig? Deshalb ermitteln ja nicht nur die Staatsanwaltschaften, sondern durchleuchtet auch der Bundesrechnungshof auf Wunsch des Bundesinnenministers Horst Seehofer das System.
Nein. Das ist eine Zuspitzung in der politischen Auseinandersetzung. Die Formulierung würde ich selbst nicht so wählen. Wir haben ein Asylrecht mit festgelegten Rechtswegen. Wenn die genutzt werden, ist das völlig normal. Richtig ist aber auch, dass es unter den engagierten Helfern der Flüchtlinge viele gibt, die Rückführungen und Abschiebungen grundsätzlich ablehnen. Die gehen zum Teil auch aggressiv vor, um Abschiebungen zu verhindern. Unser Asylrecht hat zwei Seiten: Es ist aus historischen Gründen sehr intensiv ausgestaltet, es unterscheidet aber auch klar zwischen denjenigen, die bleiben können, und denjenigen, die das Land wieder verlassen müssen – am besten freiwillig. Wenn das nicht geht, dann eben auch mit Zwangsmaßnahmen.
Das Kirchenasyl ist kein Ersatz-Asylrecht. Es kann also nicht generell alle auffangen, die mit ihren Anträgen im staatlichen System gescheitert sind. Trotzdem gibt es besonders komplizierte Fälle, in denen die Kirchen bitten, sich alles noch einmal genau anzuschauen. Für diese meist eher kurze Zeit gewähren sie Asyl. In den allermeisten Bundesländern gibt es dafür klare Vereinbarungen zwischen den Gemeinden und der staatlichen Ebene. Das ist dann durchaus tolerierbar.
Annegret Kramp-Karrenbauer ist seit Februar 2018 Generalsekretärin der CDU-Bundespartei. Die 55-jährige Juristin aus Völklingen ist zuvor seit 2011 Ministerpräsidentin des Saarlandes gewesen.
|
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.